Poultney Bigelow

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Poultney Bigelow als Yale-Absolvent 1879

Poultney Bigelow (* 10. September 1855 in New York City; † 28. Mai 1954 in Saugerties, New York) war ein amerikanischer Journalist mit engen Kontakten zu Deutschland.

Poultney war Sohn der „Gesellschaftsdame“ Jane Tunis Poultney (1829–1889)[1][2] und dem Politiker John Bigelow. Als US-Präsident Abraham Lincoln den Vater zum Botschafter in Paris ernannte, war der Sohn drei Jahre alt und lernte Französisch. 1870, mit 15 Jahren, ging er mit dem Vater nach Potsdam und dort in die Schule. In Potsdam lernte er zwei Brüder kennen, die später berühmt wurden: Prinz Heinrich, den späteren Großadmiral Heinrich von Preußen; und Prinz Wilhelm, den späteren Kaiser Wilhelm II. Die jungen Männer spielten, inspiriert von Bigelows Erzählungen aus seinen Abenteuerromanen, Indianer und Cowboys. Mit beiden unterhielt Bigelow eine jahrzehntelange Freundschaft. Zwischen ihm und dem deutschen Kaiser kam es 1896 wegen der Krüger-Depesche[3] und wegen Bigelows Buch über die deutsche Geschichte für einige Jahre zum Zerwürfnis. Den Kaiser besuchte er noch in dessen Exil nach dem Ersten Weltkrieg in den Niederlanden.

1873 begann Poultney Bigelow, in Yale Jura zu studieren. Mit einer Unterbrechung aus gesundheitlichen Gründen (er unternahm eine Schiffsreise nach Japan) machte er dort 1879 seinen Abschluss. Er praktizierte nur kurz als Rechtsanwalt und wandte sich ab 1880 dem Reisen und Schreiben zu. Sein journalistisches Œuvre war massiv. Bigelow verlegte seinen Lebensmittelpunkt nach London, wo er Korrespondent für mehrere amerikanische Zeitungen sowie die Londoner Times wurde. Er hatte mit vielen Persönlichkeiten seiner Zeit regen Briefkontakt, etwa mit dem Romanautor Mark Twain, dem Feministen Israel Zangwill und dem irischen Nationalisten Roger Casement.[4] Seine elf Bücher waren Analysen deutscher Reichspolitik, britischer und japanischer Kolonialpolitik; sie handelten von der Abgrenzung Chinas und der Dominanz des „Weißen Manns“ in Afrika; außerdem entstand eine zweibändige Autobiografie. Bigelow gründete 1885 die vermutlich erste amerikanische Zeitschrift für den Amateursport: Outing. 1892 erschien sein Buch „Paddles and Politics – Down the Danube“,[5] für das er die Donau von Quelle bis Mündung mit einem Paddelboot durchwanderte.[6]

Anfang des 20. Jahrhunderts publizierte Bigelow zunehmend Artikel provokanter Natur, denen häufig die Grundlage fehlte. So lieferte er sich 1906 einen Streit mit dem Umweltingenieur Rudolph Hering über die Kanalsysteme und Kläranlagen am Hudson River: Bigelow hielt das New Yorker System für „armselig“ im Verhältnis zu dem Berlins. Hering argumentierte mit wissenschaftlichen Fakten dagegen, für die Bigelow nicht zugänglich war, etwa dass sich die Spree nicht mit dem Hudson vergleichen ließe – schon allein wegen dessen enormen Wassermengen. 1907 zog er den Zorn des US-Präsidenten Theodor Roosevelt auf sich, weil er Details des Baus des Panamakanals kritisierte und Roosevelt und seinen Kriegsminister Taft persönlich angriff.[7] In den 1920er Jahren sympathisierte er kurz mit den aufsteigenden faschistischen Diktatoren Hitler und Mussolini, distanzierte sich jedoch bald, wegen deren aggressiver Machtpolitik. Seine 1925 erschienene Autobiografie „Seventy Summers“ [sinngemäß: Siebzig Sommer im Ausland] galt als amüsant zu lesen, war aber voller Tatsachenfälschungen.[8]

Mit 74 Jahren schrieb er: „Es ist die Hölle, so lang zu leben“. Er kam 98-jährig ins Glenn Dale-Sanatorium für Tuberkulose und starb im Krankenhaus von Saugerties (in der Nähe von Woodstock) im Bundesstaat New York. Die New York Times betitelte ihren Nachruf so: „Journalist, ältester Yale Alumnus, Autor und Weltreisender, ein lebenslanger Freund von Kaiser Wilhelm II., Ansichten, die Kontroversen auslösten.“[9]

Einzelnachweise

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  1. Jane „Biggy“ Bigelows Vorfahren stammten aus England. Sie war 21, als sie den 33-jährigen John Bigelow heiratete und entwickelte sich zur skandal-umwitterten Gesellschaftsdame. Sie provozierte den deutschen Kaiser, indem sie ihre Diener in die Loge der Oper setzte, sie schlug dem Prince of Wales auf den Hintern usw. Als 38-Jährige traf sie 1867 den damals weltberühmten Schriftsteller Charles Dickens, der sich von ihr so belästigt fühlte, dass er sich von ihr abschirmen ließ. Annie Fields, die Frau von Dickens Verleger James Fields, schrieb in ihrem Tagebuch, Dickens habe „große Sympathie für Männer, die unpassend geheiratet hatten. Seine besondere Sympathie galt John Bigelow, unserem ehemaligen Botschafter in Paris, der nun hier [in New York] ist, weil seine Frau ein solcher Albtraum ist.“ Dahinter steckte einerseits Dickens Verachtung für seine Ehefrau und die Vermutung, der US-Präsident habe John Bigelows natürlichen Aufstieg vom Botschafter in Paris zum Botschafter in London wegen dessen Frau verhindert. Siehe u. a. Matthew Pearl: Bleak House. Erschienen am 17. Mai 2009 in Slate
  2. Cambridge Scholars Publishing. The Life and Times of Mary, Dowager Duchess of Sutherland. Abgerufen am 23. Dezember 2018.
  3. Bigelow war Anhänger der britischen Kolonialpolitik und deswegen Gegner der Südafrikapolitik des deutschen Kaisers.
  4. Roger Casement, Poultney Bigelow: LETTERS FROM CASEMENT to Poultney Bigelow Telling of His Plans Against England; Prisoner to be Tried for Treason Outlined Them in This Country Two Years Ago, After War Began. Abgerufen am 23. Dezember 2018 (englisch): „[Der Erste Weltkrieg] ist das größte Verbrechen aller Zeiten. Ich mache dafür nicht den deutschen Kaiser verantwortlich, sondern vor allem England. [...] Ich bete Tag und Nacht Gott hilf Deutschland!“
  5. Poultney Bigelow: Paddles and politics down the Danube. Cassell & Co, London 1892 (loc.gov [abgerufen am 22. Dezember 2018]).
  6. Mr. Poultney Bigelow. Nachruf in der Londoner Times vom 29. Mai 1954, S. 8
  7. "TRUTHFUL CANAL RECORD."; "Poultney Bigelow Finds the Government Organ Sustains His Criticism. Abgerufen am 22. Dezember 2018 (englisch).
  8. Charles Willis Thompson: Poultney Bigelow Wields A Literary Shillalah; In His Recollections of Seventy Years He Lays Lustily About Him SEVENTY SUMMERS. By Poultney Bigelow. Vol. I, 332 pp. Vol. II, 290 pp. New York: Longmans, Green & Co. $10. Abgerufen am 23. Dezember 2018 (englisch, Das Werk wurde zum Bestseller. Der Rezensent nennt es eine „atemberaubende Autobiografie. [...] Wenn sich Mr. Bigelow allerdings nur im Geringsten um Genauigkeit gekümmert hätte, statt seine Feder in Gallenflüssigkeiten zu tauchen, wäre er der ideale Autobiograf geworden.“ Thompson enttarnt wesentliche Teile der Bücher als haarsträubend falsch und endet mit den Worten: „Die beiden Bände sind mehr als ihr Geld wert. [...] Vielleicht trägt es zu Bigelows Charme bei, dass er dermaßen falsch liegt und so gut seinen Hass verbreitet.“).
  9. Poultney Bigelow IS Dead at 98; I Journalist, Oldest Yale Alumnus J; Author and World Traveler, a Lifelong Friend of Kaiser Wilhelm II, Succumbs Upstate--Views Stirred Controversies. Abgerufen am 22. Dezember 2018 (englisch).