Sentia Secunda

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Sentia Secunda war eine antike römische Glasmacherin. Sie wirkte wohl im 2. Jahrhundert in Aquileia. Sentia Secunda ist eine der wenigen bekannten weiblichen Glasproduzenten der Antike.[1]

Unten hinten rechts die Flasche der Sentia Secunda aus Brandgrab 99a in Linz

Sie ist seit 1926, als zwei rechteckige Doppelhenkelflaschen der Form Isings 90[2] in zwei Brandgräbern in Linz (dem antiken Lentia) gefunden wurden, bekannt. Nach den Inschriften am Flaschenboden war Sentia Secunda die Produzentin der Flaschen und hatte diese in Aquileia gefertigt (lateinisch SENTIA SE/CVNDA FA/CIT AQ(uileiae) VITR(a)). Signaturen auf Glaswaren sind nicht ungewöhnlich, auch wenn sie selten derart aussagekräftig sind. Bekannt sind etwa 130 Namen von Personen im Glas produzierenden Gewerbe. Überaus ungewöhnlich indes ist die zusätzliche Nennung des Produktionsortes zum Namen, was wohl als werbendes Argument für potentielle Käufer zu verstehen ist. Einmalig ist sogar, dass die Ortsangabe hier sicher mit dem Produktionsort identisch ist und nicht wie bei den übrigen Ortsangaben, etwa von Ennion, auch den Herkunftsort der Handwerker bezeichnen kann. 2004 wurde in Ribnica in Slowenien ein weiteres Bodenfragment einer Flasche gefunden; die nur in Teilen erhaltene Signatur entspricht der von Sentia Secunda schon bekannten. Trotz der klaren Benennung als Herstellerin der Gläser wurde Sentia Secunda in der älteren Forschung nicht als Produzentin, sondern als Hüttenbesitzerin angesehen. Noch zu Beginn der 2000er Jahre führte sie Axel von Saldern in seinem Band zum antiken Glas in dieser Weise im Rahmen des Handbuchs der Archäologie, während sich sonst die Ansicht einer selbst tätigen Handwerkerin schon durchgesetzt hatte.

Dem Namen nach zu urteilen, gehörte Sentia Secunda zur Gens der Sentier, einem Familienverband, der in Phönizien beheimatet war und offenbar nach Italien expandierte. Mundgeblasenes Glas hatte zunächst ein Produktionszentrum in Phönizien. Es ist möglich, dass ein Teil der Familie nach Italien ging, um dort die Produktion von Glas nach „sidonischer Art“ einzuführen.

Über die Inschriften hinausgehende Informationen zu Sentia Secunda sind nicht bekannt, die Lokalisierung etwa der Glashütte in Aquileia ist bislang nicht gelungen. Auch eine genauere Datierung der Gläser ist bislang nicht möglich. Trotz der wenigen Informationen ist Sentia Secunda mehrfach Projektionsfläche für Rekonstruktionsversuche der Lebensgeschichten römischer Handwerkerinnen geworden. So ließ etwa Karl Plepelits in seinem Buch Römische Ferien oder mit der Zeitmaschine in die Römerzeit auch Sentia Secunda eine tragende Rolle in einer fiktiven Geschichte spielen,[3] während das Archäologische Nationalmuseum Aquileia ebenfalls auf seiner Webseite eine fiktive Autobiografie von ihr präsentiert.[4]

Bei den drei bekannten Stücken mit der Signatur Sentia Secundas handelt es sich um:

  • rechteckige Doppelhenkelflasche der Form Isings 90, fast vollständig in vielen Bruchstücken erhalten und wieder zusammengesetzt; gefunden 1926 im Brandgrab 99a in Linz (Lentia), Österreich, heute im Oberösterreichischen Landesmuseen in Linz; Inschrift (ergänzt): lateinisch SENTIA SE/CVNDA FA/CIT AQ(uileiae) VITR(a), Sentia Secunda macht Glas in Aquileia.[5]
  • rechteckige Doppelhenkelflasche der Form Isings 90, fast vollständig in vielen Bruchstücken erhalten und wieder zusammengesetzt; gefunden 1926 im Brandgrab 99c in Linz (Lentia), Österreich, heute im Oberösterreichischen Landesmuseen in Linz; Inschrift: lateinisch SENTIA SECVNDA / FACIT AQVILEIAE, Sentia Secunda macht (es) in Aquileia.
  • Bodenfragment; gefunden 2004 in Ribnica, Slowenien; fragmentierte Inschrift (ergänzt): lateinisch CIT AQ(uileiae) / CVND.[6]
  • E. Marianne Stern: Roman Mold-Blown Glass: The First through Sixth Centuries. «L’ERMA» di Bretschneider/Toledo Museum of Art, Rom 1995, ISBN 88-7062-916-3, S. 69, 73, 101 (Google Books).
  • Fulvia Mainardis: Sentia Secunda e le altre. Le donne produttrici di vetro nel mondo romano. In: Alfredo Buonopane, Francesca Cenerini (Hrsg.): Donna e lavoro nella documentazione epigrafica. Atti del I. Seminario sulla condizione femminile nella documentazione epigrafica (Bologna, 21 novembre 2002). Fratelli Lega, Faenza 2003, ISBN 978-88-7594-075-1, S. 87–112 (Digitalisat).
  • Axel von Saldern: Antikes Glas (= Handbuch der Archäologie). C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51994-6, S. 234, 314, 484, 503, 530, 569, 574, 579, 632, 648 (Google Books).
  • Stefan F. Pfahl: Fecit Romae – Made in Rome. Römische Geschirre mit Fabrikantennamen und Ortsangaben. Wellem, Duisburg 2019, ISBN 978-3-941820-23-4, insbesondere S. 22–28.
Commons: Sentia Secunda – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Siehe dazu mit Auflistung aller Namen und Belege Fulvia Mainardis: Sentia Secunda e le altre. Le donne produttrici di vetro nel mondo romano. In: Alfredo Buonopane, Francesca Cenerini (Hrsg.): Donna e lavoro nella documentazione epigrafica. Atti del I. Seminario sulla condizione femminile nella documentazione epigrafica (Bologna, 21 novembre 2002). Fratelli Lega, Faenza 2003, ISBN 978-88-7594-075-1, S. 87–112.
  2. Nach Clasina Isings: Roman glass from dated finds. Groningen 1957, Nr. 90.
  3. Karl Plepelits: Römische Ferien, oder: Mit der Zeitmaschine in die Römerzeit. Röschnar, Klagenfurt 1998, ISBN 3-85277-029-7.
  4. Sentia Secunda maestra vetraia – Museo archeologico nazionale AQUILEIA. Abgerufen am 26. Januar 2022.
  5. Glasflasche. In: ooegeschichte.at. Virtuelles Museum Oberösterreich, abgerufen am 26. Januar 2022.
  6. Irena Lazar: Some Interesting New Finds from Slovenia - Fragment of the Base of a Bottle with the Inscription SENTIA SECUNDA. In: Instrumentum. Bulletin du Groupe de travail européen sur l'artisanat et les productions manufacturées dans l'Antiquité. Band 21, 2005 (Digitalisat).