Pierre-Gabriel Buffardin
Pierre-Gabriel Buffardin (* 24. März 1693 in Toulon;[1][2][3][4][Anm. 1] † 13. Januar 1768 in Paris) war ein französischer Komponist, Flötenvirtuose und Flötenbauer des Barock.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Buffardin war der Sohn des Instrumentenbauers Jean-Joseph Buffardin (1664 in Vaison-la-Romaine – 1726 in Avignon) und Anne Tousse (um 1669 in Toulon – 1704 in Marseille). Zwischen 1693 und 1704 zog die Familie nach Marseille.[2]
In einer kurzen autobiographischen Notiz, die Buffardin im Auftrag von August dem Starken um 1716/17 handschriftlich verfasste, beschrieb er sich wie folgt:
« Pierre Gabriel Buffardin né En provence / Elevé a Marseille Agé d’Environ Vingt et- / sept ans Musicien du Roy depuis La foire / d. St. Michel 1716. »
„Pierre Gabriel Buffardin, geboren in der Provence, aufgewachsen in Marseille. Ungefähr 27 Jahre alt. Musiker des Königs seit dem Jahrmarkt von Saint Michel 1716.“[2]
Offenbar war sich Buffardin demnach über sein genaues Alter im Unklaren. Wohl aufgrund dieser Angaben wurde in älterer Literatur von einem Geburtsjahr um 1689/90 ausgegangen.
Zu Beginn seiner Karriere reiste er im Gefolge eines französischen Gesandten nach Konstantinopel. Dort traf er auf Johann Sebastian Bachs Bruder Johann Jacob Bach, der als Gardeoboist im Dienste des schwedischen Königs stand und mit diesem 1709 nach der Niederlage in der Schlacht bei Poltawa an den Osmanischen Hof geflüchtet war.[5] Bach nutzte die Gelegenheit, bei Buffardin Flötenunterricht zu nehmen. Buffardin könnte zum Gefolge von François Belin gehört haben, der 1711 nach Konstantinopel entsandt wurde.[2] Dokumente über den Aufenthalt in Konstantinopel sind nicht erhalten; wir sind darüber durch Carl Philipp Emanuel Bachs handschriftliche Nachträge zum Ursprung der musicalisch-bachischen Familie von 1735 unterrichtet:
„Von Bendern ist er [= Johann Jacob Bach] nach Constantinopel gereiset u. hat da von dem berühmten Flötenisten Buffardin, welcher mit einem Französischen Gesannten nach Constantinopel gereist war, Lecktion auf der Flöte genommen. Diese Nachricht gab Buffardin selbst, wie er einstens bey J. S. Bach in Leipzig war.“
Buffardin wurde am 26. November 1715 zum Soloflötisten des sächsischen königlich-kurfürstlichen Orchesters in Dresden ernannt und wurde mit einem jährlichen Gehalt von 500 Talern entlohnt. Im Jahr 1718 war er für vier Monate der Lehrer von Johann Joachim Quantz. Dieser sagte über seinen Lehrer: „dass seine grösste Stärke, wie damals bei allen französischen Instrumentalvirtuosen, hauptsächlich in geschwinden Passagen bestanden habe.“[7] Zu seinen Schülern gehörten auch Franz Jos. Götzel († 1823) und Pietro Grassiflorio († 1795). Gemeinsam mit Pisendel, Quantz und Weiss begleitete er 1725 den Kurfürsten bei seinem Besuch in Berlin. Jeder der Musiker erhielt für seine Darbietungen von Friedrich Wilhelm I. ein Geschenk von 100 Dukaten. Buffardins Gehalt stieg bis 1741 auf 1000 Taler und am 23. Juni 1749 wurde er mit einem Gnadengehalt von 700 Talern in den Ruhestand versetzt. Beim Ausbruch des Siebenjährigen Krieges floh der Hof nach Warschau und im Jahr 1764 musste Buffardin mit 200 Talern auskommen. Bald darauf zog er mit seiner Familie nach Paris.
„Buffardin war einer der ersten Flötisten, welche die Flötenvirtuosität auf eine höhere Stufe der Ausbildung und durch eine richtige Lehrmethode brachte.“[8] Buffardin nahm für sich die Erfindung des Spiels von Vierteltönen auf der Flöte in Anspruch, womit er möglicherweise Anregungen aus der türkischen Musik aufgriff. 1764 beklagte er sich im Mercure de France, dass diese Erfindung von einem anonymen Komponisten gestohlen worden sei; gemeint war damit Charles de Lusse, der eine Air à la Grecque zusammen mit einer Grifftabelle für Vierteltöne veröffentlicht hatte, die Buffardin als sehr fehlerhaft bezeichnete.[2]
Tätigkeit als Instrumentenbauer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ebenso wie sein Vater war Buffardin auch als Instrumentenbauer tätig. 1728 schenkte er Kronprinz Friedrich von Preußen eine selbstgebaute Flöte. In einem Inventar von 1769 aus Burg Pidhirzi in der heutigen Ukraine sind sechs Buffardin-Flöten aufgeführt, davon vier aus Elfenbein, eine aus Ebenholz und eine aus Buchsbaumholz.[2] Antoine Mahaut erwähnt in seiner Flötenschule (1759) zwei Innovationen Buffardins: den schraubbaren Stimmkorken und das geteilte Fußstück mit Stimmklappe.[9]
Im Jahr 2015 tauchte bei einer eBay-Auktion überraschend eine zuvor unbekannte, mit „Buffardin le fils [= der Sohn]“ signierte historische Flöte auf. Die Namensnennung bezieht sich offenbar darauf, dass auch Buffardins Vater schon Instrumentenbauer war. Das Instrument, das im Lauf der Zeit modifiziert und beschädigt worden war, wurde seither von mehreren Flötenbauern analysiert und nachgebaut.[3][4][10]
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis vor wenigen Jahren galt seine „Flötensonate“ als einziges gesichert authentisches Werk. Zugeschrieben wird ihm ebenfalls ein „Konzert für Querflöte in e-Moll“ sowie ein weiteres Konzert in f-Moll, dass sich unter den anonymen Musikalien der Dresdner Hofkapelle befindet. Ende der 2010er Jahre konnte der flämische Flötist Wim Brabants eine Sammlung von sechs Sonaten für Flöte und B. c., die um 1738 unter dem Namen „Mr. B***.“ verlegt wurde, Buffardin plausibel zuschreiben.[3][11]
Aufnahmen / Tonträger
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Concerts. Flötenkonzert e-Moll (und Werke von Blavet, Boismortier, Corrette und Quentin). Wilbert Hazelzet (Flöte), Musica Antiqua Köln, Reinhard Goebel. Archiv Produktion 2534 010, 1983; Wiederveröffentlichung als French Baroque Concertos. Archiv Produktion CD 447 286-2, 1995.
- Flötenkonzerte am Sächsischen Hof. Flötenkonzert e-Moll (und Werke von Quantz, Heinichen und Hasse). Eckart Haupt (Flöte), Dresden Baroque Soloists. Eterna 7 25 129, 1988. Auch: Flötenkonzerte des Barock. Capriccio C 27 155, 1988 (auch Wiederveröffentlichung auf diversen Samplern).
- Musik am Hofe August des Starken. Sonate A-Dur (und Werke von Vivaldi, J. S. Bach, Quantz, Heinichen und Hasse). Elisabeth Weinzierl, Edmund Wächter (Flöten), Eva Schieferstein (Cembalo), Ulrich Fuchs (Cello). Christophorus CHE 0081-2, 1996.
- French flute concertos. Flötenkonzert e-Moll (und Werke von Leclair, Blavet, Corrette, Naudot und Boismortier). Frank Theuns (Flöte), Les Buffardins. Accent ACC 24297, 2015.
- Pierre-Gabriel Buffardin: Sonaten für Flöte & Bc Nr. 1–6, Concerto e-Moll. Olivier Riehl, Le Petit Trianon. Ricercar 428, 2020
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Evren Kutlay Baydar: Bach ve Buffardin’in İstanbul Buluşmasına Türk Müzik Tarihi Bağlamında Bakış (Looking Bach and Buffardin’s Istanbul Meeting from a Turkish Music Historical Perspective). In: Journal of World of Turks / Zeitschrift für die Welt der Türken. Vol. 2, 2010, Nr. 2, S. 43–52; yumpu.com (türkisch).
- Jean-Christophe Frisch: Fragments de la vie d’un flûtiste, Pierre Gabriel Buffardin (Provence, ca. 1690 – Paris, 13 January 1768). In: Bulletin of the Transilvania University of Brasov. Series VIII: Performing Arts. 2018 Special Issue, Vol. 11, S. 89–102 (französisch).
- Kristina Funk-Kunath: Spurensuche – Ein unbekanntes Porträt von Pierre Gabriel Buffardin. In: Bach-Jahrbuch. 104, 2018, S. 225–233.
- Dieter Härtwig: Buffardin, Pierre-Gabriel. In: Friedrich Blume (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Erste Ausgabe, Band 15 (Supplement 1: Aachen – Dyson). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1973, DNB 550439609, Sp. 1183–1184 (= Digitale Bibliothek Band 60, S. 10531–10533)
- Dieter Härtwig: Buffardin, Pierre-Gabriel. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 3 (Bjelinski – Calzabigi). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2000, ISBN 3-7618-1113-6 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
- Eckart Haupt: Das Dresdner Flötenspiel von Buffardin bis Rucker. Versuch eines Abrisses. In: Wolfgang Mende (Hrsg.): Partita. Siebenundzwanzig Sätze zur Dresdner Musikgeschichte. Festschrift für Hans-Günter Ottenberg zum 65. Geburtstag. Thelem, Dresden 2012, ISBN 978-3-942411-55-4, S. 151–168.
- Ingrid Kollpacher-Haas: Pierre-Gabriel Buffardin: Sein Leben und Werk. In: Studien zur Musikwissenschaft. 25, 1962, S. 298–306; JSTOR:41465234.
- Ursula und Željko Pešek: Flötenmusik aus drei Jahrhunderten. Komponisten – Werke – Anregungen. Bärenreiter, Kassel/Basel 1990, ISBN 3-7618-0985-9, S. 55 f.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Werke von Pierre-Gabriel Buffardin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Edward R. Reilly: Buffardin, Pierre-Gabriel. In: Grove Music Online (englisch; Abonnement erforderlich).
- Digitalisat eines Buffardin zugeschriebenen Concertos der Dresdner Hofkapelle
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Die in älteren Nachschlagewerken zu findende Angabe, Buffardin sei um 1689 vermutlich in Avignon geboren, beruht auf einer Spekulation von Ingrid Kollpacher-Haas (1962).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Archives départementales du Var. Registres de l’état civil. Toulon (Var, France)—Sainte-Marie, paroisse 1693, f. 35r., abgerufen am 9. September 2023
- ↑ a b c d e f Wim Brabants: Pierre-Gabriel Buffardin. In: Booklet zur CD: Pierre-Gabriel Buffardin: Sonaten für Flöte & Bc Nr. 1–6, Concerto e-Moll. Ricercar 428, 2020.
- ↑ a b c Michael Lynn: A New voice: The Flute of Pierre Gabriel Buffardin. In: Flutist Quarterly. Vol. 45, 2020, Issue 2 Winter, S. 26–30; gale.com (Subskriptionszugriff), abgerufen am 25. Juni 2023.
- ↑ a b Martin Wenner: Gedanken über die Flöte „Buffardin Le Fils“. wennerfloeten.de, 2018/19 (PDF; 654 KB), abgerufen am 25. Juni 2023.
- ↑ Rashid-S. Pegah: Begegnungen in Konstantinopel und Leipzig. Pierre Gabriel Buffardin und Johann Jacob Bach. In: Bach-Jahrbuch 97, 2011, S. 287–292; DOI:10.13141/bjb.v20111240.
- ↑ Werner Neumann, Hans-Joachim Schulze (Hrsg.): Bach-Dokumente. Band I: Schriftstücke von der Hand J. S. Bachs. 2. Auflage. Bärenreiter, Kassel 2012, ISBN 978-3-7618-0025-6, S. 259 u. 265, sowie Band III: Dokumente zum Nachwirken Johann Sebastian Bachs 1750–1800. Bärenreiter, Kassel 1972, S. 287.
- ↑ Hermann Mendel, August Reissmann: Buffardin, Pierre Gabriel. In: Musikalisches Conversations-Lexikon: eine Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaft für Gebildete aller Stände … Ergänzungsband. Robert Openheim, Berlin 1883, S. 50 (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Robert Eitner: Buffardin, Pierre Gabriel. In: Biographisch-Bibliographisches Quellen-Lexikon der Musiker und Musikgelehrten der christlichen Zeitrechnung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Band 2. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1900, S. 230 f. (Textarchiv – Internet Archive).
- ↑ Antoine Mahaut: Nouvelle méthode pour apprendre en peu de temps а jouer la flute. Paris und Amsterdam, 1759, S. 2; online: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project.
- ↑ Giovanni Tardino: „Buffardin“-Flöte. tardinoflutes.com, abgerufen am 26. Juni 2023
- ↑ Axel De Schrijver: Do you know Mr. B***, earlymusic.be, abgerufen am 29. Juni 2023 (niederländisch/englisch)
Personendaten | |
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NAME | Buffardin, Pierre-Gabriel |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Komponist, Flötenvirtuose und Flötenbauer des Barock |
GEBURTSDATUM | 24. März 1693 |
GEBURTSORT | Toulon |
STERBEDATUM | 13. Januar 1768 |
STERBEORT | Paris |