Share to Care
SHARE TO CARE (S2C) ist ein deutsches Programm zur Modernisierung der Arzt-Patientenbeziehung durch systematischen Einsatz von Partizipativer Entscheidungsfindung. Es zielt darauf, dass bei gesundheitlichen Entscheidungen Patienten und die sie Behandelnden zu einer gemeinsam verantworteten Übereinkunft über die angemessene Behandlung kommen können. Wesentlicher Bestandteil dieser Vorgehensweise ist der Informationsaustausch durch Medizinische Entscheidungshilfen.[1]
Inhalte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eckpunkte des S2C-Programms sind die vier Komponenten
- Online-Entscheidungshilfen[2][3]
- Aktivierende Elemente für Patienten: Patienten werden angeleitet, sich aktiv an ihren Therapieentscheidungen zu beteiligen[4][5]
- Qualifizierung von Pflegepersonal oder Praxispersonal zu Coaches, die dabei helfen, diese Entscheidungshilfen zu nutzen[6][7]
- Arzttraining, das darin schult, Gespräche im Sinne von gemeinsamer Entscheidungsfindung zu gestalten[8]
In den Online-Entscheidungshilfen finden Patientinnen und Patienten auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse Informationen zu ihren Handlungsmöglichkeiten: veranschaulicht durch Infografiken, Erklärfilme von Ärztinnen und Ärzten sowie Videos mit Patientenberichten. Jede Entscheidungshilfe besteht aus vier Bausteinen:[9]
- Informationen zur Erkrankung
- Informationen zu den Behandlungsmöglichkeiten, welchen Nutzen und welche Risiken sie haben
- Eine Zusammenfassung plus der häufigsten Fragen und Antworten und einem Dokument, mit dem sich die wissenschaftlichen Grundlagen der Entscheidungshilfe nachvollziehen lassen
- Einem interaktiven Bereich, in dem man eigene Gedanken eintragen kann. Aus dem Zusammengetragenem können die eigenen Entscheidungen entwickelt werden.
Als Leitfaden für das Arzt-Gespräch dienen „Drei Fragen“[10], die der Patient stellen sollte:
- Welche Möglichkeiten habe ich? (inklusive Abwarten und Beobachten)
- Was sind die Vorteile und Nachteile jeder dieser Möglichkeiten?
- Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Vorteile und Nachteile bei mir auftreten?
Qualitätssicherung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Entscheidungshilfen werden auf Grundlage eines Methodenkatalogs erstellt.[1] Sie sind evidenzbasiert und berücksichtigen international konsentierte Qualitätskriterien für Medizinische Entscheidungshilfen.[11] Das Erstellen der Entscheidungshilfen folgt einem standardisierten, strukturierten Prozess: Festlegen des genauen Themas, systematische Recherche nach aktueller wissenschaftlicher Literatur, Produktion kurzer Videoclips mit Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten, Schreiben allgemeinverständlicher Texte, Nutzertestung. Jede fertige Entscheidungshilfe wird einem externen Review unterzogen.
Die kontinuierliche externe Qualitätssicherung aller S2C-Entscheidungshilfen erfolgt im Rahmen des Programms Verlässliches Gesundheitswissen des Deutschen Netzwerks Gesundheitskompetenz.[12] Machbarkeit, Akzeptanz und Wirksamkeit des Programms werden durch wissenschaftliche Studien untersucht.[13][14][15][16]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das deutsche Patientenrechtegesetz schreibt vor, dass alle medizinisch vertretbaren Behandlungsoptionen unter Einbeziehung der bestverfügbaren medizinischen Evidenz sowie der Patientenpräferenzen zwischen Arzt und Patient gegeneinander abgewogen werden müssen, um eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Dafür wird die Methode der Partizipativen Entscheidungsfindung (englisch: Shared Decision Making (SDM)) als der Goldstandard angesehen.[17]
Vor diesem Hintergrund ist das Programm Share to Care („S2C“) im Rahmen eines vom Innovationsausschuss beim GbA zwischen 2017 und 2021 geförderten Projekts (Making Shared Decision Making a Reality) entstanden.[18][19] Es wurde am Universitätsklinikum Schleswig Holstein (Campus Kiel) erstmalig in der Krankenhausversorgung eingeführt. Seit 2019 wird das S2C-Programm in Bremen für den hausärztlichen Bereich angepasst.[20][21]
Ab September 2021 wird das Projekt in Kiel durch einen Selektivvertrag mit der Techniker Krankenkasse weitergefördert. In diesem Rahmen wurde das Nationale Kompetenzzentrum für Shared Decision Making am Universitätsklinikum gegründet.[22] In Bremen fördern Krankenkassen SDM nach dem S2C-Programm mit einer gezielten Vergütung in Rahmen der Hausarztzentrierten Versorgung.[1]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c Anne Rimmer, Friedemann Geiger, Fülöp Scheibler et al.: Das SHARE TO CARE–Programm. Methodenreport. Version 1.0. Share To Care. Patientenzentrierte Versorgung GmbH, Köln / Kiel 9. Juli 2021 (archive.org [PDF]).
- ↑ Liste der Entscheidungshilfen im Share to Care Programm Kiel. In: Uniklinikum Schleswig-Holstein. Abgerufen am 25. März 2022.
- ↑ Friedemann Geiger, Svenja Ludwig, Ulrich Rüffer, Fülöp Scheibler: Share to Care - Entscheidungshilfen-Report, Stand 30.9.2021. Share to Care GmbH Köln und Nationales Kompetenzzentrum für Shared Decision Making Kiel, 30. September 2021 (archive.org [PDF]).
- ↑ Aktivierung von Patienten im Share to Care Programm. Uniklinikum Schleswig Holstein, abgerufen am 25. März 2022.
- ↑ Patientinnen und Patienten informieren und motivieren | SDM Bremen. In: Shared Decision Making | KVHB Bremen. Abgerufen am 25. März 2022 (deutsch).
- ↑ SDM-Qualifizierung von Pflegekräften (stationärer Bereich) im Share to Care Programm. Uniklinikum Schleswig-Holstein, abgerufen am 25. März 2022.
- ↑ Qualifizierung von Praxispersonal bei Shared Decision Making. In: Shared Decision Making | KVHB Bremen. Abgerufen am 25. März 2022 (deutsch).
- ↑ Ärztetraining im Rahmen des Share to Care Programms. Uniklinikum Schleswig-Holstein, abgerufen am 25. März 2022.
- ↑ Silke Jäger: Share to Care: Besser entscheiden in der Klinik. Wie eine Uni-Klinik informierte Gesundheitsentscheidungen ermöglicht. In: RiffReporter. 29. März 2021, abgerufen am 25. März 2022.
- ↑ Drei Fragen. Gemeinsam entscheiden. Handkarte für Patienten des Share to Care Porgramms. (PDF) Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Share to Care GmbH, archiviert vom am 25. März 2022; abgerufen am 25. März 2022. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ The International Patient Decision Aid Standards (IPDAS) Collaborations Quality Dimensions: Theoretical Rationales, Current Evidence, and Emerging Issues. BMC Medical Informatics and Decision Making 2013 13 (Suppl 2).
- ↑ Gesundheitsinformationen, Qualität von Internetportalen. 5. März 2022, archiviert vom am 5. März 2022; abgerufen am 25. März 2022. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Marion Danner, Friedemann Geiger, Kai Wehkamp, Jens Ulrich Rueffer, Christine Kuch: Making shared decision-making (SDM) a reality: protocol of a large-scale long-term SDM implementation programme at a Northern German University Hospital. In: BMJ Open. Band 10, Nr. 10, 1. Oktober 2020, ISSN 2044-6055, S. e037575, doi:10.1136/bmjopen-2020-037575, PMID 33039998 (bmj.com [abgerufen am 25. März 2022]).
- ↑ Friedemann Geiger, Anna Novelli, Daniela Berg, Claudia Hacke, Leonie Sundmacher, Olga Kopeleva, Fülöp Scheibler, Jens-Ulrich Rüffer, Christine Kuch, Kai Wehkamp: Klinikweite Implementierung von Shared Decision Making. Erste Ergebnisse des Kieler Innovationsfondsprojekts zum SHARE TO CARE Programm. In: Dtsch Arztebl Int. Band 118, 2. April 2021, S. 225–226, doi:10.3238/arztebl.m2021.0144 (aerzteblatt.de [PDF; abgerufen am 25. März 2022]).
- ↑ Kai Wehkamp, Felicia Beatrice Kiefer, Friedemann Geiger, Fueloep Scheibler, Jens Ulrich Rueffer: Enhancing Specific Health Literacy with a Digital Evidence-Based Patient Decision Aid for Hypertension: A Randomized Controlled Trial. In: Patient preference and adherence. Band 15, 14. Juni 2021, ISSN 1177-889X, S. 1269–1279, PMID 34163144.
- ↑ Friedemann Geiger, Claudia Hacke, Judith Potthoff, Fueloep Scheibler, Jens Ulrich Rueffer: The effect of a scalable online training module for shared decision making based on flawed video examples – a randomized controlled trial. In: Patient Education and Counseling. Band 104, Nr. 7, 1. Juli 2021, ISSN 0738-3991, S. 1568–1574, doi:10.1016/j.pec.2020.11.033.
- ↑ Anne Rummer, Fülöp Scheibler: Patientenrechte: Informierte Entscheidung als patientenrelevanter Endpunkt. In: Dtsch Arztebl. Band 113, Nr. 8, 26. Februar 2016, S. A-322 (aerzteblatt.de [PDF]).
- ↑ Making SDM a Reality – Vollimplementierung von Shared Decision Making im Krankenhaus. G-BA Innovationsfonds, abgerufen am 25. März 2022.
- ↑ Philipp Ollenschläger: DNGK: SHARE TO CARE - gemeinsam gute Gesundheitsentscheidungen treffen. In: Qualitas. Band 21, Nr. 4. Springer, Wien 2021, S. 34–35 (dnb.de [abgerufen am 26. März 2022]).
- ↑ SDM in der Hausärztlichen Versorgung: Das Projekt SDM in Bremen. Share to Care GmbH, 2021, abgerufen am 25. März 2022.
- ↑ Helmut Laschet: Shared Decision Making in der hausärztlichen Praxis. Hausarztzentrierte Versorgung in Bremen. In: Ärztezeitung. Springer, 28. September 2020, abgerufen am 26. März 2022.
- ↑ Nationales Kompetenzzentrum für Shared Decision Making am UKSH. Uniklinikum Schleswig-Holstein, 2021, abgerufen am 25. März 2022.