Schmidt (Bogenmacherfamilie)
Die Bogenmacherfamilie Schmidt ist eine international erfolgreiche Dynastie deutscher Bogenmachermeister.
Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hans-Karl Schmidt (* 29. August 1940 in Erlbach) und seine Söhne Daniel Schmidt (* 6. Februar 1967) und Jochen Schmidt (* 1. Februar 1969) sowie Enkelin Friederike (* 26. Juli 1995) sind die heute noch tätigen Vertreter einer seit über 100 Jahren international bekannten deutschen Bogenmachermeister-Dynastie aus Sachsen. Die Tradition der Schmidt-Bögen reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück.[1]
Hans-Karl Schmidt erlernte das Bogenmacherhandwerk von 1955 bis 1958 bei seinem Stiefvater Kurt Dölling (1909–1990) in Erlbach. Schmidts leiblicher Vater, der Geigenbauer in zweiter Generation[2] Rudolf Schmidt (* 1910) war im letzten Kriegsjahr als Mitglied des Luftwaffenorchesters gefallen.[3] Seine Witwe, selbst einer Klingenthaler Bogenmacherfamilie entstammend, hatte Dölling in zweiter Ehe geheiratet. Kurt Dölling war bei Hermann Todt in die Lehre gegangen.
Nach Lehr- und Gesellenjahren beim Vater und Wanderjahren u. a. in der Schweiz (Siegfried Finkel in Brienz und Pierre Vidoudez in Genf) absolvierte Hans-Karl Schmidt 1963 in Markneukirchen die Meisterprüfung. Anschließend trat er als Teilhaber in die Werkstatt Kurt Dölling in Erlbach ein. Im Jahre 1974 zog er nach Dresden und eröffnete dort eine eigene Werkstatt, in der er bis heute tätig ist. Um die gravierenden Probleme der noch freiberuflich tätigen Bogenmacher der DDR vorrangig bei der Materialbeschaffung zu lösen, schloss er sich 1981 mit etlichen Kollegen der Fachgruppe der Geigenbaumeister der DDR[4] an und wurde deren Stellv. Vorsitzender[5]. Internationale Anerkennung erfuhr er bereits 1969, als in Lüttich zwei seiner Bögen mit Goldmedaillen ausgezeichnet wurden. Rasch erwarb er sich einen Ruf als Fachmann besonders für Bögen der deutschen Schule[6][7] und gilt mittlerweile als „berühmtester deutscher Bogenbauers des 20. Jahrhunderts“[8][6]. Bei seiner Modellwahl lehnte er sich zunächst an das Grundmuster Kurt Dölling an und an die französischen Vorlagen von F. N. Voirin und E. Sartory. In Dresden fertigte er seine Bogen häufig auch nach dem Muster F. X. Tourte. Seit Mitte der 80er Jahre nimmt er ausschließlich die klassischen deutschen Modelle von L. Bausch und H. Knopf als Vorlage.[6] Er ist u. a. Mitglied in der „Entente International des Luthiers et Archetiers“ (EILA)[9].
Geboren im vogtländischen Musikwinkel Klingenthal, begann sein älterer Sohn Daniel Schmidt bei seinem Vater in Dresden eine Bogenmacherlehre und erhielt Geigenunterricht. Auf erste Goldmedaillen 1989[10] und Meisterbrief 1990 folgten Wanderjahre u. a. in die Geigenbauwerkstatt von Amnon Weinstein in Tel Aviv. Seit 1996 hat er eine eigene Werkstatt in Dresden. Daniel Schmidt ist Mitglied in der Musikinstrumentenbauer-Innung Dresden, war Präsident des Deutschen Geigenbauer- und Bogenmacherverbandes (2016 bis 2022) und ist wie sein Vater Mitglied der EILA[9].
Auch sein Bruder Jochen Schmidt lernte beim Vater. Er erhielt schon mit 6 Jahren Cello-Unterricht und ließ sich als Geselle ebenfalls im In- und Ausland weiterbilden (Geigenbauwerkstatt Willem Bouman in Den Haag, Wolfgang Zunterer in München). Die Meisterprüfung legte er in Nürnberg ab.[11] 1997 gründete er seine eigene Firma in Dresden. Mit seiner Tochter Friederike setzt nach Ausbildung in Mittenwald und Gesellenjahren (Ilkka Wainio, Helsinki und Hieronymus Köstler, Stuttgart) nunmehr eine weitere Generation die Familientradition fort.
Beide Söhne von Hans-Karl Schmidt sind nicht nur als Bogenmacher erfolgreich, sondern engagierten sich intensiv auch ehrenamtlich im weiteren Wirkungsbereich ihres Berufs:
Jochen Schmidt setzt sich engagiert für den nachhaltigen Umgang mit Materialien ein, die traditionell beim Bogenbau Verwendung finden. So übernahm er den Vizevorsitz im IBIZ[12], einer Gesellschaft zur Förderung der Internationalen Initiative zur Erhaltung des Fernambuks.
Daniel Schmidt übernahm 2016 den Vorsitz im Verband Deutscher Geigenbauer und Bogenmacher (VDG). Sein besonderes Interesse gilt deutschen Streichinstrumenten, die – häufig im Gegensatz zu ihren Besitzern – den Holocaust überlebten und den Weg nach Israel fanden. Zur Tagung des VDG 1999 lud er Amnon Weinstein ein, den er in Israel inspiriert hatte, diese Instrumente und deren jeweiligen Geschichten zu sammeln und der Öffentlichkeit vorzustellen[1], und er war u. a. Mitinitiator des Konzerts „Violinen der Hoffnung“ am 8. November 2018 im Dresdner Kulturpalast.
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hans Karl Schmidt: Lüttich 1969 zwei Goldmedaillen; Jury-Mitglied in vielen internationalen Wettbewerben[13]
- Daniel Schmidt: Internationale Wettbewerbe in Mittenwald: 1989 zwei Goldmedaillen für Geigen- und Cellobogen, 1993 eine Bronzemedaille;[10] Jurymitglied des internationalen Etienne Vatelot Geigen- und Bogen-Wettbewerbes.[14]
- Jochen Schmidt: Concours International de Lutherie et d’Archeterie de la Ville de Paris 1991: Ehrenpreis · Violabogen nach W.C. Knopf und Ehrenpreis · Cellobogen nach J.B. Vuillaume; 1993: Goldmedaille · Violinbogen nach L. Bausch, Silbermedaille · Violabogen nach C.W. Knopf, Bronzemedaille · Cellobogen nach C. Süss[11]
Schriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hans Karl Schmidt zusammen mit K. Grünke und W. Zunterer:
- Deutsche Bogenmacher, Band 1 1783–1945
- Deutsche Bogenmacher, Band 2 1945–2000
Umfassendes Werk über den deutschen Bogenbau von seinen Anfängen bis heute. Texte in deutscher und englischer Sprache. Eigenverlag der Autoren, Bubenreuth 2000, ISBN 3-00-005839-7
Literatur/Medien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- C. Daniel Schmidt Kronberg Akademie
- Geigen, die den Holocaust überlebt haben Gespräch mit Daniel Schmidt, MDR-Klassik, 6. November 2018
- Ödön Racz Interview mit dem Bogenbauer C. Hans-Karl Schmidt YouTube, 5. März 2020
- Julia Rosner: „Violinen der Hoffnung“ in Tag des Herren 29. November 2018
- Frank Rothert: „Geigen mit Geschichte“ in Jüdische Allgemeine 23. April 2009
- Die Meisterbögen von C. Hans-Karl Schmidt Internationale Musikakademie Anton Rubinstein
- C. Jochen Schmidt Homepage
- Sigurd Schulze: Erschütternd nobel – Violinen der Hoffnung in Kulturexpresso, 23. November 2018
- Peter Somerford: Lutherie Dynasties: a family affair in „The Strad“, März 2021 (Francesca Dego issue)
- Violins of Hope Ein Zeitzeugengespräch im Max Mannheimer Studienzentrum
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b mdr.de: Geigen, die den Holocaust überlebt haben | MDR.DE. MDR-Klassik 6.11.2018. Abgerufen am 17. Mai 2021.
- ↑ Ödön Racz Interview mit dem Bogenbauer C. Hans-Karl Schmidt - YouTube
- ↑ Somerford in „The Strad“
- ↑ Umbenennung am 8. Oktober 1984 in „Fachgruppe der Geigen- und Bogenbaumeister der Deutschen Demokratischen Republik“
- ↑ https://geigenbau-brueckner.de Festschrift S. 35
- ↑ a b c „Die Meisterbögen von C. Hans-Karl Schmidt“ | Anton Rubinstein Musikakademie. "Hans-Karl Schmidt - Großmeister des deutschen Bogenbaus". Abgerufen am 17. Mai 2021.
- ↑ vgl. auch bei "Schriften"
- ↑ Ödön Racz Interview mit dem Bogenbauer C. Hans-Karl Schmidt - YouTube
- ↑ a b Members Directory EILA | EILA. Abgerufen am 17. Mai 2021.
- ↑ a b https://www.musikinstrumentenbauerinnung.de/index.php?menu=3
- ↑ a b Jochen Schmidt – Bogenmachermeister: Willkommen. Abgerufen am 17. Mai 2021.
- ↑ IPCI Deutschland e.V. Abgerufen am 17. Mai 2021.
- ↑ filimonov fine violins EXPERTISE ~ APPRAISALS ~ VIOLINS ~ BOWS. Abgerufen am 17. Mai 2021.
- ↑ Kronberg Academy: C. Daniel Schmidt. Abgerufen am 17. Mai 2021.