Unterhaltungsliteratur

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Unterhaltungsliteratur umfasst jene Literatur, die im Gegensatz zur Hochliteratur steht. In der Literaturwissenschaft wird der Begriff einerseits synonym zu Trivialliteratur verwendet,[1] andererseits wie in der Literaturkritik zur Bestimmung der literarischen Qualität eines Werks (z. B. eines Romans oder Theaterstücks) herangezogen, das Ansprüche der Hochliteratur nicht stellt und sich trotzdem von der Trivialliteratur abhebt. Im Buchhandel wird Unterhaltungsliteratur oft unter dem Gattungsbegriff Belletristik geführt.

Die Differenzierung war literatursoziologisch motiviert und reflektierte das Lesebedürfnis in der Massengesellschaft, sofern der Untersuchungsgegenstand abseits ästhetischer Merkmale auf Fragen nach der gesellschaftlichen und psychischen Stabilisierung, dem Verhältnis von Produktion, Vertrieb und Werbung sowie der Anpassung von Lesererwartungen ausgeweitet werden konnte.

Literaturwissenschaftliche Begriffsbestimmung

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Der Gegensatz HochliteraturTrivialliteratur stieß bereits im 19. Jahrhundert auf Kritik, weil mit dem Anstieg der Buchproduktion zahlreiche Romane erschienen waren, die nicht eindeutig einer der beiden Kategorien zugeordnet werden konnten. In den 1920er Jahren wandten sich Literaturwissenschaft und Literaturkritik dieser Literatur kritisch zu. 1947 geriet die Zweiteilung der Literatur weiter in die Kritik, indem eine klare Zuordnung teils bezweifelt wurde, teils als Ausdruck einer elitären Literaturbetrachtung für unfähig erachtet wurde, die neuen Phänomene auf dem Buchmarkt zu erklären. Der Germanist Klaus Ziegler sprach sich 1947 für eine Anerkennung der Unterhaltungsliteratur als Gegenstand seines Faches aus; der Kulturwissenschaftler Hans Friedrich Foltin (1937–2013) schlug 1965 eine Mittelebene und damit eine Aufweichung des Zweischichtenmodells vor.[2] Literatur könne zur stärkeren Differenzierung qualitativ in Dichtung – Unterhaltungsliteratur – Trivialliteratur klassifiziert werden. Hans Dieter Zimmermann stellte Kriterien für die jeweiligen Literaturen auf und schlug daran anschließend den Begriff der „Schemaliteratur“ statt „Trivialliteratur“ vor.

Volker Meid merkt an: „Auch die Erweiterung des Zweischichtenmodells […], bei dem die bildungsbürgerliche Unterhaltungsliteratur vom Schund abgegrenzt wurde, basiert auf historisch bedingten und von der Konvention bestimmten Geschmacksurteilen.“[3] Eine klare Abgrenzung werde durch das Dreischichtenmodell nicht erreicht, vielmehr werde deutlich, dass zwischen den jeweiligen Schichten Übergänge vorhanden seien. Im Gegensatz zu Literaturwissenschaftlern mit normativem Anspruch wie Emil Staiger, Walter Muschg oder Fritz Martini eröffnet sich neben der ästhetischen Perspektive eine Betrachtung der historischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Literatur.

Ähnlich wie der Begriff der Unterhaltungsliteratur ist der des Midcult des US-amerikanischen Journalisten und Essayisten Dwight Macdonald (1906–1982) und des italienischen Philosophen und Schriftstellers Umberto Eco ein Versuch, Literatur zu klassifizieren, die sich weder der „guten“ noch der „schlechten“ Literatur eindeutig zuordnen lässt. Das Augenmerk wird im Midcult auf die Produktionsweise und den Vertrieb gerichtet, sodass ästhetische Merkmale nicht frei von ihrem historischen und sozialen Rahmen betrachtet werden, was eine Gemeinsamkeit mit dem Begriff der Unterhaltungsliteratur darstellt. Der Begriff Midcult enthält jedoch einen produktionsästhetischen Vorbehalt, sofern er nicht nur eine Kategorie zur Bestimmung von literarischen Werken ist, sondern eine Kritik an der Kulturindustrie transportiert.

Unterhaltungsliteratur hat es in den führenden Bildungs- und Gesellschaftsschichten in allen literaturfähigen Epochen gegeben. In der Spätphase des Alten Ägypten existierte neben der Klassischen Literatur die Demotische Literatur, die bereits zahlreiche für die spätere Unterhaltungsliteratur typische Merkmale aufweist, darunter die Auswahl der Figuren, die Heldenreise, Exotik und Liebesabenteuer. Der Ägyptologe Joachim Spiegel nimmt an, dass diese Literatur Einflüsse aus dem Alten Orient und aus dem südöstlichen Mittelmeerraum aufgenommen habe. In der griechischen Antike lassen sich Werke wie die Argonautika von Apollonios von Rhodos wegen ihres seriellen Charakters der Unterhaltungsliteratur zuordnen.

In der Renaissance entsteht durch Buchdruck und die Trivialisierung der Versepen der Ritterroman. Neben den Schwänken machen sie einen großen Teil der Unterhaltungs- und Trivialliteratur aus. Ein Wechsel vom intensiven zum extensiven Leseverhalten lässt sich an der Entwicklung der weit verbreiteten Erbauungsliteratur verfolgen. Neben den durch die Bibelanstalten weitverbreiteten Hausbibeln bildeten immer wieder neu aufgelegte Erbauungsschriften bekannter Autoren wie Thomas a Kempis oder Johann Arndt den ursprünglichen Lesestoff der lesekundigen Bevölkerung.

Im Zuge der Aufklärung trat die Unterhaltungsliteratur aus den gehobenen Gesellschaftsschichten heraus ins Bürgertum und der Umfang dieser Literatur sowohl in Auflagenhöhe, Verbreitung als auch in Themenvielfalt weitete sich aus. Mit der zunehmend eingeführten Schulpflicht und dem damit einhergehenden ansteigenden Lesevermögen wuchs auch die Lust der Menschen zu lesen. Auf dieses neue Lesebedürfnis stellten sich Verleger und Autoren ein und so begann gleichzeitig mit dem Aufklärungszeitalter ein Zeitalter des expandierenden Buchmarkts. Die Industrialisierung brachte sowohl für den Buchdruck als auch für Buchhandel und Vertrieb neue Impulse, die ungeheure Marktauflagen für das neu entstandene Lesepublikum ermöglichten. Dieses sah in der Lektüre eine Erfüllung seines Wunsches nach neuer Innerlichkeit und Emotionalität, der nun somit nicht mehr ausschließlich von Familie, Freundeskreis oder religiösen Verbänden befriedigt wurde.

Die Aufklärer wollten mit ihren Traktaten die Gemütsbewegungen und Affekte ihres Publikums in Richtung auf einen tugendhaften Umgang lenken (Gottsched: Der Biedermann; Bertuch: Journal des Luxus und der Moden), indem Informationen durch Klatsch, Gesellschaftsnachrichten und Illustrationen ergänzt wurden. Dass literarische Texte dem Unterhaltungsbedürfnis des Publikums entgegenkamen, zeigte sich besonders in Goethes erfolgreichem Roman Die Leiden des jungen Werthers, der heftigen emotionalen Widerhall fand.

Im Zeitraum zwischen 1740 und 1800 rückten theologische Literatur und Erbauungsschriften zunehmend in den Hintergrund, wohingegen die „Schönen Künste und Wissenschaften“ einschließlich der Romane immer mehr an Popularität gewinnen konnten. Vor allem der unkünstlerische Roman spielte dabei eine entscheidende Rolle. Somit wurde die Unterhaltungsliteratur trotz ihrer Trivialität zu einem bedeutenden Faktor des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens und darf keineswegs als von der Dichtung isoliertes Phänomen angesehen werden.

Damit waren die Bedingungen für eine hohe Auflagenzahl erfüllt, und seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts erfreute sich die „Tagesliteratur“ in täglich oder wöchentlich erscheinenden Zeitungen oder Zeitschriften einer wachsenden Leserschaft. Häufig wurde dieser Bedarf an Lektüre durch fliegende Händler abgedeckt, die in Wochen- oder Monatslieferungen ihre „Literatur“ in der Provinz verkauften.

Außer Kalenderblättern und Unterhaltungs- und Familienzeitungen (Unterhaltungen am häuslichen Herd, Die Gartenlaube) und den Almanachen des 18. und 19. Jahrhunderts fanden seit Anfang des 20. Jahrhunderts die sogenannten „Groschenhefte“ größere Leserkreise. Nach 1945 kam eine zweite Welle der „Heftchen-Literatur“ auf. Neue Produktionsmethoden erweiterten den Markt um das Taschenbuch.

Neben der romanhaft erzählenden Literatur steht die populärwissenschaftliche Unterhaltungsliteratur, die längs- oder querschnittartig einen Blick auf oder in bestimmte Wissens- und Forschungsgebiete ermöglichen soll. Sie unterscheidet sich weniger in der Form (der Schwerpunkt liegt auf dem erzählenden und weniger diskursiven Stil) als mehr im Inhalt (dem Sach- und Fachthema). Bei aller Problematik generalisierender Darstellungen ist ihr seit ihrem Erscheinen ein großer Erfolg beschieden, da sie in besonderem Maße die Neu- und Wissbegier des Lesepublikums zu stillen verspricht.

Michael Faraday begründete mit seiner „Chemiegeschichte der Kerze“ diese Art sich stetig verbreitender naturwissenschaftlicher Publikumsliteratur, deren Verbreitung im 19. Jahrhundert einen Höhepunkt erlebte. Zeitschriften wie Die Natur von Carl Gustav Schwetschke verzeichneten seit ca. 1850 ein halbes Jahrhundert lang hohe Resonanz, ebenso etwa die Urania in der Zeit der Weimarer Republik.

Formen und Gattungen

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Unterhaltungsliteratur als positiver literaturkritischer Begriff und als Gegenstand der Literaturwissenschaft, d. h. Literatur zwischen Hoch- und Trivialliteratur, lässt sich in der erzählenden wie in der dramatischen Literatur finden. Diese werden im Folgenden aufgelistet und mit Beispielen versehen. Lyrik lässt sich wegen ihrer zur Prosa und Rede eingeschränkten Diskursivität und wegen ihres Formanspruchs nicht mit einem aufwertenden Begriff von Unterhaltungsliteratur vereinbaren. Ähnliches gilt für den Essay, der wegen seines Gebots des Räsonnements derlei Vermittlungen ebenfalls ausschließt.

Ein Unterhaltungsroman besitzt im Gegensatz zu den Romanen der Hochliteratur keinen Anspruch auf sprachliche und kompositorische Innovation. Anders als der Trivialroman zeichnet sich der Unterhaltungsroman durch eine routinierte Schreibkunst aus. Teilweise werden Erzähltechniken aus der Hochliteratur der Vergangenheit aufgegriffen, beispielsweise der Psychologismus des Realismus. Auch werden im Unterhaltungsromanen ähnlich wie in der Utopie und Dystopie konkrete gesellschaftliche Themen abgehandelt, ohne dass diese jedoch durch Argumentationen gestützt werden. Gleichfalls gehört jene Genre-Literatur, die innerhalb ihres Genres neue Wegmarken setzt, zur Unterhaltungsliteratur, weil sie das narrative Schema ihres Genres durchbricht und damit im Gegensatz zur Trivialliteratur eine erhöhte Literarizität aufweist. Die Bewertung richtet sich weniger auf dem Autor als stets auf das einzelne Werk; so war Friedrich Dürrenmatt als Romancier ein Unterhaltungsschriftsteller, als Dramatiker Verfasser hochliterarischer Werke.

Beispiele für Unterhaltungsromane in zahlreichen Genres:

Beispiele für Novellen und Erzählungen:

Im 17. Jahrhundert erfuhr das Drama eine Aufwertung als Kunst, nicht zuletzt aufgrund einer Dramenliteratur, die sich ihren griechischen und römischen Vorbildern ebenbürtig zeigte. Die Mysterienspiele, Possen und Schwänke erfuhren hierdurch gleichzeitig eine starke Abwertung. Als Repräsentationsraum gesellschaftlicher Konflikte wurde im 18. Jahrhundert das Theater auch zur Aufführung von weniger anspruchsvollen Dramen genutzt. Teilweise sind diese Dramen Modeerscheinungen, wie die zahlreichen mittelmäßigen Ritterdramen nach Goethes Götz von Berlichingen (UA 1774).

Zu nennen sind hierbei:

  • Herbert Heckmann (Hrsg.): Angst vor Unterhaltung? Über einige Merkwürdigkeiten unseres Literaturverständnisses (= Dichtung und Sprache. Band 5). Carl Hanser Verlag, München/Wien 1986, ISBN 3-446-14664-4.
  • Albert Klein: Die Krise des Unterhaltungsromans im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Theorie und Geschichte der ästhetisch geringwertigen Literatur (= Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft. Bd. 84, ISSN 0567-4999). Bouvier, Bonn 1969 (Zugleich: Bochum, Univ., Diss.).
  • Laurenz Volkmann: Trivialliteratur. In: Ansgar Nünning (Hrsg.): Metzler-Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Metzler, Stuttgart / Weimar 2001, ISBN 3-476-01692-7, S. 644–645.
Wikisource: Unterhaltungsliteratur – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Unterhaltungsliteratur – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Rüdiger Zymner: Texttypen und Schreibweisen. In: Handbuch Literaturwissenschaft, hrsg. von Thomas Anz, Bd. 1, Metzler, Stuttgart 2013, S. 42.
  2. Foltin, Hans Friedrich: Zur Erforschung der Unterhaltungs- und Trivialliteratur, insbesondere im Bereich des Romans. In: Studien zur Trivialliteratur, hrsg. von Heinz Otto Burger. Klostermann, Frankfurt am Main 1968, S. 242–270.
  3. Volker Meid: Sachwörterbuch zur deutschen Literatur. Reclam, Stuttgart 1999, S. 528.