Preinreich-Lücke-Theorem
Das Preinreich-Lücke-Theorem besagt, dass der Kapitalwert der Gewinne (Vermögensveränderung + (Erträge - Aufwendungen)) dem Kapitalwert der Zahlungsüberschüsse (Einzahlungen - Auszahlungen) entspricht.[1] Dies gilt nur, wenn die Unterschiede auf unterschiedlicher Periodisierung der Auszahlungen bzw. Einzahlungen gegenüber den Kosten und Leistungen beruhen. Das Theorem wurde von Wolfgang Lücke 1955[2] als Alternative zur Cash-Flow-basierten Investitionsrechnung vorgeschlagen und hielt damit Einzug in die deutsche Wirtschaftswissenschaft. Im US-amerikanischen Raum hingegen wurde diese Übereinstimmung bereits früher, nämlich 1937 von Gabriel Preinreich beschrieben.[3][4]
Annahmen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Damit der aus den Einnahmen und Ausgaben eines Projekts berechnete Kapitalwert mit dem aus Ertrags- und Aufwandsgrößen ermittelten Kapitalwert übereinstimmt und damit zur gleichen optimalen Investitionsentscheidung führen kann, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
Erstens muss die Summe der Zahlungsüberschüsse aller Perioden gleich der Summe aller Periodengewinne sein:
- Periodengewinn zum Zeitpunkt
- Einzahlungsüberschuss zum Zeitpunkt
- Einzahlungen zum Zeitpunkt
- Auszahlungen zum Zeitpunkt
- Laufzeit
- jeweilige Periode
Dies entspricht dem Kongruenzprinzip der Schmalenbach’schen dynamischen Bilanzierung, welches besagt, dass die Summe der Abschnittserfolge deckungsgleich mit dem Totalerfolg sein muss.
Zweitens muss der als Differenz zwischen Erträgen und Aufwendungen ermittelte Periodengewinn um kalkulatorische Zinsen der Kapitalbindung der Vorperiode korrigiert werden:
mit
- Kapitalbestand zum Zeitpunkt
- Kapitalbestand der Vorperiode
- jeweilige Periode, die bis zum Zeitpunkt abgelaufen ist.
Beweis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kapitalbindung, also die Differenz der bis zum Zeitpunkt kumulierten Gewinne und der kumulierten Zahlungsüberschüsse, wird zu Beginn jeder Periode wie folgt ermittelt:
- Kapitalkostensatz
Wenn beide o. g. Prämissen erfüllt sind, ergibt sich für den Kapitalwert zum Entscheidungszeitpunkt folgende Gleichung:
- Residualgewinn zum Zeitpunkt
Beispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für folgende Beispiele wird als Zinssatz 10 % angenommen.
Jahr | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
---|---|---|---|---|---|---|
Investitionsauszahlung | -1000 | |||||
Einzahlungen | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 | |
Auszahlungen | 600 | 600 | 600 | 600 | 600 | |
Cash-Flow | -1000 | 400 | 400 | 400 | 400 | 400 |
Abzinsfaktoren | 0,909 | 0,826 | 0,751 | 0,683 | 0,621 | |
Barwert | 364 | 331 | 301 | 273 | 248 | |
Kapitalwert | 516 |
Jahr | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
Erlöse | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 | |
Kosten | 600 | 600 | 600 | 600 | 600 | |
Abschreibungen | 200 | 200 | 200 | 200 | 200 | |
Operatives Ergebnis (vor kalk. Zinsen) | 200 | 200 | 200 | 200 | 200 | |
kalk. Zinsen (auf Basis Vermögen) | 100 | 80 | 60 | 40 | 20 | |
Residuales Ergebnis (BE nach kalk. Zinsen) | 100 | 120 | 140 | 160 | 180 | |
Abzinsfaktoren | 0,909 | 0,826 | 0,751 | 0,683 | 0,621 | |
Barwert | 91 | 99 | 105 | 109 | 112 | |
Kapitalwert | 516 |
Tabelle 3: Kapitalwertberechnung auf Basis von Kosten nach dem Preinreich-Lücke-Theorem mit modifizierter Abschreibungsmethode
Jahr | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
Erlöse | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 | 1000 | |
Kosten | 600 | 600 | 600 | 600 | 600 | |
Abschreibungen | 400 | 275 | 175 | 100 | 50 | |
Operatives Ergebnis | 0 | 125 | 225 | 300 | 350 | |
kalk. Zinsen | 100 | 60 | 32,5 | 15 | 5 | |
Residuales Ergebnis | -100 | 65 | 192,5 | 285 | 345 | |
Abzinsfaktoren | 0,909 | 0,826 | 0,751 | 0,683 | 0,621 | |
Barwert | -91 | 54 | 145 | 195 | 214 | |
Kapitalwert | 516 |
Aus Tabelle 3 wird deutlich, dass unter den Bedingungen des Preinreich-Lücke-Theorems, bei einer periodenerfolgbasierten Kapitalwertrechnung eine Änderung der Abschreibungsmethode keinen Einfluss auf die Kapitalwertberechnung hat. Die verwendete Tabellenform ist die Basis für die Methode des vollständigen Finanzplans, welche eine einfache Nachvollziehung des Lücke-Theorems erlaubt.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Wolfgang Lücke: Investitionsrechnung auf der Basis von Ausgaben oder Kosten?. In: Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung/N.F., Jg. 7 (1955), S. 310–324, ISSN 1619-6147.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Lutz Kruschwitz: Investitionsrechnung. 11. Aufl. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2007, S. 197ff., ISBN 978-3-486-58306-9.
- ↑ Wolfgang Lücke: Investitionsrechnung auf der Basis von Ausgaben oder Kosten? In: Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung/N.F., Jg. 7 (1955), S. 310–324, ISSN 1619-6147.
- ↑ Gabriel Preinreich: Valuation and Amortization. In: The Accounting Review, Bd. 12 (1937), Heft 3, S. 209–226, ISSN 0001-4826.
- ↑ Josef Kloock: Mehrperiodige Investitionsrechnungen auf der Basis Kalkulatorischer und Handelsrechtlicher Erfolgsrechnungen. In: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Bd. 34 (1981), S. 873–890, ISSN 0341-2687.