Portal:Deutsches Kaiserreich/Artikel des Monats/12. M
Die abwertende Bezeichnung „Reichsfeinde“ wurde im Deutschen Kaiserreich benutzt, um politische Gegner zu markieren, aus der Gemeinschaft der Reichsangehörigen auszuschließen und ihre Bekämpfung zu rechtfertigen. Reichskanzler Otto von Bismarck bezeichnete mit dem Begriff vor allem Sozialdemokraten und Katholiken, doch wurden auch andere Gruppen mit diesem Schimpfwort abgewertet. Das Deutsche Reich war 1871 im Krieg gegen Frankreich gegründet worden, das damit in der Tradition der angeblichen deutsch-französischen Erbfeindschaft als äußerer Reichsfeind markiert war. Ihm wurden die inneren Reichsfeinde gegenübergestellt: Als solche galten alle Kräfte, die in den kleindeutsch-protestantischen Nationalstaat nicht hineinpassten oder hineinpassen wollten. Neben den Katholiken und der Arbeiterbewegung galt das für nationale Minderheiten wie Dänen, Polen oder Elsass-Lothringer, die bis 1890 stets Vertreter der Protestpartei in den Reichstag wählten, und die Anhänger der Welfen, die die Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen ablehnten. Sehr bald wurde der Begriff auch auf die deutschen Juden ausgeweitet. Als angebliche Reichsfeinde wurden all diese Gruppen als undeutsch stigmatisiert: Ihnen wurde nationale Unzuverlässigkeit unterstellt; sie würden die Einheit der Nation unterminieren und sie dadurch schwächen. Damit war ein Großteil der Bevölkerung des Reiches aus der Staatsgemeinschaft ausgegrenzt, bei der Reichstagswahl 1881 erhielten die von Bismarck als „Reichsfeinde“ gebrandmarkten Parteien laut dem amerikanischen Historiker Otto Pflanze eine Zweidrittelmehrheit. Im Mittelpunkt standen dabei einerseits der politische Katholizismus mit der Zentrumspartei und andererseits die Arbeiterbewegung, die 1875 aus dem reformistischen Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) und der marxistischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) bildete. Den Katholiken wurde unterstellt, sie seien nicht in erster Linie dem neugegründeten Reich gegenüber loyal, sondern dem Papst (Ultramontanismus). mehr