Riccatische Differentialgleichung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Riccatische Differentialgleichungen oder Riccati-Differentialgleichungen sind eine spezielle Klasse nichtlinearer gewöhnlicher Differentialgleichungen erster Ordnung. Sie besitzen die Form

mit gegebenen Funktionen , und .

Sie sind nach dem Mathematiker Jacopo Francesco Riccati benannt, einem italienischen Grafen (1676–1754), der sich intensiv mit der Klassifizierung von Differentialgleichungen befasste und Methoden zur Verringerung der Ordnung von Gleichungen entwickelte.

Eine allgemeine Lösung einer Riccati-Differentialgleichung ist im Allgemeinen nicht möglich, jedoch kann eine solche angegeben werden, falls eine spezielle Lösung bekannt ist.

Denselben Namen riccatische Differentialgleichung tragen noch zwei andere Gleichungstypen, die für verschiedene Themen von angewandter Mathematik bis zur Finanzwissenschaft von Bedeutung sind.

Transformation im Falle einer bekannten Lösung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Angenommen, man hätte bereits eine Lösung (etwa durch Raten) gefunden. Dann lässt sich die riccatische Differentialgleichung vollständig lösen, da das Auffinden der übrigen Lösungen sich nun auf eine bernoullische Differentialgleichung reduziert, welche leicht gelöst werden kann.[1]

Formulierung des Transformationssatzes

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es seien sowie eine Lösung der riccatischen Differentialgleichung

und eine Lösung der bernoullischen Differentialgleichung

Dann ist

die Lösung der riccatischen Differentialgleichung

Es gilt

während der Anfangswert trivialerweise erfüllt ist.

Umformung auf lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Allgemeinen, unabhängig davon, ob man eine spezielle Lösung gefunden hat, lässt sich die riccatische Differentialgleichung auf eine lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung mit nicht-konstanten Koeffizienten transformieren.[2] Sollten zufälligerweise die Koeffizienten konstant sein, lässt sich diese transformierte Gleichung mit Hilfe der charakteristischen Gleichung leicht vollständig lösen. Im Fall nicht-konstanter Koeffizienten kann auch die lineare Form der riccatischen Differentialgleichung nur sehr schwer lösbar sein.

Formulierung des Transformationssatzes

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es seien sowie stetig differenzierbar und eine Lösung der linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung

mit für alle . Dann ist

die Lösung der riccatischen Differentialgleichung

Der Übersicht halber werden die Argumente nicht mitgeschrieben. Nach der Quotientenregel gilt

während der Anfangswert trivialerweise erfüllt ist.

Transformation auf ein lineares Differentialgleichungssystem

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der Umformung der Riccati-Differentialgleichung auf eine lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung ist auch eine Transformation auf ein lineares Differentialgleichungssystem möglich.[3] Damit eröffnen sich weitere Lösungsmöglichkeiten. So wird beispielsweise im Fall konstanter Koeffizienten mit der Matrixexponentialfunktion eine analytische Lösung der ursprünglichen Riccati-Differentialgleichung erhalten.

Die gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung (Vgl. Formulierung des Transformationssatzes)

lässt sich mit der Substitution und auf ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen erster Ordnung zurückführen.[4] Es folgt das lineare homogene Differentialgleichungssystem

mit der Koeffizientenmatrix

und dem Vektor

Ist die Koeffizientenmatrix eine stetige Funktion von (d. h. auch im Fall nicht-konstanter Koeffizienten), dann hat das zugehörige Anfangswertproblem mit den Anfangswerten stets eine eindeutig bestimmte Lösung, die für alle erklärt ist. Darüber hinaus kann die Lösung in Matrixschreibweise über die Matrixexponentialfunktion auch im Fall nicht-konstanter Koeffizienten angegeben werden.[5]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. W. Walter: Gewöhnliche Differentialgleichungen. 2000, S. 94.
  2. W. Walter: Gewöhnliche Differentialgleichungen. 2000, S. 305.
  3. T. Möller: Symbolic mathematics-based simulation of cylinder spaces for regenerative gas cycles. In: Int J Energy Environ Eng. Springer, Berlin/ Heidelberg, Feb. 2015. (link.springer.com)
  4. G. Merziger, Th. Wirth: Repetitorium der höheren Mathematik. Binomi Verlag, Hannover 2006.
  5. S. Blanes, F. Casas, J. A. Oteo, J. Ros: The Magnus expansion and some of its applications. In: Physics Reports. Band 470, Cornell University Library, 2009. (arxiv.org)