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Reiher

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Reiher

Verschiedene Reiherarten

Systematik
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Reihe: Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Pelecaniformes
Familie: Reiher
Wissenschaftlicher Name
Ardeidae
Leach, 1820

Die Reiher (Ardeidae) sind eine Familie in der Ordnung Pelecaniformes. Zu dieser Familie gehören 19 Gattungen und 68 Arten. Die meisten Arten haben lange Beine und einen dolchartigen Schnabel. Viele Arten haben außerdem einen langen Hals. Reiher sind fast ausschließlich an Süßwasserhabitate gebunden, die Nahrung besteht vor allem aus Fischen und anderen wasserbewohnenden Tieren und wird dort im ufernahen Flachwasser gesucht. Sie sind weltweit verbreitet.

Porträt eines Graureihers.
Graureiher mit frisch gefangenem Fisch.

Alle Reiher haben einen langen, dolchartigen Schnabel, einen kurzen Schwanz und große, breite Flügel. Der Hals ist S-förmig gebogen, was durch den verlängerten sechsten Halswirbel bedingt ist. Bei fliegenden Reihern ist der gebogene Hals besonders auffällig. Die sogenannten Tagreiher sind meist große Vögel mit ausgeprägt langem Hals und langen Beinen; die Nachtreiher und Dommeln sind untersetzter gebaut und wesentlich kurzhalsiger. Die größte Art, der Goliathreiher, wird bis 140 cm lang und hat eine Flügelspannweite von bis zu 230 cm. Die kleinsten Reiher findet man in der Gattung der Zwergdommeln, von denen manche nur eine Körperlänge von 27 cm erreichen. Zwischen Männchen und Weibchen gibt es nur geringe Größenunterschiede: Männchen sind etwa 2 bis 4 % größer als Weibchen. Ansonsten gibt es keinen auffälligen Geschlechtsdimorphismus, eine Ausnahme bilden allerdings die Zwergdommeln, bei denen das Gefieder von Männchen und Weibchen grundlegend anders gefärbt ist. Ferner gibt es oft Jugendkleider, die vom Gefieder adulter Vögel sehr verschieden sind.

Es gibt sowohl sehr farbenprächtige als auch unauffällig graubraun gefärbte Reiher. Die häufigsten Farben sind schwarz, braun, blau, grau und weiß. Oft dienen Farben der Tarnung. Am auffälligsten ist dies bei den Rohrdommeln, die mit ihrer schwarz-braunen Streifung im Röhricht kaum auszumachen sind; aber auch scheinbar auffällig gefärbte Reiher haben oft eine schwarz-weiß gestrichelte Bauchseite, die sich unter Wasser betrachtet schwer erkennen lässt. Viele Arten der Tag- und Nachtreiher sind durch verlängerte Schmuckfedern an Kopf, Hals, Brust und/oder Rücken gekennzeichnet. Diese sind oft auffällig gefärbt und erreichen darin ihre höchste Ausprägung bei der Balz. Eine weitere Besonderheit des Reihergefieders sind die Puderdunen. Diese Daunenfedern wachsen ein Leben lang und zerfallen an ihren Spitzen ständig zu einer puderartigen Substanz, die zur Reinigung des Gefieders verwendet wird. Reiher haben meist drei paarige Gefiederregionen mit Puderdunen, manche Arten auch zwei oder vier. Außerdem verfügen Reiher über eine Bürzeldrüse, die verglichen mit der vieler anderer Wasservögel jedoch sehr klein ist.

Die unbefiederten Körperteile der Reiher sind meistens gelb, schwarz oder braun. Dies sind die Beine und der Schnabel, aber auch Teile des Kopfes zwischen Auge und Schnabel. Diese Farben werden zur Brutzeit heller und leuchtender. So hat der Graureiher für gewöhnlich einen gelbbraunen Schnabel, der sich zur Brutzeit leuchtend orangegelb färbt.

Graureiher im Flug

Der Schnabel der Reiher ist lang und dolchartig. Einzige Ausnahme ist der Kahnschnabel, der einen sehr breiten, dicken Schnabel hat, eine deutliche Abweichung von allen anderen Arten.

Die langen Beine enden in einem anisodactylen Fuß. Die Mittelzehe ist stets am längsten, die Hinterzehe steht ihr direkt gegenüber. Mittelzehe und innere Zehe sind durch eine basale Schwimmhaut miteinander verbunden, ansonsten fehlen Schwimmhäute. Die Beine ermöglichen das Schreiten in tiefem Wasser. Einige Arten haben stark verlängerte Zehen, mit denen sie auf schwimmenden Pflanzenteilen Halt finden. Die Dommeln können schließlich im Gesträuch und im Röhricht umherklettern.

Die Flügel haben zehn bis elf (beim Kahnschnabel neun) Handschwingen und 15 bis 20 Armschwingen. Sie ermöglichen einen langsamen Flug mit kräftigen Flügelschlägen. Nachtreiher und Dommeln haben einen rascheren Flügelschlag als Tagreiher. Die größten Reiher brauchen 100 Flügelschläge je Minute, die kleinsten 200. Der Hals wird im Flug rückwärts gebogen, so dass der Kopf auf den Schultern ruht. Einzige Ausnahme ist der Pfeifreiher, der auch mit seinem eher entenartigen, schnellen Flug abweichend ist.

Verbreitung und Lebensraum

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Silberreiher

Reiher sind auf allen Kontinenten außer Antarktika verbreitet. Sie fehlen nur in den Polargebieten und auf einigen ozeanischen Inseln. Die größte Artenvielfalt herrscht in Süd- und Südostasien (24 Arten), gefolgt von Afrika (21), Süd- und Mittelamerika (20) sowie Australien und Ozeanien (16). Artenärmer sind die Nearktis mit 12 und die Paläarktis mit 9 Arten.

Reiher sind vor allem Vögel des Flachlands und im Gebirge selten anzutreffen. Auch hier gibt es allerdings Ausnahmen. Den Höhenrekord hält ein Nachtreiher, der in den chilenischen Anden in 4816 m Höhe angetroffen wurde.

Für gewöhnlich sind Reiher Bewohner von Gewässerufern. Man findet sie vor allem an flachen Seen und in Sümpfen, aber auch an Flüssen, Mangroven und sogar an Meeresküsten. Aber auch von dieser Regel gibt es Ausnahmen. Einige Arten sind vorübergehend oder dauerhaft weit vom Wasser entfernt anzutreffen. Der ostasiatische Wellenreiher kommt zwar auch an Gewässerrändern vor. Sein präferierter Lebensraum sind jedoch subtropische Regenwälder, wo er am Waldboden Frösche und Erdwürmer jagt.[1] Das bekannteste Beispiel für eine nicht an Gewässer gebundene Reiherart ist der Kuhreiher, der in Grasland und Savanne lebt und keine nennenswerte Bindung ans Wasser hat.

Die meisten Reiher sind Stand- oder Strichvögel. Allerdings gibt es auch viele ausgesprochene Zugvögel in der Familie. Das Zugverhalten bei Arten der gemäßigten und kalten Zonen ist ausgeprägter als jenes der Arten im Bereich der Tropen. So überwintern die europäischen Populationen von Purpurreiher, Nachtreiher und Zwergdommel in Afrika südlich der Sahara. Der Graureiher ist ein Teilzieher; aus Mitteleuropa ziehen 25 bis 45 % in die afrikanischen Winterquartiere, aus Schweden 70 %; hingegen sind die Graureiher auf den Britischen Inseln Standvögel.

Start eines Graureihers.
Nachtreiher
Graureiher mit erbeutetem Fisch

Die Bezeichnungen Tag- und Nachtreiher sind nicht immer treffend gewählt. Es gibt fast keine Reiherart, die ausschließlich tag- oder nachtaktiv ist. Der Graureiher ist überwiegend tagaktiv, jagt aber gelegentlich auch bei Nacht, ohne dass ein Unterschied in der Effizienz festgestellt werden konnte. Der Nachtreiher ist tatsächlich meistens dämmerungs- und nachtaktiv, kann aber mitunter auch am helllichten Tag jagend angetroffen werden. Mit dem afrikanischen Weißrückenreiher ist nur eine Art bekannt, die tatsächlich ausschließlich nachtaktiv zu sein scheint.

Während die Tag- und Nachtreiher in Kolonien leben, sind Tigerreiher und Dommeln Einzelgänger. Erstere brüten und ruhen zwar gesellig, gehen meist aber allein auf die Jagd. Vor allem die einzelgängerischen Rohrdommeln vermeiden es mit Bewegungslosigkeit und farblicher Tarnung gesehen zu werden; perfektioniert haben sie diese Eigenschaften durch ihre Pfahlstellung bei Bedrohung, bei der sie den Kopf und den Schnabel emporstrecken, um im Röhricht noch weniger aufzufallen; diese Stellung können sie über Stunden beibehalten.

Abgesehen von wenigen Ausnahmen ernähren sich Reiher von Wassertieren, namentlich Fischen, Amphibien, Reptilien, Wasservögeln, Kleinsäugern, Insekten, Mollusken und Krebstieren. Der Nahrungsbedarf eines Graureihers liegt täglich bei wenigstens 330 bis 500 g. Für gewöhnlich wird die Beute überrascht, indem der Reiher bewegungslos auf der Stelle steht und dann blitzschnell mit dem Schnabel zustößt. Idealerweise wird das zu erbeutende Tier durchbohrt. Manchmal schreiten Reiher auch auf Beutesuche langsam umher.

Andere Jagdtechniken sind seltener. Beobachtet wurde bei verschiedenen Arten ein Fang von Wassertieren aus dem Fluge heraus, Insektenjagd im Fluge und schwimmendes Anpirschen.

Viele Reiher nutzen ihre Flügel beim Beutefang. Sie breiten sie aus, um Schatten zu spenden, in dem potenzielle Beutetiere vermeintlichen Schutz vor der Sonne suchen. Ein anderer Vorteil des Flügelschattens ist, dass er Reflexionen der Wasseroberfläche minimiert und dem Reiher eine bessere Sicht gibt. Viele Reiherarten bedienen sich dieser Technik gelegentlich, der afrikanische Glockenreiher hingegen fast ausschließlich. Er kann mit seinen Flügeln einen geschlossenen Baldachin bilden. Eine andere bemerkenswerte Jagdtechnik nutzt der Mangrovereiher, der gezielt Insekten als Köder auf der Wasseroberfläche platziert, um Fische anzulocken.

Die großen Reiher sind imstande, auch sehr große Beutetiere zu jagen. Ein Graureiher wurde in Belgien beim Erbeuten eines Blässhuhns beobachtet; ein anderer wurde in den Niederlanden in Vianen in der Provinz Utrecht beim Erbeuten eines Kaninchens fotografiert.[2] Dies sind jedoch Ausnahmen. Häufiger ist das Plündern von Vogelnestern: Zwergdommeln fressen gelegentlich Eier und Junge von Rohrsängern, während den Nachtreiher die Gelege von Ibissen, Seeschwalben und anderen Reihern anziehen.

Einige Arten haben ein ungewöhnliches Beutespektrum. Weißwangenreiher und Schwarzhalsreiher wurden beim Fressen von Aas beobachtet, der Mangrovereiher sogar beim Verzehren von Eicheln. Der Generalist unter den Reihern ist der Kuhreiher. Zwar erbeutet auch er gelegentlich die reihertypische Nahrung wie Fische und andere Wassertiere, für gewöhnlich hält er sich aber weit vom Wasser entfernt auf, so dass Insekten zu seiner Hauptbeute geworden sind. Als Kulturfolger sucht er seine Nahrung manchmal auf Müllkippen, ebenso nimmt er große Anteile pflanzlicher Nahrung, die er auch aus Silos stiehlt. Besonders bekannt ist der Kuhreiher aber dafür, große Säugetiere (Rinder, Büffel, Elefanten u. a.) zu begleiten und sie von Hautparasiten zu befreien.

Graureiher beim Nestbau

Die meisten Reiher brüten in Kolonien – es gibt jedoch auch allein brütende Arten wie den Goliathreiher und die Rohrdommeln sowie Arten, die sowohl in Kolonien als auch einzeln brüten können, wie den Graureiher. Reiherkolonien können gewaltige Ausmaße annehmen: Im Nigerdelta umfasste eine Reiherkolonie 68.300 bis 70.800 Paare verschiedener Arten.

An der Niststätte trifft zunächst das Männchen ein, das sogleich mit der Balz beginnt. Eine Reihe ritualisierter Gesten sollen die Aufmerksamkeit eines Weibchens erregen und männliche Konkurrenten fernhalten. Zu solchen Gesten gehören das senkrechte Ausstrecken von Kopf und Hals, das Ausbreiten der Flügel, das Auf- und Abschwenken des Kopfes bei gleichzeitigem Aufstellen der Federn sowie Schnabelklappern.

Die Nester befinden sich entweder in Bäumen oder im Röhricht. Das Nest wird bei der Zwergdommel ausschließlich vom Männchen, bei anderen Arten von beiden Partnern gemeinsam gebaut. Es handelt sich um eine unstrukturiert wirkende Anhäufung von Zweigen oder Schilfhalmen. Bei vielen Arten werden die Nester alljährlich erweitert, wodurch sie gewaltige Ausdehnungen erreichen können – etwa 1,5 m beim Baumnest des Graureihers. Das Gelege der Reiher besteht aus ein bis zehn Eiern. Das untere Extrem (ein Ei) tritt beim Bindenreiher und beim Weißschopfreiher auf, das obere bei den Zwergdommeln. Bei den allermeisten Arten werden drei bis fünf Eier gelegt. Im Durchschnitt haben die Reiher der gemäßigten Zonen größere Gelege als jene der Tropen. Die Eier sind meist glänzend weiß oder hellblau, bei einigen Arten auch olivbraun (Rohrdommeln) oder gefleckt (Tigerreiher). Sie werden 14 bis 30 Tage bebrütet, was für gewöhnlich beide Partner übernehmen. Selten kommt auch Brutparasitismus vor, wobei ein Reiherweibchen die Eier in das Nest einer anderen Art legt[3].

Die Jungen schlüpfen nicht gleichzeitig. Das älteste Junge eines Geleges hat somit einen Wachstumsvorsprung; bei der Fütterung durch die Elternvögel versucht es, die jüngeren Geschwister von der Nahrung zu verdrängen. Dadurch kommt es oft vor, dass die jüngsten Geschwister verhungern, oder aber durch Aggressionen mit Schnabelhieben zu Tode kommen.

Die Jungen sind zunächst fast vollkommen nackt. Sie verbleiben dreieinhalb bis dreizehn Wochen im Nest. Während dieser Zeit werden sie mit einem halbverdauten Nahrungsbrei gefüttert, der von beiden Altvögeln entweder ins Nest oder direkt in den Schnabel des Jungen ausgewürgt wird.

Stammesgeschichte

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Obwohl Fossilfunde von Reihern äußerst selten sind, kann man anhand dieser ablesen, dass Reiher eine sehr alte Vogelgruppe sind: Die Gattung Proardea aus dem Eozän Frankreichs ist der älteste bekannte Reiher, und aus derselben Epoche sind Fußspuren bekannt, die wahrscheinlich von Reihern stammen. Bereits im Miozän lassen sich die Linien der großen Tagreiher sowie der kleinen Nachtreiher erkennen, die teils schon den rezenten Gattungen Ardea, Ardeola, Egretta und Nycticorax zugeordnet werden.

Im Pleistozän lebten bereits viele der rezenten Arten. Erst in sehr junger Zeit ausgestorben ist Ardea bennuides, ein auf der Arabischen Halbinsel verbreiteter Reiher, der die größte bekannte Art ist, die je gelebt hat[4].

Insgesamt sind weniger als vierzig fossile Arten beschrieben worden. Ferner ist aus dem Oligozän eine ausgestorbene Familie Xenerodiopidae bekannt, die man für nahe Verwandte der Reiher hält.

Äußere Systematik

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Lange wurden die Reiher den Schreitvögeln zugeordnet, wo sie unter anderem mit Störchen, Ibissen und Neuweltgeiern gruppiert wurden. Zu den wenigen Ausnahmen gehörte das von Ligon, der 1967 die Reiher in einer eigenen Ordnung Ardeiformes von den Schreitvögeln (Ciconiiformes) abtrennte; in letzterer vereinte er Störche und Neuweltgeier[5]. Die Beziehung der Reiher zu den übrigen Familien der Schreitvögel blieb allerdings lange ungeklärt[6].

Neuere genetische Analysen legen nahe, dass die Reiher, wie ihre Schwesterklade der Ibisse und Löffler, zu den Pelecaniformes gehören, also näher mit den Pelikanen als mit den Störchen verwandt sind.[7] Dieser Einordnung, die auch in diesem Artikel Anwendung findet, folgt auch die International Ornithological Union (IOU).[8]

Innere Systematik

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Rohrdommel

Carl von Linné ordnete noch alle ihm bekannten Reiher einer einzigen Gattung Ardea zu. Im 20. Jahrhundert wurde es zunächst üblich, die Familie in die Unterfamilien der Echten Reiher (Ardeinae) und der Dommeln (Botaurinae) zu gliedern. Payne und Risley unterschieden 1976 hingegen vier Linien: die großen Tagreiher (Ardeinae), die kleinen Nachtreiher (Nycticoracinae), die Tigerreiher (Tigrisomatinae) und die Dommeln (Botaurinae) – ein System, das oft zitiert und übernommen wurde[9].

Hingegen fassen Kushlan und Hancock 2005 die Tag- und Nachtreiher wieder in einer gemeinsamen Unterfamilie zusammen. Zudem trennen sie den abweichenden Kahnschnabel sowie den Speerreiher als jeweils eigene Unterfamilien Agamiinae und Cochleariinae ab. Die Abtrennung des Speerreihers wurde hier erstmals vorgenommen, während der Kahnschnabel schon länger als stark abweichende Art angesehen wurde, ja gelegentlich sogar seine Zugehörigkeit zu den Reihern bezweifelt wurde[10].

Hruska und Mitarbeiter veröffentlichten im Januar 2023 eine phylogenetische Studie zur inneren Systematik der Reiher, in der sie nachwiesen, dass der Bindenreiher (Zonerodius heliosylus) nicht, wie ursprünglich angenommen, zu den Tigerreihern (Tigrisomatinae) gehört, sondern als Schwestergruppe der Schopfreiher (Ardeola) in die Unterfamilie Ardeinae.[11]

Die folgende Liste der Gattungen und Arten der Reiher folgt der IOC World Bird List:[12]

Nordamerikanische Rohrdommel

Die wahrscheinlichen verwandtschaftlichen Verhältnisse gibt folgendes Kladogramm wieder.[11]

 Ardeidae 



 Ardeinae 






Ardeola


   

Bindenreiher



   

Butorides



   

Ardea



   

Nycticorax


   

Nyctanassa




   



Pilherodius


   

Syrigma



   

Egretta



   

Calherodius




   

Gorsachius



 Botaurinae 


Botaurus


   

Ixobrychus



   

Zebrilus




 Agamiinae 

Agamia



 Cochleariinae 

Cochlearius



 Tigrisomatinae 

Tigrisoma


   

Tigriornis




Vorlage:Klade/Wartung/Style

Reiher und Menschen

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Reiher wurden wahrscheinlich schon seit Jahrtausenden bejagt. So hat man in Mexiko Hinweise auf Reiherjagd aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus gefunden[13]. Im Mittelalter gehörten Reiher in Europa zur sogenannten Hohen Jagd, die dem Adel vorbehalten war. Die Reiherjagd wurde in De arte venandi cum avibus, dem Falkenbuch von Friedrich II., beschrieben und illustriert.[14] Zwischen dem Freiherrn von Crailsheim und dem Markgrafen von Ansbach kam es sogar zu einem „Reiherkrieg“, bei dem um den Besitz einer Graureiherkolonie gestritten wurde[15]. Der Graureiher wurde aber nicht nur zum Vergnügen gejagt, sondern galt auch als besonders exquisite Speise.

Seidenreiher

Die größte Ausweitung erlebte die Reiherjagd aber mit der steigenden Beliebtheit von Reiherfedern. Bei vielen Völkern hatten die Schmuckfedern verschiedener Reiherarten eine Bedeutung als Schmuck – so bei den Māori, bei denen die Federn des Silberreihers als Kopfschmuck der Häuptlinge üblich waren, oder bei indianischen Völkern, die Federn des Pfeifreihers als Tauschware nutzten. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde es in Europa Mode, Hüte mit den Federn weißer Reiher (vor allem Silber- und Seidenreiher) zu schmücken. Hierfür begann weltweit eine beispiellose Jagd, bei der ganze Kolonien vernichtet wurden, mitsamt den mit Reihern vergesellschaftet brütenden Arten. Die Dimensionen dieser Jagd werden an einigen Beispielen deutlich: 1887 bot ein einziger Händler in London zwei Millionen Reiherhäute an; 1898 wurden 1,5 Millionen Reiher aus Venezuela exportiert. Die Vernichtung der Reiherkolonien war der Beweggrund für die Gründung der ersten Naturschutzorganisationen, vor allem der National Audubon Society der USA – zwei von der Audubon Society gestellte Männer, die eine Reiherkolonie schützen sollten, wurden sogar von Jägern getötet. 1913 verboten die USA den Handel mit Reiherfedern, Großbritannien folgte 1920. Bis heute ist der Silberreiher das Wappentier der Audubon Society.

Während heute die Jagd für Fleisch und Federn nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt, werden Reiher vor allem als Konkurrenten der Fischereiwirtschaft gesehen. Seit dem 19. Jahrhundert sind Ausrottungskampagnen durch Fischer belegt. Zwar zeigten Studien, dass Reiher fast ausschließlich für die Fischerei uninteressante Fische fressen, trotzdem gibt es in Europa und Nordamerika immer wieder Forderungen von Interessenverbänden der Fischer, die Reiherbestände zu dezimieren.

Überwiegend positiv ist wohl allein die Beziehung des Menschen zum Kuhreiher, der hauptsächlich Insekten frisst. Da er in der Nähe des Menschen bleibt, sah man in ihm ein nützliches Instrument zur Bekämpfung von Heuschreckenplagen. So führte man ihn etwa in Hawaii ein.

Bedrohung und Schutz

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Reiher reagieren empfindlich auf Veränderungen ihres wassernahen Lebensraumes. Die Rodung von Ufervegetation, die Begradigung von Flüssen, die Verschmutzung des Wassers, die Überfischung der Seen und die Zersiedelung ihrer Habitate sind Ursachen für den Rückgang vieler Reiherarten.

Silberreiher

Die IUCN führt vier Reiherarten als ausgestorben:

  • den Rodrigues-Nachtreiher (Nycticorax megacephalus), der bis ins 18. Jahrhundert auf Rodrigues lebte; bekannt von Knochenfunden und zwei Beschreibungen von 1708 und 1726[16]
  • den Mauritius-Nachtreiher (Nycticorax mauritianus), bekannt von fossilen Knochen, wahrscheinlich bis ins 17. Jahrhundert auf Mauritius existent[17]
  • den Réunion-Nachtreiher (Nycticorax duboisi), bis ins 17. Jahrhundert auf Réunion verbreitet, ein Knochenfund bekannt[18]
  • die Neuseeländische Zwergdommel (Ixobrychus novaezelandiae), beheimatet auf der Südinsel Neuseelands und vor 1900 ausgestorben[19]

Ob der große Reiher Ardea bennuides des Nahen Ostens von Menschen ausgerottet wurde, fällt in den Bereich der Spekulation. Er lebte noch 3000 v. Chr. und war damit Zeitgenosse der ersten Zivilisationen jener Region.

Von den heute lebenden Reiherarten ist keine vom Aussterben bedroht. Allerdings führt die IUCN sechs Arten im Status stark gefährdet (Hainanreiher, Rotscheitelreiher, Kaiserreiher, Madagaskarreiher, Dickschnabelreiher, Australische Rohrdommel).

Reiher in der Kunst

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In der bildenden Kunst sind Reiher in unterschiedlichen Kulturkreisen ein beliebtes Motiv.

Zitierte Quellen

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Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:

  1. Kushlan et al., S. 284 und S. 285
  2. Telegraph.co.uk (29. September 2008): Heron catches rabbit: Dramatic photos
  3. Milagros Gonzalez-Martin, Xavier Ruiz: Brood Parasitism in Herons. In: Colonial Waterbirds 1996, Bd. 19, Nr. 1, S. 31–38
  4. E. Hoch: Reflections on Prehistoric Life at Umm an-Nar (Trucial Oman) Based on Faunal Remains from the Third Millennium B.C. In: South Asian Archaeology 1979, S. 589–638
  5. J.D. Ligon: Relationships of the cathartid vultures. In: Occasional Papers of the Museum of Zoology, University of Michigan 1967, Nr. 651, S. 1–26
  6. Frederick H. Sheldon & Beth Slikas: Advances in Ciconiiform Systematics 1976–1996. In: Colonial Waterbirds 1997, Bd. 20, Nr. 1, S. 106–114
  7. Hackett u. a.: A Phylogenomic Study of Birds Reveals Their Evolutionary History. In: Science. 27 June 2008: Vol. 320. no. 5884, S. 1763–1768 doi: 10.1126/science.1157704
  8. Liste der Vogelnamen der IOU IOC World Bird List
  9. R.B. Payne & C.J. Risley: Systematics and evolutionary relationships among the herons. In: Miscellaneous Publications, Museum of Zoology, University of Michigan 1976, Nr. 150, S. 1–115
  10. F.H. Sheldon, K.G. McCracken & K.D. Stuebing: Phylogenetic relationships of the Zigzag Heron (Zebrilus undulatus) and White-crested Bittern (Tigrionis leucolophus) estimated by DNA-DNA hybridization. In: The Auk 1995, Nr. 112, S. 672–679
  11. a b Jack P. Hruska, Jesse Holmes, Carl Oliveros, Subir Shakya, Philip Lavretsky, Kevin G. McCracken, Frederick H. Sheldon, Robert G. Moyle: Ultraconserved elements resolve the phylogeny and corroborate patterns of molecular rate variation in herons (Aves: Ardeidae). Ornithology, Januar 2023, doi: 10.1093/ornithology/ukad005
  12. IOC World Bird List: Ibis, spoonbills, herons, hamerkop, shoebill, pelicans
  13. David W. Steadman, Markus P. Tellkamp & Thomas A. Wake: Prehistoric Exploitation of Birds on the Pacific Coast of Chiapas, Mexico. Condor 2003, Bd. 105, Nr. 3, S. 572–579
  14. siehe auch unter Falkner
  15. H. Kramer: Die Reiher. In: Bernhard Grzimek (Hrsg.): Grzimeks Tierleben – Vögel 1. dtv 1980, S. 179–206
  16. Nycticorax megacephalus in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2011. Eingestellt von: BirdLife International, 2008. Abgerufen am 17. November 2011.
  17. Nycticorax mauritianus in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2011. Eingestellt von: BirdLife International, 2008. Abgerufen am 17. November 2011.
  18. Nycticorax duboisi in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2011. Eingestellt von: BirdLife International, 2008. Abgerufen am 17. November 2011.
  19. Ixobrychus novaezelandiae in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2011. Eingestellt von: BirdLife International, 2008. Abgerufen am 17. November 2011.
  • Josep del Hoyo et al.: Handbook of the Birds of the World, Band 1 (Ostrich to Ducks). Lynx Edicions, 1992, ISBN 84-87334-10-5
  • James A. Kushlan & James A. Hancock: Herons. Oxford University Press, 2005, ISBN 0-19-854981-4
Commons: Reiher – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Reiher – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen