Richard Lichtheim
Richard Lichtheim (geboren 16. Februar 1885 in Berlin; gestorben 29. April 1963 in Jerusalem, Israel) war ein deutscher und später israelischer Politiker, Publizist und Versicherungsmanager.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Richard Lichtheim studierte in Berlin und Freiburg im Breisgau. Er arbeitete ab 1911 als Redakteur bei der zionistischen Zeitung Die Welt. Lichtheim war von 1913 bis 1917, als Nachfolger von Victor Jacobson, Vertreter der Zionistischen Weltorganisation in der osmanischen Hauptstadt Konstantinopel, wo er während des Ersten Weltkrieges wiederholt durch Interventionen bei deutschen und türkischen Stellen Repressionen gegen die jüdischen Siedler in Palästina verhinderte, und mit Hilfe des damaligen amerikanischen Botschafters Henry Morgenthau senior humanitäre Hilfslieferungen organisierte. Wichtige Kontaktpersonen in Konstantinopel dabei waren die deutschen Journalisten Paul Weitz[1] und Friedrich Schrader[2] (beide Korrespondenten der Frankfurter Zeitung).
Wegen seiner Kontakte zu US-Stellen geriet Lichtheim 1917 unter Spionageverdacht und musste nach Deutschland zurückkehren. 1919 gehörte er zur zionistischen Delegation bei den Friedensverhandlungen von Versailles, und 1921 berief ihn Chaim Weizmann ins Büro der Zionistischen Weltorganisation nach London.
1925 schloss Lichtheim sich nach einem Zerwürfnis mit Weizmann der Revisionistischen Bewegung von Vladimir Jabotinsky an und wurde deren Vertreter im Deutschen Reich. Er hatte Jabotinski in den Jahren 1913–14 in Konstantinopel kennengelernt, als dieser Chefredakteur der von Lichtheims Vorgänger Jacobson und dem damaligen WZO-Präsidenten David Wolffsohn gegründeten französischsprachigen Tageszeitung Jeune Turc (1908–1915) war. Nach dem Bruch mit Weizmann arbeitete Lichtheim in Berlin hauptberuflich als Versicherungsmakler. 1934 wanderte Lichtheim mit seiner Familie nach Palästina aus. Später wandte er sich vom immer radikaleren Kurs Jabotinskys ab und wurde wieder Exekutivmitglied der Zionistischen Weltorganisation. Beruflich war er als studierter Volkswirt in Palästina wiederum bei Versicherungsunternehmen tätig.
1938 bis 1946 war Lichtheim Vertreter der Zionistischen Weltorganisation beim Völkerbund in Genf. 1942 sandte er von Genf aus die ersten Berichte über die Shoah nach Jerusalem.[3]
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Staatsgründung Israels lebte Lichtheim in Jerusalem und schrieb mehrere Bücher und Schriften über die Geschichte des Zionismus.
Richard war verheiratet mit Irene Lichtheim. Die beiden hatten zwei Kinder, den britischen marxistischen Theoretiker und Journalist George Lichtheim (1912–1973) und die israelische Ägyptologin Miriam Lichtheim (1914–2004).[4]
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Das Programm des Zionismus. Berlin-Charlottenburg : Zionist. Vereinig. für Deutsch, 1911.
- Der Aufbau des jüdischen Palästina. Berlin : Jüdischer Verlag, 1919.
- Revision der zionistischen Politik. Berlin : Ewer-Buchhandlung, 1930.
- Die Geschichte des deutschen Zionismus. Jerusalem : Mass, 1954.
- Rückkehr – Lebenserinnerungen aus der Frühzeit des deutschen Zionismus. DVA, Stuttgart 1970.
- Berichte und Briefe in: Henry Friedlander: Archives of the Holocaust. Band 3 : Central Zionist Archives, Jerusalem. 1939–1945. Bearbeitung Francis R. Nicosia. New York : Garland, 1990
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Franz Menges: Lichtheim, Richard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 466 f. (Digitalisat).
- Andrea Kirchner: Ein vergessenes Kapitel jüdischer Diplomatie. Richard Lichtheim in den Botschaften Konstantinopels. In: Naharaim 9 (1–2), S. 128–150, 2015. Link (academia.edu)
- Andrea Kirchner (Hrsg.): Von Konstantinopel nach Genf. Quellen zum Wirken Richard Lichtheims (= Archiv jüdischer Geschichte und Kultur. Band 7). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2022, ISBN 978-3-525-31148-6, doi:10.13109/9783666311482 (Open Access).
- Andrea Kirchner: Emissär der jüdischen Sache. Eine politische Biografie Richard Lichtheims. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2023, ISBN 978-3-525-30211-8.
- Hans Jonas: Erinnerungen. Suhrkamp. ISBN 3-518-45684-9, S. 140 f.
- Lichtheim, Richard. In: Joseph Walk (Hrsg.): Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4, S. 234.
- Lichtheim, Richard. In: Encyclopaedia Judaica. 1972, Band 11, Sp. 210f.
- Lichtheim, Richard. In: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. Saur, München 1980, S. 443.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Richard Lichtheim: Rückkehr – Lebenserinnerungen aus der Frühzeit des deutschen Zionismus. DVA, Stuttgart, 1970.
- ↑ Central Zionist Archives, Jerusalem: Brief Lichtheim an das Zionistische Aktionskommittee in Berlin, 13.11.1913 CZA 3:47
- ↑ Stefan Mächler: "Als die Behörden die Grenze schlossen, wussten sie, was das für die abgewiesenen Juden hiess": Neue Zürcher Zeitung, 11. August 2017 Link NZZ Online
- ↑ Hans Jonas: Memoirs. Hrsg.: Christian Wiese. UPNE, 2008, ISBN 978-1-58465-639-5, S. 81–82 (google.ch [abgerufen am 3. Juni 2020]).
Personendaten | |
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NAME | Lichtheim, Richard |
KURZBESCHREIBUNG | zionistischer Politiker |
GEBURTSDATUM | 16. Februar 1885 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 29. April 1963 |
STERBEORT | Jerusalem |