Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik
Der Ministerrat der DDR war ab November 1950 die Regierung der DDR. Dieser war laut Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik das höchste exekutive Organ des Staates und wurde ausschließlich aus der SED und den mit ihr im „Demokratischen Block“ vereinten Parteien gebildet. 1950 bestand der Rat aus 18 Mitgliedern, 1989 gehörten ihm 39 Mitglieder an.
Aufbau
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Ministerrat war im Machtgefüge der DDR nur eine nachrangige Instanz zum Absegnen von Beschlüssen und Gesetzentwürfen der SED-Führung. Zum einen verfügte die DDR-Regierung wie auch die Regierung der Bundesrepublik in den Anfangsjahren nur über eine eingeschränkte Souveränität. Besonders bezüglich der Außenbeziehungsfragen waren die Entscheidungsmöglichkeiten sehr eingegrenzt und die Regierung der DDR unterstand direkt der Sowjetischen Kontrollkommission.
Das eigentliche Machtzentrum in der DDR war das Politbüro des ZK der SED mit seinen Sekretariaten.[1] Es kontrollierte Partei und Regierung. Welche Rolle ihm zukam, verdeutlicht ein Beschluss des Sekretariats des Politbüros vom 17. Oktober 1949:
„Gesetze und Verordnungen von Bedeutung, Materialien sonstiger Art, über die Regierungsbeschlüsse herbeigeführt werden sollen, weiterhin Vorschläge zum Erlaß von Gesetzen und Verordnungen müssen vor ihrer Verabschiedung durch die Volkskammer und die Regierung dem Politbüro bzw. Sekretariat des Politbüros zur Beschlußfassung übermittelt werden.“[2]
Zudem wurden im Juni 1950 im Zentralkomitee der SED Abteilungen gebildet, die den Ressorts der Ministerien entsprachen. Diese Fachabteilungen im Zentralkomitee der SED waren die eigentlichen Entscheidungszentren.[3] Der Ministerrat wurde von einem Vorsitzenden (bis 1958 Ministerpräsident) geleitet. Es gab zwei 1. Stellvertretende Vorsitzende und neun weitere Stellvertretende Vorsitzende. Zusammen mit einigen Fachministern bildeten sie das Präsidium des Ministerrats. Das Präsidium bereitete sämtliche Entscheidungen in Absprache mit den zuständigen Abteilungen des Zentralkomitees (ZK) der SED und dem SED-Politbüro vor. Die Sekretäre und Abteilungsleiter im ZK der SED konnten den Ministern Anweisungen erteilen.
Langjährige erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates waren Alfred Neumann (1968–1989) und Werner Krolikowski (1976–1988), beide Mitglieder des Politbüros des ZK der SED. Alfred Neumann war schon zuvor unter Ulbricht Vorsitzender des Volkswirtschaftsrates. Weitere Stellvertretende Vorsitzende des Ministerrates waren jeweils führende Vertreter der vier Blockparteien.
Dem Ministerrat gehörten ebenfalls der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission, der Präsident der Staatsbank der DDR und etliche Staatssekretäre, die meist selbst Leiter von Ämtern beim Ministerrat waren, an. Alle Mitglieder des Ministerrates – also auch die Minister – wurden von der Volkskammer für jeweils fünf Jahre gewählt. Das Präsidium war das Arbeitsorgan zwischen den wöchentlichen Sitzungen des Ministerrates. Diese fanden regelmäßig mittwochs zur Durchführung der Beschlüsse der Politbürositzung beim ZK der SED vom Dienstag statt. Im zentralistischen Staatsaufbau der DDR waren dem Ministerrat als weitere Verwaltungsebenen die Räte der Bezirke und die Räte der Stadt- und Landkreise nachgeordnet.
Vom Büro des Ministerrates wurde auch das Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik herausgegeben. Seit 1983 wurde beim Ministerrat der elektronische „Zentrale Kaderdatenspeicher“ (ZKDS) der DDR geführt. Außerdem bestand beim Ministerrat das Presseamt, das regierungsamtliche Verkündungen erließ und für die Akkreditierung der ausländischen Journalisten in der DDR zuständig war. Sein langjähriger Leiter war Kurt Blecha.
Dienstsitz des Ministerrats war von 1950 bis 1953 der frühere Preußische Landtag, ab 1961 das frühere Alte Stadthaus in Berlin-Mitte in der Klosterstraße 47. Die Ministerien hatten eigene Gebäude in Berlin. Im Haus der Ministerien in der Leipziger Straße nahe der Berliner Mauer waren die Fachministerien der Wirtschaftszweige zusammengefasst.
Ministerpräsidenten bzw. Vorsitzende des Ministerrates
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ministerpräsidenten (bis 1958) bzw. Vorsitzenden des Ministerrates (ab 1958) waren:
Nr. | Name (Lebensdaten) | Bild | Amtsantritt | Ende der Amtszeit | Partei |
---|---|---|---|---|---|
1 | Otto Grotewohl (1894–1964) | 7. Oktober 1949 | 21. September 1964
Grotewohl gab November 1960 aufgrund schwerer Erkrankung die Regierungsgeschäfte ab |
SED | |
2 | Willi Stoph (1914–1999) | 24. September 1964
seit November 1960 amtierender Vorsitzender |
3. Oktober 1973 | SED | |
3 | Horst Sindermann (1915–1990) | 3. Oktober 1973 | 1. November 1976 | SED | |
4 | Willi Stoph (1914–1999) | 1. November 1976 | 7. November 1989 | SED | |
5 | Hans Modrow (1928–2023) | 13. November 1989 | 11. April 1990 | SED/PDS | |
6 | Lothar de Maizière (* 1940) | 12. April 1990 | 2. Oktober 1990 | CDU |
Der Vorsitzender des Ministerrates wurde durch eine eigene Behörde unterstützt. Dies war zuerst die Regierungskanzlei, welche ab 26. November 1954 von dem Büro des Präsidiums des Ministerrats abgelöst wurde. Diese wurde wiederum 1962 in Büro des Ministerrates und 1974 in Sekretariat des Ministerrates umbenannt. Leiter waren:
- Rudi Geyer (1954–1956)[4]
- Anton Plenikowski (1956–1963)
- Rudolf Rost (1963–1975)
- Kurt Kleinert (1974–1989)
- Harry Möbis (1989–1990)
- Klaus Reichenbach (1990) (Minister im Amt des Ministerpräsidenten)
Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Erste Stellvertreter des Vorsitzenden (alle SED):
- Walter Ulbricht (1955–1960)
- Willi Stoph (1962–1964)
- Alfred Neumann (1968–1989)
- Horst Sindermann (1971–1973)
- Günter Mittag (1973–1976)
- Werner Krolikowski (1976–1988)
- Günther Kleiber (1988–1989)
- Stellvertreter des Vorsitzenden:
- Alexander Abusch (SED, 1961–1971)
- Erich Apel (SED, 1963–1965)
- Julius Balkow (SED, 1965–1967)
- Lothar Bolz (NDPD, 1950–1967)
- Kurt Fichtner (SED, 1967–1974)
- Manfred Flegel (NDPD, 1967–1989)
- Hans-Joachim Heusinger (LDPD, 1972–1989)
- Hermann Kastner (LDPD, 1949–1950)
- Günther Kleiber (SED, 1971–1988)
- Bruno Leuschner (SED, 1955–1965)
- Hans Loch (LDPD, 1950–1960)
- Alfred Neumann (SED, 1965–1968)
- Otto Nuschke (CDU, 1949–1957)
- Fred Oelßner (SED, 1955–1958)
- Heinrich Rau (SED, 1950–1961)
- Wolfgang Rauchfuß (SED, 1965–1989)
- Hans Reichelt (DBD, 1972–1989)
- Paul Scholz (DBD, 1952–1967)
- Gerhard Schürer (SED, 1967–1989)
- Rudolph Schulze (CDU, 1971–1989)
- Max Sefrin (CDU, 1958–1971)
- Fritz Selbmann (SED, 1956–1958)
- Horst Sölle (SED, 1986–1989)
- Willi Stoph (SED, 1954–1962)
- Max Suhrbier (LDPD, 1960–1965)
- Werner Titel (DBD, 1967–1971)
- Walter Ulbricht (SED, 1949–1955)
- Gerhard Weiss (SED, 1965–1986)
- Herbert Weiz (SED, 1967–1989)
- Margarete Wittkowski (SED, 1961–1967)
- Kurt Wünsche (LDPD, 1965–1972)
Ministerien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ministerien und Minister waren:
Ministerien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ministerien der bewaffneten Organe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Industrieministerien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben den in jeder Regierung üblichen Ressorts war der Ministerrat geprägt durch eine Vielzahl von Industrieministerien, die ab 1950 eingerichtet wurden. Die Staatliche Plankommission war ein zentrales Organ des Ministerrats („Planträger 1. Stufe“), um die Arbeit der einzelnen Industrieministerien („Planträger 2. Stufe“) zu koordinieren. 1958[10] wurden die Industrieministerien aufgelöst und 1961[10] im neu gegründeten Volkswirtschaftsrat (VWR) zusammengeführt. Vorsitzender des VWR war Alfred Neumann (SED). Diese Organisationsänderungen geschahen im Zuge der Einführung des Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung (NÖSPL). Der VWR wurde 1965 wieder abgeschafft und es wurden erneut einzelne Industrieministerien eingerichtet. Diese unterstanden wie zuvor der Staatlichen Plankommission.
1972 wurde das Ministerium für Glas- und Keramikindustrie aus Teilen der Glas- und feinkeramische Industrie diverser anderer Ministerien neu gebildet. Die nächste größere Änderung geschah 1973, als das Ministerium für Verarbeitungsmaschinen- und Fahrzeugbau in zwei Ministerien aufgeteilt wurde, das Ministerium für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau und das Ministerium für Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbau.
1989 erfolgte eine weitreichende Umstrukturierung der Industrieministerien: Die Ministerien für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie und Glas- und Keramikindustrie wurden aufgelöst, die Geschäftsbereiche gingen zum 1. Januar 1990 zum Ministerium für Leichtindustrie. Die Ministerien für Maschinen- und Fahrzeugbau, Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbau, Schwermaschinen- und Anlagenbau sowie Elektrotechnik und Elektronik gingen in ein neugebildetes Ministerium für Maschinenbau über. Minister wurde Karl Grünheid (SED), zuvor langjähriger Minister für Glas- und Keramikindustrie. Ebenfalls neugebildet wurde ein Ministerium für Schwerindustrie, welches aus Ministerien für Geologie, Erzbergbau, Metallurgie und Kali, Chemische Industrie sowie Kohle und Energie gebildet wurde. Minister wurde Kurt Singhuber (SED), zuvor langjähriger Minister für Erzbergbau, Metallurgie und Kali. Das Ministerium für Materialwirtschaft wurde hingegen in die Staatliche Plankommission eingegliedert.
In der Regierung de Maizière wurden die drei verbliebenen Industrieministerien Leichtindustrie, Schwerindustrie und Maschinenbau sowie das Wirtschaftskomitee für die Durchführung einer Wirtschaftsreform, Nachfolger der Staatlichen Plankommission, in das erst 1989 gegründete Ministerium für Wirtschaft eingegliedert.
Den Ministerien gleichgestellte Kommissionen und Ämter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Andere Regierungsstellen des Ministerrates
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Außerdem waren dem Ministerrat direkt unterstellt selbstständige Staatssekretariate und Zentral-Ämter, unter anderem
- das Staatssekretariat für Arbeit und Löhne: Hellmuth Geyer ab 1965
- das Staatssekretariat für Kirchenfragen: Werner Eggerath, Hans Seigewasser, Klaus Gysi, Kurt Löffler
- das Staatliche Komitee für Körperkultur und Sport
- die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (SZS): Arno Donda ab 1963
- das Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung (ASMW)
- das Amt für Industrielle Formgestaltung (AiF): Martin Kelm ab 1972
- das Amt für Jugendfragen (u. a. Johannes Keusch)
- das Staatssekretariat für Berufsbildung (ab 1970, zuvor ab 1966 Staatliches Amt für Berufsausbildung): Bodo Weidemann ab 1968
- das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS)
In einigen Fällen fungierten deren Leiter als Mitglieder des Ministerrates.
Neue Ministerien ab 1989/1990
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Name des Ministeriums | Minister | Partei | Regierungszeit | Kabinett |
---|---|---|---|---|
Maschinenbau | Karl Grünheid | SED/PDS | 1989–1990 | Kabinett Modrow |
Hans-Joachim Lauck | PDS | 1990 | Kabinett Modrow | |
Schwerindustrie | Kurt Singhuber | SED/PDS | 1989–1990 | Kabinett Modrow |
Wirtschaft | Christa Luft | SED/PDS | 1989–1990 | Kabinett Modrow |
Gerhard Pohl | CDU | 1990 | Kabinett de Maizière | |
Gunter Halm | BFD | 1990 | Kabinett de Maizière | |
Tourismus | Bruno Benthien | LDPD | 1989/1990 | Kabinett Modrow |
Arbeit und Löhne
(ab 1990: Arbeit und Soziales) |
Hannelore Mensch | SED/PDS | 1989–1990 | Kabinett Modrow |
Regine Hildebrandt | SPD | 1990 | Kabinett de Maizière | |
Jürgen Kleditzsch | CDU | 1990 | Kabinett de Maizière | |
Familie und Frauen | Christa Schmidt | CDU | 1990 | Kabinett de Maizière |
Kirchenfragen | Lothar de Maizière | CDU | 1989–1990 | Kabinett Modrow |
Bildung und Wissenschaft | Hans Joachim Meyer | CDU | 1990 | Kabinett de Maizière |
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Andreas Malycha, Peter Jochen Winters: Die SED: Geschichte einer deutschen Partei. Beck, München, ISBN 3-406-59231-7, S. 67, 70, 205, 211.
- ↑ Siegfried Suckut, Parteien in der SBZ/DDR 1945–1952. Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 2000, ISBN 3-89331-384-2, S. 83.
- ↑ Andreas Malycha, Peter Jochen Winters: Die SED: Geschichte einer deutschen Partei. Beck, München, ISBN 3-406-59231-7, S. 78, 190. siehe auch Dierk Hoffmann, Otto Grotewohl (1894–1964): Eine politische Biographie. Veröffentlichungen zur SBZ-/DDR-Forschung im Institut für Zeitgeschichte, Oldenbourg, München, ISBN 3-486-59032-4, S. 392.
- ↑ Ministerrat der DDR.- Büro des Präsidiums des Ministerrats (1954-1962). Bundesarchiv, abgerufen am 18. Juli 2024.
- ↑ Bereich Minister. Bundesarchiv, abgerufen am 27. Juli 2024.
- ↑ a b c gleichzeitig Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn
- ↑ Organisation, Aufgaben und Entwicklung der zentralen staatlichen Organe der Land- und Forstwirtschaft 1945–1990. Bundesarchiv, abgerufen am 22. Mai 2024.
- ↑ davor: Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung
- ↑ Helmut Müller-Enbergs: Bochmann, Manfred. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- ↑ a b Behördengeschichte der DDR ( vom 4. März 2016 im Internet Archive). In: Das Bundesarchiv. Artikel vom 13. April 2010. Website des Bundesarchivs. Abgerufen am 11. Oktober 2011.