Russische Eroberung Turkestans

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Die einzelnen Territorien Turkestans innerhalb des Russischen Reiches auf einer Karte des Gebietes um das Jahr 1900 (Oblast SemiretschjeOblast FerganaOblast SyrdarjaOblast SamarkandEmirat BucharaKhanat ChiwaOblast Transkaspien)

Die russische Eroberung Turkestans, auch bekannt als die russische Eroberung Zentralasiens, war eine Reihe von Invasionen in Turkestan (ein Sammelname für Zentralasien und Xinjiang) durch das Russische Kaiserreich im 19. Jahrhundert im Rahmen der russischen Expansionskriege (ein allgemeiner Begriff für die zaristischen Invasionen des Kaukasus, Zentralasiens und Sibiriens).

Ölgemälde des russischen Malers Wassili Wereschtschagin (1842–1904): An den Festungsmauern. Lass sie eintreten[1] (1871) – zum Gedenken an die Eroberung von Samarkand durch russische kaiserliche Truppen

Die russische Eroberung Zentralasiens, d. h. die russischen Kriege gegen Khokhand, Buchara und Chiwa, die Einnahme von Taschkent und Samarkand und die Unterwerfung der Turkmenen sowie die diplomatischen Beziehungen Russlands zu China, Persien und dem Britischen Empire, erweiterte den Herrschaftsbereich Russlands um 1,5 Millionen Quadratmeilen und mindestens 6 Millionen Menschen – die meisten von ihnen Muslime.[2]

Vage umrissene Ausdehnung Turkestans und dessen ungefährer Anteil an den heutigen zentralasiatischen Staaten.

Russlands Bestreben, Zentralasien zu beherrschen, geht auf die Zeit Peters des Großen zurück. 1717[3] waren die Russen in das Khanat Chiwa eingefallen und wurden zurückgeschlagen. In den 1830ern fanden erste Konflikte an der Steppengrenze statt, und die Eroberungen reichten bis zur Annexion des Pamir in den frühen 1900er Jahren.

Als einer der Hauptaggressoren des Neoimperialismus wuchsen Russlands Ambitionen auf Turkestan seit dem 19. Jahrhundert.

Invasion in Zentralasien

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1839 marschierten die Russen erneut in das Khanat Chiwa ein,[4] doch das kalte Wetter zwang die Russen, deren Kamele größtenteils erfroren, zum Rückzug.

Darstellung der Verteidigung der Zitadelle von Samarkand gegen die russische Invasion im Jahr 1868 (nach Karasin), veröffentlicht in der russischen Zeitung Niwa im Jahr 1872

1842 marschierte Russland in das Emirat von Buchara ein, das 1868 kapitulierte und russisches Protektorat wurde.

Im Jahr 1873 marschierte Russland erneut in das Khanat Chiwa ein,[5] das sich daraufhin ergab und ebenfalls russisches Protektorat wurde.

Die russische Invasion in Turkmenistan begann 1879 und wurde 1884 mit der Kapitulation der Turkmenen und der Eingliederung Turkmenistans in das Russische Kaiserreich weitgehend beendet. 1885 wurde die russische Invasion in Zentralasien gestoppt, nachdem Russland nach Süden bis zur afghanischen Grenze vorgedrungen war.

Die Feldzüge der russischen Armee fanden im Einzelnen statt gegen das Khanat von Kohkhand 1860–66 und 1875–76, gegen das Emirat Buchara 1866–68, gegen die Tekke-Turkmenen (Tekinzen) 1877–81 und gegen die Afghanen in der Oase von Panjdeh 1885.[6]

Schlacht an der Kuschka (russ. Бой на Кушке), Gemälde von dem russischen Maler Franz Roubaud (1856–1928), dieses Bild wurde unter anderem zur Illustration des Artikels Kuschka verwendet,[7] der im 14. Band der Militärischen Enzyklopädie[8] veröffentlicht wurde, die vom Buchverlag I. D. Sytin[9] 1914 in St. Petersburg, der Hauptstadt des Russischen Reiches, herausgegeben wurde

Invasion in Xinjiang

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Am 26. Mai 1862 überschritt die russische Armee zum ersten Mal die Grenze im Nordwesten Xinjiangs, sie wurde dabei zwar von der Qing-Armee zurückgeschlagen,[10] was aber die russischen Ambitionen auf Xinjiang nicht aufhalten konnte. Am 4. Juni drangen die Russen unter dem Vorwand, bei der Niederschlagung der Hui-Rebellion in Shaanxi und Gansu[11][12] zu helfen, erneut in den Nordwesten Xinjiangs ein und lieferten sich einen Schusswechsel mit der Qing-Armee. Die Verhandlungen zwischen dem „Ersten Prinzen Gong“ und den Russen scheiterten am 1. März 1863, und am 26. März marschierten die Russen ein. Die folgenden Gefechte führten keine Entscheidung herbei.

Im April 1864 brach der Hui-Aufstand der Tongzhi-Ära in Xinjiang[13] (ein Sammelbegriff für die Aufstände in Xinjiang zwischen 1864 und 1877) aus, im Juni stifteten die Russen einen Aufstand der Hui in Ili an, am 9. Juli besetzten die Russen und die Hui-Rebellen das Ili-Tal und die Hui-Rebellen umzingelten die Stadt Ili. Am 7. Oktober 1864 unterzeichneten beide Seiten das Protokoll von Tschugutschak[14] (im Chinesischen als Chinesisch-russischer Vertrag über die Demarkation der Nordwest-Grenze bekannt)[15] mit dem 440.000 Quadratkilometer Land nördlich des Pamir-Plateaus und westlich des Gebiets von Tannu Uriankhai an die Russen abgetreten wurden.

Karte zu den russischen Eroberungen in Zentralasien (oben rechts die Ili-Region um die Stadt Kuldscha)

Im Oktober 1864 rebellierten die uigurischen Taranchi und errichteten das Sultanat Ili,[16] das im Juni 1871 von den Russen zerstört und besetzt wurde.

Im Jahr 1877 eroberte die Xiang-Armee[17] unter der Führung von Liu Jintang[18] ganz Xinjiang mit Ausnahme des von den Russen besetzten Ili zurück.[19] Am 24. Februar 1881 wurde der Vertrag von Sankt Petersburg (auch bekannt als Vertrag von Ili)[20] unterzeichnet, mit dem Qing-China Ili zurückerhielt und 60.000 Quadratkilometer Land westlich des Flusses Qorghas (Chorgos) an die Russen abtrat.[21]

In Kunst und Literatur

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Ölgemälde des russischen Malers Nikolai Karasin aus dem Jahr 1888, das russische Truppen beim Durchqueren des "Todessandes" während der Schlacht von Chiwa 1873 zeigt
Ölgemälde des russischen Malers Nikolai Karasin aus dem späten 19. Jahrhundert, das die russische Armee in der Schlacht von Göktepe (Гёкдепе) im Kampf gegen die Turkmenen in den Jahren 1880–1881 zeigt

Die Eroberungen wurden von patriotischen literarischen und künstlerischen Werken begleitet, wovon auf russischer Seite die ausdrucksstarken Kriegs- und Schlachtengemälde des als „Russlands Kipling“ bezeichneten russischen Offiziers, Malers und Schriftstellers Nikolai Karasin (1842–1908), die von dem russischen Maler Franz Roubaud (1856–1928) und diejenigen des die Kriegsgeschehnisse der russischen Expansion teils kritischer beobachtenden[22] Wassili Wassiljewitsch Wereschtschagin (1842–1904) hervorragen. Michail Saltykow-Schtschedrin (1826–1889) behandelt das zentralasiatische Thema in seinem Werk Gospoda taschkentzy[23] (erste gekürzte Buchausgabe 1873, vollständig 1881; deutsch: Die Herren Taschkenter), einer Satire auf russische Bürokraten, die nach Taschkent geschickt wurden, um die dortige Bevölkerung zu 'zivilisieren'. Unmittelbar nach Karasin wird die orientalistische Wahrnehmung der Region beispielsweise in Nikolai Gumiljows berühmtem Gedicht Turkestanische Generäle (Туркестанские генералы,[24] 1912) deutlich – eine Art Ode an die tapferen Eroberer des wilden Ostens, Boten des erleuchteten Russlands.[25]

Persönlichkeiten

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Reiterdenkmal für General M. D. Skobelew auf dem Twerskaja-Platz in Moskau vor dem Hotel England (Англия) (Bildhauer: P. A. Samonow, 1912; 1918 zerstört)
  • Richard A. Pierce: Die russische Eroberung und Verwaltung Turkestans (bis 1917), in: Zentralasien, FW, Bd. 16, S. 217–236.
  • Bainian chuancheng zouchu huolu: Zhonghua Minguo waijiao shiliao tezhan 百年傳承走出活路: 中華民國外交史料特展 = A century of resilient tradition: exhibition of the Republic of China's diplomatic archives. Shen Lüxun 沈呂巡, Feng Mingzhu 馮明珠 (Hrsg.). Guoli gugong bowuyuan 國立故宮博物院. Taibei Shi: Guoli gugong bowuyuan, Minguo 100 [2011].[26]
  • Tien-fong Cheng: A History of Sino-Russian Relations. Washington, D.C.: Public Affairs Press, 1957 Online (Review in Teilansicht)
  • Christian Bachner: Das Vordringen des zaristischen Rußlands nach Zentralasien und der Aufbau der russischen Verwaltung von 1865 bis 1890. 2001 (Diss. Universität Regensburg)
  • Fritz Machatschek: Die russische Herrschaft in Turkestan. Geographische Zeitschrift, 24. Jahrg., 1. H. (1918), pp. 1–22 – in Teilansicht
  • Rudolf A. Mark: Russisch-Turkestan: Im Schatten des "Great Game" – Deutsche "Weltpolitik" und russischer Imperialismus in Zentralasien 1871-1914. 2012 (in Teilansicht)
  • Alexander Morrison: The Russian Conquest of Central Asia: A Study in Imperial Expansion, 1814–1914. Cambridge University Press 2020

Einzelnachweise und Fußnoten

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  1. russisch У крепостной стены. Пусть войдут / U krepostnoi steny. Pust woidut, wiss. Transliteration U krepostnoj steny. Pust' vojdut
  2. Buchhandelslink (Verlagstext zum Buch von Alexander Morrison, Cambridge University Press) – anfangs beworben mit: "The Russian conquest of Central Asia was perhaps the nineteenth century's most dramatic and successful example of European imperial expansion".
  3. Chiwa-Feldzug von 1717; russ. Хивинский поход (1717)
  4. Chiwa-Feldzug von 1839; russ. Хивинский поход (1839—1840)
  5. Chiwa-Feldzug von 1873 / russ. Хивинский поход (1873)
  6. Richard A. Pierce, S. 218 (Abb. 26: Die russischen Eroberungen in Zentralasien)
  7. Digitalisat
  8. russisch Военная энциклопедия Сытина / Wojennaja enziklopedija Sytina, wiss. Transliteration Voennaja ėnciklopedija Sytina
  9. Iwan Dmitrijewitsch Sytin (russisch Иван Дмитриевич Сытин, wiss. Transliteration Ivan Dmitrievič Sytin)
  10. catalog.digitalarchives.tw / Berichtet, dass sich die Russen dem Militärposten (karun) nähern, weshalb Truppen zur Verstärkung geschickt wurden (Academia Sinica Center for Digital Cultures, ASCDC)
  11. chin. Tongzhi Shaan-Gan Huiluan 同治陕甘回乱 oder Shaan-Gan Huibian 陝甘回變; vgl. Dunganenaufstände
  12. catalog.digitalarchives.tw / Berichtet, dass das Kasachen-Gebiet, das im Sommer des vergangenen Jahres eingerichtet werden sollte, von russischen Truppen besetzt wurde (Academia Sinica Center for Digital Cultures, ASCDC)
  13. chin. Tongzhi Xinjiang Huiluan 同治新疆回乱; vgl. Dunganenaufstände
  14. Protokoll von Tschugutschak (russisch Чугучакский протокол / Tschugutschakski protokol, wiss. Transliteration Čugučakskij protokol) vom 7. Oktober 1864, das auf Chinesisch unter der Bezeichnung Zhong-E kanfen Xibei jieyue ji 中俄勘分西北界約記 (Chinesisch-russischer Vertrag über die Demarkation der Nordwest-Grenze) und auch als Tacheng yidingshu 塔城议定书 (Protokoll von Tacheng) bzw. Tacheng jieyue 塔城界約 (Grenzabkommen von Tacheng) und auf Englisch als Treaty of Tarbagatai oder Treaty of Chuguchak bzw. last not least Tacheng Protocol on the Delimitation of Sino-Russian Boundary bekannt ist.
  15. npm.gov.tw / Die verlorene Grenze: Eine Sonderausstellung zum Vertrag über die Veränderung der Nordwestgrenze in der Qing-Dynastie – Grenzen im Wandel – Nationales Palastmuseum (Taiwan)
  16. Sultanat Ili oder Ili Taranchi (Uiguren) Sultanat (chin. Yili Sudanguo 伊犁蘇丹國; das Gebiet des Sultanats Ili (oder Kuldja) wurde 1871 von Russland besetzt)
  17. chin. Xiangjun 湘軍
  18. chin. Liu Jintang 劉錦棠
  19. 誰的新疆?疆獨是大博弈下的遺緒還是遺毒? Wem gehört Xinjiang? Ist die Unabhängigkeit von Xinjiang ein Erbe des Great Game oder ein böses Erbe?)auf der Webseite von United Daily News (Taiwan)
  20. Vertrag von Sankt Petersburg (1881) / russ. Петербургский договор, auch bekannt als Vertrag von Ili / russ. Договор об Илийском крае (zwischen dem Russischen Kaiserreich und China zur Lösung der Ili-Krise (chin. Yili weiji 伊犁危機))
  21. npm.gov.tw Ein jahrhundertealtes Erbe wird zum Leben erweckt – Sonderausstellung über die diplomatische Geschichte der Republik China – Reflexionen über Geschichte – Nationales Palastmuseum (Taiwan)
  22. Wassili Wereschtschagin: Das hässliche Gesicht des Krieges (Boris Jegorow) – rbth.com
  23. russisch Господа ташкентцы, wiss. Transliteration Gospoda taškentcy
  24. Туркестанские генералы (Wikisource)
  25. Dmitry Novokhatskiy: Central Asia in Contemporary Russian Literature: Among Nostalgia, Trauma and Orientalism, S. 243 (Abschnitt 3: Birth of Central Asian Orientalism in Russian Literature)
  26. Katalog zur Ausstellung aus den diplomatischen Archiven der Republik China, die gemeinsam vom Nationalen Palastmuseum und dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Republik China (Taiwan) organisiert wurde und vom 9. August 2011 bis 6. Februar 2012 im Nationalen Palastmuseum stattfand. Sie umfasst 25 Verträge und Abkommen aus der späten Qing-Dynastie (1842- ) sowie 12 relevante Grenz- oder Ortskarten. (vgl. search.library.wisc.edu)