Seligmann Baer
Seligmann Baer (* 18. September 1825 in Mosbach, jetzt Wiesbaden; † 31. März 1897 in Biebrich, ebenda) war ein deutscher jüdischer Gelehrter und Masora-Spezialist. Von ihm stammen verschiedene Bibeltextausgaben und Werke zur jüdischen Liturgie.
Leben und Werk
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Baer gehört zur Schule von Wolf Heidenheim, der ihm auch einige seiner Manuskripte vermachte und dessen Methodik und Vorhaben zur Edition liturgischer Texte Baer weiter verfolgte.
1852 publizierte Baer eine Darstellung zur biblischen hymnischen Poesie, Torat Emet.
Viele von Baers Publikationen entstanden in Zusammenarbeit mit seinem Freund Franz Delitzsch, der die Publikationen finanzierte und Baer als Mitherausgeber zu seiner kritischen Textausgabe des Alten Testaments heranzog. Dieser voraus erschien bereits 1860 im Commentar zu den Psalmen als Beigabe Baers Darstellung zum Accentuationssystem der Psalmen, des Buches Hiob und der Sprüche. Es folgten weitere Editionen mit Einbezug des masoretischen Textes, in einer Zweitauflage des genannten Werks auch mit Beigabe der Übertragung des Hieronymus. Die von 1869 bis 1895 erschienene, gemeinsam herausgegebene Textausgabe blieb unvollendet; nicht erschienen sind Exodus und Deuteronomium. Sie enthält die folgenden Bücher: 1869 Genesis, 1872 Jesaja, 1875 Hiob, 1878 Kleine Propheten, 1880 Psalmen, 1880 Sprüche Salomons, 1882 Daniel, Esra, Nehemia, 1884 Ezechiel, 1885 Hohelied, Ruth, Klagelieder, Kohelet, Esther, 1888 Bücher der Chronik, 1890 Jeremia, 1891 Josua, Richter, 1892 Samuelbücher, 1895 Bücher der Könige.
1867 legte Baer eine Analyse des Nebentonakzents vor (Die Methegsetzung[1]).
Als ein Hauptwerk[2] gilt das 1868 veröffentlichte Seder Avodat Yisroel, eine umfangreiche Sammlung jüdischer Gebete mit ausführlichen Erläuterungen (Yakhin Lashon).[3]
1879 edierte Baer zusammen mit Hermann Leberecht Strack das grammatische Lehrbuch Diqduqe ha-Teamim des Aaron ben Ascher (Leipzig 1879).
Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Baers masoretische Textausgabe wurde weithin als adäquate Wiedergabe der masoretischen Tradition rezipiert; Christian David Ginsburg[4] und Emil Kautzsch äußerten sich aber auch kritisch.[2] Baer hat seinerseits die Masora-Ausgabe Ginsburgs kritisiert.[5] Bruno Baentsch kritisiert einige „Schrullen“, etwa, dass Baer „auf Künsteleien und Spitzfindigkeiten späterer Punktatoren (der sog. Naqdanim) ein ungebührliches Gewicht legte und es bei der Annahme von Lesarten zuweilen an der Anwendung der richtigen kritischen Methode fehlen ließ“.[6]
Der von Baer konstituierte Texte wurde auch in die Wilnaer rabbinische Bibeledition Mikra'ot Gedolot aufgenommen.
Auf Anregung von Delitzsch geht auch zurück, dass Baer 1876 an der Universität Leipzig in Philosophie in absentia promoviert wurde. Baer bekleidete jedoch nie eine akademische Position. Die Stadt Biebrich verlieh Baer 1882 die Ehrenbürgerwürde.
Seine Auslegungen und Datierung von Texten galten als maßgebend für spätere Übersetzungen, z. B. von Adolph Neubauer.[7]
Baers liturgische Editionen wurden in vielen Synagogen verwendet; auf Avodat Yisrael gehen viele nachfolgende Siddur-Ausgaben zurück.[2]
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Seder Avodat Yisroel, Rödelheim, 1868
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bruno Baentsch: Baer, Seligmann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 46, Duncker & Humblot, Leipzig 1902, S. 212 f.
- Friedrich Wilhelm Bautz: Baer, Seligmann. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage. Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 341 .
- Rolf Faber: Seligmann Baer (1825–1897), Neue Erkenntnisse zu Leben und Werk des jüdischen Gelehrten aus Wiesbaden-Biebrich. in: Nassauische Annalen 112, Wiesbaden 2001, S. 445–477.
- Otto Renkhoff: Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten. 2. Auflage. Wiesbaden 1992. ISBN 3-922244-90-4, S. 26–27, Nr. 144.
- Friedrich Stummer: Baer, Seligmann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 525 f. (Digitalisat).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Isidore Singer, Richard Gottheil: BAER, SELIGMAN (SEKEL). In: Isidore Singer (Hrsg.): Jewish Encyclopedia. Funk and Wagnalls, New York 1901–1906.
- Werke als Digitalisate bei archive.org
- Dokumente zu Baer auf der Seite zur Synagoge Biebrich bei Allemannia Judaica
- Seligmann Baer im Wiesbadener Stadtlexikon
- Baer, Seligmann. Hessische Biografie. (Stand: 18. September 2022). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Erschienen in Adalbert Merx’ Archiv für wissenschaftliche Erforschung des Alten Testaments: Die Metheg - Setzung, nach ihren überlieferten Gesetzen dargestellt von S. Baer. Zum Druck befördert von F. Delitzsch, Bd. 1, Halle 1869, S. 55–67 (Digitalisat); Bd. 2, S. 194–207 (Digitalisat).
- ↑ a b c Isaak Dov Ber Markon: Art. BAER, SELIGMAN ISAAC, in: Encyclopaedia Judaica 2. A., Bd. 3, S. 53.
- ↑ Lawrence A. Hoffman: Beyond the Text: A Holistic Approach to Liturgy. Indiana University Press, 1989, S. 24ff
- ↑ Introduction to the Massoretico-Critical Edition of the Hebrew Bible, London 1897.
- ↑ Vgl. die Rezension in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 40 (1886), S. 743–758, Digitalisat.
- ↑ Bruno Baentsch: Baer, Seligmann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 46, Duncker & Humblot, Leipzig 1902, S. 212 f. Dieser verweist auf die Besprechung durch H. L. Strack in: Theologische Literatur-Zeitung 8 (1879).
- ↑ Paul Kahle: The Hebrew Ben Asher Bible Manuscripts. In: Vetum Testamentum. Brill, 1951, S. 163
Personendaten | |
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NAME | Baer, Seligmann |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher jüdischer Gelehrter und Masora-Spezialist |
GEBURTSDATUM | 18. September 1825 |
GEBURTSORT | Mosbach |
STERBEDATUM | 31. März 1897 |
STERBEORT | Biebrich |