Ur- und Frühgeschichte

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Die Wortverbindungen Ur- und Frühgeschichte, Vor- und Frühgeschichte, Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie, Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie sowie Prähistorische Archäologie werden häufig synonym verwendet und bezeichnen eine archäologische Disziplin, die Urgeschichte und Frühgeschichte gleichermaßen umfasst und sich als ein Zweig der Geschichtswissenschaft versteht, der sich der Kultur­entwicklung des Menschen von ihren Anfängen an widmet, wobei materielle Hinterlassenschaften im Zentrum stehen.

Urgeschichte oder Vorgeschichte

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Die Vorgeschichte oder Prähistorik ist die Vor-, Ur- und Kulturgeschichte der Zeit, aus der es für die jeweils untersuchte Region noch keine schriftliche Aufzeichnungen gibt.[1] Die akademischen Forschungsstätten benutzen die Begriffe Urgeschichte und Vorgeschichte gleichrangig; an den Universitäten wird das Fach entweder als Prähistorische Archäologie, als Ur- und Frühgeschichte oder als Vor- und Frühgeschichte bezeichnet. Wie die Liste der Seminare und Institute zeigt, überwiegt dabei der Begriff Urgeschichte den Begriff Vorgeschichte im Verhältnis von etwa 2:1. Mit der Verwendung des Begriffs Urgeschichte wird betont, dass der untersuchte Zeitraum trotz Schriftlosigkeit als Teil der Geschichte gesehen wird.[2] Demgegenüber wird mit Vorgeschichte die untersuchte Epoche der geschriebenen Geschichte gegenübergestellt.

Erforschter Zeitrahmen

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Der älteste Abschnitt der Urgeschichte, die Altsteinzeit (Paläolithikum), wird in Altpaläolithikum, Mittelpaläolithikum und Jungpaläolithikum untergliedert. In Europa schließt sich an das Jungpaläolithikum nach der kurzen Übergangsphase der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) die Jungsteinzeit (Neolithikum) an. Es folgen regional begrenzt die Kupfer- und durchgehend die Bronzezeit, dann die vorrömische Eisenzeit (in Mitteleuropa: Hallstatt- und Latènezeit). Mit dem Einsetzen der ersten Schriftzeugnisse in Mitteleuropa im 1. Jahrtausend v. Chr. (im Orient ab dem 3. Jahrtausend v. Chr.), die ergänzend zu den archäologischen Quellen herangezogen werden, beginnt die Frühgeschichte, die in Mitteleuropa in Römische Kaiserzeit, Völkerwanderungszeit und frühes Mittelalter (Merowinger- und Karolingerzeit) untergliedert wird. Die Skandinavische Frühgeschichte unterteilt ihr Frühmittelalter in die Vendel- und Wikingerzeit. Die nachfolgenden europäischen Zeitabschnitte decken die Mittelalterarchäologie und die Neuzeitarchäologie ab.

Gegenstand der Forschung

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Die Ur- und Frühgeschichte zählt zu den Archäologien. Gegenstand der Erforschung sind daher im Gegensatz zur Geschichtswissenschaft nicht Schriftzeugnisse, sondern gegenständliche Quellen (Keramik, Metalle, Holz, Knochen, Glas, Steinartefakte usw.) in ihrem jeweiligen Zusammenhang (Kontext), wie zum Beispiel Bodendenkmale wie Wohnplätze, Siedlungen, Grabhügel, Burg­anlagen. Diese werden durch Ausgrabungen, Prospektionen und Zufallsfunde entdeckt, und mit Hilfe formenkundlich-typologischer, historischer und sozialgeschichtlicher sowie naturwissenschaftlicher (Dendrochronologie, Radiokarbonmethode und andere), statistischer sowie Geoinformationssystem-gestützter Analysemethoden untersucht.

Erkenntnispotenzial

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Ihr besonderes Erkenntnispotenzial im Konzert der historischen und kulturwissenschaftlichen Disziplinen liegt in zwei Eigenheiten:

  1. Die enorm große untersuchte Zeitspanne: von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit. Dies ermöglicht in besonderer Weise epochenübergreifende Vergleiche und die parallele Beobachtung langfristiger Trends und kurzfristiger Ereignisse (Was ist das Allgemeine, was ist das Besondere?).
  2. Diese Zeittiefe und die Weite der betreuten Räume ermöglichen die Beobachtungen ungemein vieler und unterschiedlicher menschlicher Kulturen.

Abgrenzung zu den anderen archäologischen Fächern

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Die Ur- und Frühgeschichte unterscheidet sich von den archäologischen Fächern wie

Einen Grenzfall stellt die Mittelalterarchäologie bzw. Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit dar, die stellenweise als eigenständige Disziplin existiert, stellenweise von Vertretern der Ur- und Frühgeschichte mitbehandelt wird. Als Frühgeschichte bezieht sie zu den archäologischen Methoden in wesentlich stärkerem Maße die Parallelüberlieferung schriftlicher und bildlicher Quellen mit ein.

Auch in der Keltologie, der Sinologie, der Kriminalistik und der Altamerikanistik werden zum Teil archäologische Methoden angewendet.

Nach einem abgeschlossenen Studium der Ur- und Frühgeschichte bilden vor allem die archäologische Denkmalpflege an den Landesdenkmalämtern sowie Museen, Universitäten und private Grabungsfirmen Tätigkeitsfelder für Prähistoriker. Daneben werden Archäologen auch als Fachjournalisten, bei Verlagen und in verschiedenen Bereichen im Kultursektor beschäftigt.[3]

Seminare und Institute

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In Deutschland gibt es gegenwärtig 24 Institute, Seminare oder Lehrstühle der Fachrichtung Ur- und Frühgeschichte. Davon tragen 15 in ihrem Namen den Begriff „Ur- und Frühgeschichte“, acht den Begriff „Vor- und Frühgeschichte“ bzw. „Vorgeschichte“ und eines den Begriff „Prähistorische Archäologie“:

2005 wurde der Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte des Historischen Instituts der Universität Greifswald aufgelöst. 2011 wurde auch der 1902 gegründete älteste Lehrstuhl dieses Faches, der Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, aufgelöst.

  • Seminar für Ur- und Frühgeschichte, Universität Basel (Departement Altertumswissenschaften und Orientalistik, Philosophisch-Historische Fakultät)
  • Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie, Universität Basel (Departement Umweltwissenschaften, Philosophisch-Naturwissenschaftliche Fakultät)
  • Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie der Römischen Provinzen, Universität Bern
  • Fachbereich Prähistorische Archäologie, Institut für Archäologie, Universität Zürich
Portal: Ur- und Frühgeschichte – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Ur- und Frühgeschichte

Zur Einführung

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Zur Geschichte des Faches

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  • Manfred K. H. Eggert: Die Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie 1950–2020. In: Saeculum. Band 70, Nummer 2, 2020, S. 235–258.
  • Focke-Museum (Hrsg.): Graben für Germanien: Archäologie unterm Hakenkreuz. Konrad Theiss-Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-8062-2673-7 (Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung im Focke-Museum Bremen vom 10. März bis 8. September 2013).
  • Barbara Sasse: Der Weg zu einer archäologischen Wissenschaft (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 69). 2 Teilbände, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2017/2018 (behandelt die Zeit bis zum Jahr 1850).
  • Heiko Steuer: Eine hervorragend nationale Wissenschaft: Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995. de Gruyter, Berlin / New York 2001, ISBN 3-11-017184-8.
  • Ingo Wiwjorra: Der Germanenmythos. Konstruktion einer Weltanschauung in der Altertumsforschung des 19. Jahrhunderts. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-19016-5. (Inhaltsverzeichnis; PDF; 94 kB)
  • Ingo Wiwjorra: Der völkische Germanenmythos als Konsequenz deutscher Altertumsforschung des 19. Jahrhunderts. In: Heidi Hein-Kircher, Hans Henning Hahn (Hrsg.): Politische Mythen im 19. und 20. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa. (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung 24). Herder-Institut, Marburg 2006, ISBN 3-87969-331-5, S. 157–166 (überarbeitete Fassung online).
Deutsch
Englisch
Französisch

Einzelnachweise

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  1. Heinz Otremba: Rudolf Virchow. Begründer der Zellularpathologie. Eine Dokumentation. Echter-Verlag, Würzburg 1991, S. 43.
  2. Zur Begriffsgeschichte: Jürgen Hoika: Archäologie, Vorgeschichte, Urgeschichte, Frühgeschichte, Geschichte: Ein Beitrag zu Begriffsgeschichte und Zeitgeist. In: Archäologische Informationen. 21, 1998, S. 51–86. Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte: Urgeschichte, Vorgeschichte und andere Archäologien. Eine Begriffsklärung. Website der DGUF 2011.
  3. Stefanie Samida, Manfred K. H Eggert: Archäologie als Beruf: Eine Befragung unter Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte. Archäologische Informationen 30/2, 2007 (2009), S. 39–52. (PDF; 725 kB)
  4. Rezension von Thomas Stöllner