Präsidentenwahl in der Republik China (Taiwan) 1996

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Die Präsidentenwahl in der Republik China 1996 fand am 23. März 1996 statt. Es handelte sich um die 9. Wahl eines Präsidenten und um die erste direkte Wahl eines Präsidenten und Vizepräsidenten in der Geschichte der Republik China. Der amtierende und erneut kandidierende Präsident Lee Teng-hui von der Kuomintang gewann die Wahl mit 54 % der abgegebenen Stimmen. Am selben Tag wurde auch die Nationalversammlung neu gewählt. Die Wahlen standen auch unter dem Eindruck massiver militärischer Drohgebärden der Volksrepublik China, die kurz vor der Wahl ballistische Raketentests in der Formosastraße durchführte (siehe Dritte Taiwanstraßenkrise).

Im Jahr 1947 hatte die letzte gesamtchinesische Wahl zur Nationalversammlung stattgefunden. Danach hatten im chinesischen Bürgerkrieg die Kommunisten auf dem chinesischen Festland die Macht übernommen und die nationalchinesische Regierung unter der Führung der Kuomintang war auf die Insel Taiwan geflüchtet. Die gewählte Nationalversammlung blieb weiterhin im Amt, da die Kuomintang den Alleinvertretungsanspruch für ganz China aufrechterhielt und den Standpunkt vertrat, die Nationalversammlung könne nur durch neue gesamtchinesische Wahlen ersetzt werden. Die Bewohner Taiwans konnten bei den angesetzten Wahlen der folgenden Jahrzehnte immer nur die Vertreter der Provinz Taiwan neu wählen. De facto bedeutete dies die Einparteienherrschaft der Kuomintang.

Der Alleinvertretungsanspruch für ganz China wurde jedoch mit dem zunehmenden internationalen Gewicht der Volksrepublik China immer unrealistischer. 1971 wurde die Volksrepublik China in die Vereinten Nationen und als ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen aufgenommen, die Republik China auf Taiwan verlor dagegen ihren ständigen Sitz und ihre Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Unter Deng Xiaoping begann ab den 1970er Jahren ein stetiger Wirtschaftsaufschwung in der Volksrepublik China unter marktwirtschaftlichen Vorzeichen.

Auch in der Republik China auf Taiwan, einem der „Tigerstaaten“, gab es einen rasanten Wirtschaftsaufschwung. Damit einher ging ab den 1980er Jahren unter dem Präsidenten Chiang Ching-kuo eine zunehmende Liberalisierung. 1987 wurde schließlich auch das seit dem Zweiten Weltkrieg geltende Kriegsrecht aufgehoben. 1986 wurde noch in der Illegalität die Demokratische Fortschrittspartei als erste Oppositionspartei gegründet. Nach dem Tod Chiang Ching-kuos im Jahr 1988 wurde der bisherige Vizepräsident Lee Teng-hui sein Nachfolger im Präsidentenamt. Dieser setzte die demokratischen Reformen fort. Im Jahr 1991 wurden die seit 1947 im Amt befindlichen Abgeordneten von Legislativ-Yuan und Nationalversammlung zur Aufgabe ihrer Mandate genötigt. Eine Verfassungsänderung trat in Kraft, die eine Direktwahl des Präsidenten und Vizepräsidenten (anstelle der bisherigen Wahl durch die Nationalversammlung) vorsah.

Wahlkampf und Kandidaten

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Die Kuomintang nominierte auf ihrem Parteikongress im August 1995 den amtierenden Präsidenten Lee Teng-hui als ihren Spitzenkandidaten. Dieser wählte sich den amtierenden Premierminister Lien Chan als Kandidaten für den Posten des Vizepräsidenten. In der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) gab es mehrere konkurrierende Aspiranten für die Kandidatur. Schließlich setzte sich Peng Ming-min als Spitzenkandidat durch, der sich Frank Hsieh als Kandidaten für das Vizepräsidentenamt auswählte.[1] Der ebenfalls der KMT angehörende ehemalige Gouverneur der Provinz Taiwan Lin Yang-kang unterlag bei den parteiinternen Vorwahlen zur Präsidentschaft und trat daraufhin als unabhängiger Kandidat zusammen mit dem früheren Premierminister Hau Pei-tsun als Vizepräsidentschafts-Kandidaten an. Beide wurden daraufhin wegen parteischädigendem Verhalten am 13. Dezember 1995 aus der KMT ausgeschlossen.[2] Die Xindang (CNP) erklärte ihre Unterstützung der beiden KMT-Abtrünningen und zog ihren eigenen Kandidaten Wang Chien-shien am 9. Dezember 1995 zurück.[3] Ein vierter Bewerber bei der Wahl war Chen Li-an, der ehemalige Präsident des Kontroll-Yuans, zusammen mit dem Vizepräsidenten-Kandidaten Wang Ching-feng, ebenfalls zwei KMT-Dissidenten.[4]

Ein wichtiger Streitpunkt im Wahlkampf war das Verhältnis zur Volksrepublik China. Peng (DPP) lehnte Handelsbeziehungen mit der Volksrepublik China ab, solange diese die Republik China nicht als gleichberechtigten Verhandlungspartner akzeptiere. Er lehnte allerdings auch eine explizierte Unabhängigkeitserklärung seitens Taiwans ab, da Taiwan de facto schon unabhängig sei. Vom 8. bis zum 15. März, also etwa 1 bis 2 Wochen vor dem Wahltermin, begann die Volksrepublik China mit ballistischen Raketentests in der Taiwanstraße. Die Raketen wurden von chinesischem Festland aus abgefeuert und gingen etwa 25 bis 30 Seemeilen vor den wichtigen taiwanischen Häfen Keelung und Kaohsiung auf offener See, aber schon innerhalb der von Taiwan beanspruchten Hoheitsgewässer nieder. In den beiden Häfen wurden mehr als die Hälfte des über See verschifften taiwanischen Außenhandels abgewickelt, der dadurch empfindlich behindert wurde. Auch der internationale Flugverkehr musste umgeleitet werden, um nicht in die Nähe des Raketentestgebiets zu gelangen. Die Raketentests wurden als unverhohlene Drohung gegenüber Taiwan und als ein Versuch der Volksrepublik China, die Wahlen in ihrem Sinne zu beeinflussen, verstanden. Die Krise wurde letztlich hauptsächlich dadurch entschärft, dass die Vereinigten Staaten unter Präsident Bill Clinton die beiden Flugzeugträger Nimitz aus dem Persischen Golf und Independence aus dem Pazifik zusammen mit einer Begleitflottille in Richtung Taiwan beorderten. Das Eingreifen der Vereinigten Staaten wurde von der KMT-geführten Regierung ebenso wie von der DPP-Opposition begrüßt, aber vom Präsidentschaftskandidaten Lin Yang-kang, der im Wahlkampf eine strikte Ein-China-Politik mit Öffnung zur Volksrepublik China vertrat, ebenso wie von regierungsoffiziellen Stellen der Volksrepublik China als ausländische Einmischung abgelehnt. Ein weiteres Wahlkampfthema war die Korruption. Die KMT-Regierung wurde von allen Oppositionsparteien der Korruption beschuldigt. Insbesondere das Duo Chen/Wang betonte die Notwendigkeit einer an moralischen Werten ausgerichteten, ehrlichen Regierung.

Die Wahl verlief im Wesentlichen ohne Zwischenfälle und ohne Unregelmäßigkeiten.

Landesweite Ergebnisse

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Grafische Darstellung des Wahlergebnisses
Kandidaten (Präsident und Vize) Partei Wahlbezirke Stimmen Prozent
Lee Teng-hui (李登輝),
Lien Chan (連戰)
Kuomintang 24 5.813.699 54,0 %
Peng Ming‑min (彭明敏),
Frank Hsieh (謝長廷)
DPP 0 2.274.586 21,1 %
Lin Yang-kang (林洋港),
Hau Pei-tsun (郝柏村)
Unabhängiger 1 1.603.790 14,9 %
Chen Li-an (陳履安),
Wang Ching-feng (王清峰)
Unabhängiger 0 1.074.044 10,0 %
Gesamt 25 10.766.119 100,0 %

Ergebnisse nach Wahlbezirken

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Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse in den 18 Landkreisen und sieben kreisfreien bzw. regierungsunmittelbaren Städten. Die Stimmen- und Prozentzahl des Gewinners ist jeweils rot markiert.

Wahlbezirk Chen • Wang Lee • Lien Peng • Hsieh Lin • Hau
Stimmen % Stimmen % Stimmen % Stimmen %
Taipeh Stadt 165.541 11,89 % 541.721 38,9 % 347.564 21,90 % 346.272 24,87 %
Landkreis Taipeh 186.937 11,37 % 793.718 48,28 % 370.728 22,55 % 292.541 17,79 %
Keelung Stadt 25.950 13,42 % 97.223 50,27 % 48.545 21,52 % 35.798 18,6 %
Landkreis Yilan 20.537 8,94 % 126.405 54,92 % 68.044 29,56 % 15.154 6,58 %
Landkreis Taoyuan 91.048 12,02 % 423.198 55,85 % 114.901 15,16 % 128.607 16,97 %
Landkreis Hsinchu 24.746 11,67 % 140.321 66,2 % 23.555 11,11 % 23.342 11,01 %
Hsinchu Stadt 22.603 12,93 % 93.812 53,65 % 46.234 22,40 % 30.155 17,25 %
Landkreis Miaoli 29.884 10,31 % 202.593 69,87 % 28.281 10,7 % 26.459 9,12 %
Landkreis Taichung 71.030 10,01 % 426.668 60,15 % 115.034 16,22 % 96.594 13,62 %
Taichung Stadt 46.844 11,11 % 195.865 46,45 % 82.416 19,55 % 96.509 22,89 %
Landkreis Changhua 62.138 9,7 % 407.820 63,63 % 116.154 18,12 % 54.776 8,55 %
Landkreis Nantou 14.552 5,31 % 86.357 31,52 % 45.556 16,63 % 127.537 46,55 %
Landkreis Yunlin 25.914 7,22 % 237.871 66,29 % 68.785 19,17 % 26.247 7,31 %
Landkreis Chiayi 17.515 6,37 % 180.709 65,7 % 63.101 22,94 % 13.716 4,99 %
Chiayi Stadt 12.761 9,9 % 60.628 47,04 % 42.984 33,35 % 12.515 9,71 %
Landkreis Tainan 41.263 7,48 % 347.825 63,05 % 134.969 24,47 % 27.590 5,0 %
Tainan Stadt 39.058 10,97 % 201.436 56,58 % 84.929 23,85 % 30.603 8,6 %
Kaohsiung Stadt 68.158 9,29 % 371.391 50,62 % 200.406 27,32 % 93.691 12,77 %
Landkreis Kaohsiung 47.790 7,64 % 374.386 59,88 % 151.943 24,3 % 51.139 8,18 %
Landkreis Pingtung 26.644 5,78 % 289.812 62,91 % 117.283 25,46 % 26.902 5,84 %
Landkreis Hualien 14.568 8,91 % 104.740 64,05 % 18.383 11,24 % 25.836 15,8 %
Landkreis Taitung 8.160 7,52 % 74.211 68,42 % 14.506 13,37 % 11.584 10,68 %
Landkreis Penghu 4.170 10,29 % 25.367 62,61 % 8.070 19,92 % 2.907 7,18 %
Kinmen 5.805 28,09 % 8.401 40,65 % 336 1,63 % 6.123 29,63 %
Matsu-Inseln 356 13,56 % 1.221 46,51 % 35 1,33 % 1.013 38,59 %

Der Versuch der Volksrepublik China, die Wahlentscheidung in ihrem Sinne, d. h. gegen Präsident Lee und gegen den DPP-Kandidaten Peng, zu beeinflussen, verlief letztlich kontraproduktiv. Wahlanalysten vermuteten, dass Präsident Lee durch den „Staatsterrorismus“ der Volksrepublik China etwa 5 % an Stimmen zulegen konnte, so dass er sogar die absolute Stimmenmehrheit erreichte. Die älteste und größte Oppositionspartei, die DPP, wurde zwar zweitstärkste Kraft, blieb jedoch weit abgeschlagen hinter der KMT zurück und konnte in keinem der Wahlbezirke auch nur die relative Stimmenmehrheit gewinnen.

Literatur und Quellen

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Einzelnachweise

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  1. Professor Peng is DPP is candidate for Presidency. In: Taiwan Communiqué. Nr. 68, Oktober 1995, ISSN 1027-3999, S. 15–16 (englisch, pdf).
  2. 1995-- THE YEAR THAT WAS-- 1995. Taiwan Today, 6. Januar 1996, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. November 2016; abgerufen am 22. November 2016 (englisch).
  3. Presidential Elections coming up. Taiwan Communiqué No. 69, Januar 1996, abgerufen am 22. November 2016 (englisch).
  4. Susan Yu: In bid for presidency, Control Yuan chief quits KMT. Taiwan Journal舊資料, 25. August 1995, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. November 2016; abgerufen am 22. November 2016 (englisch).