Raser
Als Raser werden Verkehrsteilnehmer bezeichnet, die mutwillig im Straßenverkehr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fahren. Der Begriff ist dabei allgemein nicht scharf umrissen; lediglich in der Schweiz gibt es eine Legaldefinition (siehe #Schweiz).
Meist birgt die Verwendung des Begriffs eine Missfallensäußerung, bedingt durch die einhergehende starke Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Überhöhte Geschwindigkeit gilt als eine der Hauptunfallursachen. Es gilt als erwiesen, dass schärfere Sanktionen die Zahl der Schwerverletzten im Straßenverkehr reduzieren kann.[1]
Überwachung und rechtliche Bewertung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Deutschland müssen Raser mit Geld- oder Freiheitsstrafen und Punkten in Flensburg rechnen. Bei einem tödlichen Unfall ist eine Verurteilung wegen Mordes mit lebenslanger Freiheitsstrafe möglich.
Im Sommer 2017 wurden die Sanktionen für die Teilnahme an illegalen Autorennen erhöht. Bis dahin handelte es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die lediglich mit 400 Euro Geldbuße und einem Monat Fahrverbot bedroht war. Seit der Verschärfung handelt es sich bei der Teilnahme an illegalen Autorennen um eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, bei konkreter Gefährdung bis zu fünf Jahren, oder mit Geldstrafe bestraft wird. Wird durch die Tat der Tod oder eine Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen verursacht, werden ein bis zehn Jahre, in minder schweren Fällen sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe verhängt (Verbotenes Kraftfahrzeugrennen § 315d StGB; anders als die Überschrift nahelegt, gilt der Tatbestand auch für Alleinrennen ohne Gegner).[2] Das Kraftfahrzeug eines Rasers kann eingezogen (§ 315f StGB) und die Fahrerlaubnis entzogen (§§ 69ff. StGB) werden.
Im Februar 2017 wurden erstmals zwei Raser wegen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, die sich auf dem Kurfürstendamm und der Tauentzienstraße in Berlin ein illegales Autorennen geliefert hatten, wobei ein 69-jähriger Mann getötet wurde.[3] Der Bundesgerichtshof hob das Urteil am 1. März 2018 auf, weil der bedingte Tötungsvorsatz nicht ausreichend bewiesen sei, und verwies den Fall an das Berliner Landgericht zurück.[4] Dieses behielt das Strafmaß in seinem Urteil vom 26. März 2019 bei.[5] Am gleichen Tag erklärte der Anwalt der Verurteilten, er habe bereits Revision eingelegt.[6] Am 18. Juni 2020 bestätigte der Bundesgerichtshof das Mordurteil gegen den unmittelbar am Unfall beteiligten Raser, welches somit Rechtskraft erlangte, hob das Urteil gegen den anderen Fahrer allerdings erneut auf.[7] Dieser wurde im März 2021 wegen versuchten Mordes zu einer Haftstrafe von 13 Jahren verurteilt.[8] Seine Revision dagegen wurde am 19. Januar 2022 vom Bundesgerichtshof abgewiesen.[9] Die Verfassungsbeschwerde des am Unfall beteiligten Rasers wurde am 7. Dezember 2022 nicht zur Entscheidung angenommen.[10]
In einem vergleichbaren Fall in Köln-Deutz waren die beiden Täter 2016 zunächst zu Freiheitsstrafen verurteilt worden, welche zur Bewährung ausgesetzt wurden.[11] Diese Urteile wurden vom Bundesgerichtshof aufgehoben und der Fall ans Landgericht Köln zurückverwiesen. Im März 2018 wurden die beiden Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt.[12][13] Die dagegen gerichtete Revision eines der beiden Angeklagten wurde am 4. Dezember 2018 abgewiesen; damit sind beide Täter rechtskräftig verurteilt.[14]
Das Landgericht Hamburg verurteilte 2018 einen Taxidieb, der mit dem gestohlenen Fahrzeug vor der Polizei flüchten wollte und dabei mit massiv überhöhter Geschwindigkeit einen tödlichen Unfall verursachte, wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.[15] Im März 2019 bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil.[16]
Um die Zahl der Raser zu bekämpfen, führt die Polizei seit 2012 regelmäßig bundeslandweite und landesweite Blitzmarathons durch.[17]
Schweiz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit dem 1. Januar 2013 gelten in der Schweiz strenge Bestimmungen für Geschwindigkeitsübertretungen.[18] Im Zusammenhang mit einem als „Via Sicura“ (Sichere Straße) bekannt gewordenen Gesetzespaket wurde der Begriff des „Rasers“ juristisch definiert und die Strafandrohung massiv erhöht (Artikel 90 Absatz 3 und 4 Strassenverkehrsgesetz).
Als Raser gilt nun,
- wer durch eine Tempo-30-Zone mit 70 Kilometern pro Stunde fährt,
- wer innerorts bei erlaubten 50 km/h mit 100 km/h unterwegs ist,
- wer außerorts bei erlaubten 80 km/h mit 140 km/h unterwegs ist und
- wer auf Autobahnen bei erlaubten 120 km/h mindestens 200 km/h fährt.
Rasern wird der Fahrausweis zunächst für zwei Jahre entzogen, im Wiederholungsfall dauerhaft. Bei groben Verfehlungen kann das Fahrzeug eingezogen werden. Für Verkehrsdelikte im Zusammenhang mit Rasen gilt eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe, die Höchststrafe liegt bei vier Jahren. Versicherer sind verpflichtet, bei entsprechend schweren Widerhandlungen gegen die Straßenverkehrsordnung Rückgriff zu nehmen, wodurch neben den strafrechtlichen Kosten auch hohe Schadenersatzforderungen auf den Verursacher zukommen können.
Im Falle eines Deutschen, der sich eines Raserdelikts in der Schweiz schuldig gemacht hatte und dafür in Abwesenheit zu 30 Monaten Freiheitsstrafe, davon ein Jahr unbedingt, verurteilt worden war, entschied das Oberlandesgericht Stuttgart in einem Exequaturverfahren, dass die Strafe auch in Deutschland vollstreckt werden kann, obwohl Rasen zum Tatzeitpunkt in Deutschland nur eine Ordnungswidrigkeit und nicht eine Straftat darstellte.[19][20] Das Urteil sei zwar hart, aber nicht unerträglich, so das Gericht. Im Oktober 2018 trat der Raser seine Strafe an.[21]
Die Änderung von Artikel 90 des Straßenverkehrsgesetzes – die Definition von Raserdelikten und ihre Bestrafung – wurde von Rechtswissenschaftlern ausnahmslos verurteilt, da das Via-Sicura-Maßnahmenpaket zunächst ohne strafrechtliche Elemente entwickelt wurde, aber unter dem Druck der Volksinitiative Schutz vor Rasern mit solchen angereichert wurde. Ebenso heble Art. 90 ein grundlegendes strafrechtliches Prinzip – nämlich die Bestrafung des Täters nicht ausschließlich nach Tat, sondern auch nach Verschulden – aus. Wichtige, für Gerichte bedeutende Bewertungsfaktoren – wie Risikobereitschaft und Vorsatz – werden von Art. 90 ausgeblendet. Die damals neu definierten Raserdelikte kriminalisieren einerseits Autofahrer ohne echte kriminelle Energie, auf der anderen Seite sei für tatsächlich rücksichtslose Raser der Strafrahmen immer noch zu klein, meinten Kritiker.[22]
Österreich
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Österreich drohen Rasern Strafmandate, Anzeigen und Führerscheinentzug. Zum 1. September 2009 sind einheitliche Strafhöhen für Geschwindigkeitsüberschreitungen eingeführt worden.[23] Die Höhe des Strafmandats beträgt bei Überschreitungen von bis zu 20 km/h 30 Euro, über 20 bis 30 km/h 50 Euro und bei über 30 bis 40 km/h 70 Euro. Kommt es zudem zu einer Anzeige, kann es zu Strafzahlungen von bis zu 726 Euro (bei Geschwindigkeitsüberschreitungen bis zu 30 km/h) bzw. von bis zu 2.180 Euro (bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 30 km/h) kommen. Außerdem wird je nach Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung der Führerschein für eine gewisse Zeit entzogen (zwei Wochen bis sechs Monate beim ersten einschlägigen Delikt).[24]
Das Auto als Waffe (Sonderausstellung)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Sonderausstellung „Wahnsinn – Illegale Autorennen“ beleuchtete vom 26. Mai 2023 bis zum 20. Mai 2024 im Verkehrszentrum des Deutschen Museums den tödlichen Temporausch.[25]
Persönlichkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Sprecher der Kölner Polizei bezeichnete im Zusammenhang den „typischen Raser“ bei illegalen Straßenrennen als eine Person im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, männlich und mit Migrationshintergrund. Häufig wohnt er noch bei seinen Eltern und hat nur ein geringes Einkommen. Fehlenden beruflichen Erfolg versucht er mit Anerkennung für sein Auto auszugleichen. „Das Gaspedal dient als Ventil, um Druck abzulassen.“ „Raser haben die Illusion, die Situation zu beherrschen, und blenden die Risiken aus.“[26]
Rasen als Touristenattraktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die bayrische Autobahn 95 bei Garmisch genießt weltweit einen Ruf als öffentliche Rennstrecke ohne gesetzliche Beschränkungen. Internationale Reiseagenturen bieten Pakete mit PS-starken Boliden, Instrukteur und Sicherheitseinweisung. Die Agenturen werben dafür mit dem Nervenkitzel unbegrenzten Rasens.[27]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausland, auf geschwindigkeitsueberschreitung.net
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Ohne konsequente Sanktionen kein Rückgang der Verkehrstoten. Abgerufen am 23. April 2024.
- ↑ Illegale Straßenrennen: Härtere Strafen für Raser: Längere Haft und Auto einkassieren. In: Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag, vom 29. Juni 2017. Abgerufen am 30. August 2017.
- ↑ Prozess in Berlin: Ein Toter nach illegalem Autorennen – Raser wegen Mordes verurteilt. In: Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag, vom 27. Februar 2017. Abgerufen am 30. August 2017.
- ↑ BGH: Berliner Raser sind keine Mörder. Legal Tribune Online, 1. März 2018, abgerufen am 1. März 2018.
- ↑ Es war Mord. Kudamm-Raser erneut zu lebenslanger Haft verurteilt. Berliner Zeitung, 26. März 2019, abgerufen am 26. März 2019.
- ↑ Raser-Anwalt legt Revision gegen Mordurteil ein
- ↑ Bundesgerichtshof erklärt Urteil als rechtskräftig
- ↑ Urteil wegen versuchtem Mord
- ↑ Urteil gegen Ku’damm-Raser wegen versuchten Mordes ist rechtskräftig ( vom 26. Dezember 2022 im Internet Archive)
- ↑ Pressemitteilung: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-109.html
Beschluss: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/12/rk20221207_2bvr140420.html
Abgerufen am 16. Dez. 2022 - ↑ Raser-Prozess wegen befangenem Schöffen geplatzt. Spiegel online, 12. Dezember 2017, abgerufen am 12. Januar 2018.
- ↑ Urteil Raser vom Kölner Auenweg müssen doch ins Gefängnis, Kölner Stadt-Anzeiger, 22. März 2018
- ↑ Landgericht urteilt neu : Kölner Raser müssen doch ins Gefängnis, FAZ, 22. März 2018
- ↑ https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/bgh-verurteilungen-der-koelner-raser-rechtskraeftig
- ↑ Taxidieb zu lebenslanger Haft verurteilt
- ↑ Bundesgerichtshof bestätigt erstmals Mordurteil gegen Raser
- ↑ Marcel Leubecher: Deutschland vor der größten Temposünder-Jagd. In: Die Welt vom 9. Oktober 2013. Abgerufen am 30. August 2017.
- ↑ Verkehrssicherheit: Ein strengeres Regime gegen Raser. In: Neue Zürcher Zeitung, vom 14. November 2012. Abgerufen am 30. August 2017.
- ↑ Gotthard-Raser muss Strafe in Deutschland absitzen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. April 2018, abgerufen am 7. Juli 2018.
- ↑ Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 25. April 2018
- ↑ https://www.adac.de/der-adac/rechtsberatung/bussgeld-punkte/ausland/schweizer-freiheitsstrafe/
- ↑ Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 14. Juli 2015 (460 15 55). Kantonsgericht des Kantons Basel-Landschaft, 14. Juli 2015, abgerufen am 24. September 2024 (Abschnitt 3.1.2, verwiesen wird auf den Basler Kommentar zum Straßenverkehrsgesetz (Gerhard Fiolka, 2014) und zum Kommentar zum Straßenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz (Philippe Weissenberger, 2. Auflage 2015)).
- ↑ Einheitliche Strafen für „Raser“ in Österreich, auf auto.de, vom 10. August 2009. Abgerufen am 1. September 2017.
- ↑ Raser, Radar: Wie viel Strafe man zahlen muss, auf meinbezirk.at, vom 6. Juni 2016. Abgerufen am 1. September 2017.
- ↑ Das Auto als Waffe. 25. Mai 2023, abgerufen am 13. August 2023 (deutsch).
- ↑ Wenn das Gaspedal zum Ventil wird. ( des vom 14. Oktober 2019 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Stuttgarter Zeitung vom 11. Oktober 2019. Abgerufen am 14. Oktober 2019.
- ↑ l Limitless Performance Sportscar Rental in Berlin. (Beispielhaftes Angebot). Abgerufen am 12. August 2023 (englisch).