Sofia Asgatowna Gubaidulina

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Sofia Gubajdulina)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Sofia Asgatowna Gubaidulina (russisch София Асгатовна Губайдулина, wiss. Transliteration Sofija Asgatovna Gubajdulina, tatarisch Sofia Äsğät qızı Ğöbäydullina; * 24. Oktober 1931 in Tschistopol, Tatarische Autonome Sowjetrepublik) ist eine russische Komponistin.

Sofia Gubaidulina in Sortawala, 1981

Sofia Gubaidulina wurde in der Stadt Tschistopol in der Tatarischen Autonomen Republik in einer tatarisch-russischen Familie geboren. Ihr Vater, Asgat Masgudowitsch Gubaidulin, war Ingenieurgeodät. Die Mutter, Fedossija Fedorowna Gubaidulina, geb. Jelchowa, war Lehrerin. Der Großvater, Masgud Gubaidulin, war Mullah. Gubaidulina selbst bekennt sich zum Russisch-Orthodoxen Glauben; sie ließ sich im März 1970 russisch-orthodox taufen.[1][2] Sie war insgesamt drei Mal verheiratet.

Im Jahre 1932 übersiedelte die Familie nach Kasan. Gubaidulina studierte Komposition und Klavier am Konservatorium von Kasan unter anderem bei Grigori Kogan und führte nach dem Abschluss 1954 ihre Studien in Moskau bis 1963 fort. Als Studentin wurde sie mit einem Stalin-Stipendium ausgezeichnet.[3] Während dieser Studien wurde ihre Musik als „pflichtvergessen“ bezeichnet, aber Dmitri Schostakowitsch ermutigte sie, ihren „Irrweg“ fortzusetzen.

In der Mitte der 1970er Jahre gründete Gubaidulina gemeinsam mit den Komponisten Viktor Suslin und Wjatscheslaw Artjomow das Ensemble Astreja, das auf Instrumenten der russischen Volksmusik improvisierte. In den sechziger und siebziger Jahren waren ihre Werke in der Sowjetunion verboten, weil ihre Musik nicht den Vorstellungen des Sozialistischen Realismus entsprach.

Ihr Erfolg im Westen wurde vor allem vom Geiger Gidon Kremer (später auch von Reinbert de Leeuw) unterstützt, der ihr erstes Violinkonzert Offertorium 1981 uraufführte. Seitdem gehört Sofia Gubaidulina zusammen mit Alfred Schnittke und Edisson Denissow zu den führenden, weltweit anerkannten Komponisten Russlands der Ära nach Schostakowitsch.

Im Jahr 2000 erhielt Gubaidulina gemeinsam mit Tan Dun, Osvaldo Golijov und Wolfgang Rihm von der Internationalen Bachakademie Stuttgart einen Kompositionsauftrag zum Projekt Passion 2000 (im Gedächtnis von J. S. Bach). Ihr Beitrag war eine Johannespassion. 2002 folgte die Komposition Johannes-Ostern. Beide Werke bilden ein Diptychon über Tod und Auferstehung Christi; das umfangreichste Werk Gubaidulinas bisher. Das 2. Violinkonzert In tempus praesens ist Anne-Sophie Mutter gewidmet. 2003 war sie auf Einladung von Walter Fink die erste Frau, die beim jährlichen Komponistenporträt des Rheingau Musik Festivals auftrat.

Sofia Gubaidulina lebt seit 1992 in Deutschland und wohnt in Appen (Kreis Pinneberg). Sie ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, der Freien Akademie der Künste in Hamburg sowie der Königlich Schwedischen Musikakademie Stockholm sowie Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters. Im Jahre 1990 wurde sie zum Mitglied des Komitees für Verleihung der Lenin-Preise ernannt.[3] Im Jahre 1999 wurde sie in den Orden Pour le Mérite aufgenommen. Seit dem Jahre 2001 ist sie Ehrenprofessorin des Konservatoriums von Kasan, seit 2005 auch an den Konservatorien von Beijing und Tianjin.

2018 wurde sie in die Academy of Motion Picture Arts and Sciences berufen, die jährlich die Oscars vergibt.[4]

David Geringas schreibt, dass ihre Musik für den „Zusammenhang des Rationalen und des Irrationalen“ stehe, diese stehen nicht nur nebeneinander, sondern seien oft im gleichen Moment ein und dasselbe. Darin gleiche ihre Musik der von Johann Sebastian Bach.[5]

Werke (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Chaconne für Klavier (1963)
  • Streichquartett Nr. 1 (1971)
  • Fairytale Poem [Märchenpoem] für Orchester (1971)
  • Detto II für Cello und dreizehn Instrumente (1972)
  • Konzert für Fagott und tiefe Streicher (1975)
  • Duosonate für zwei Fagotte (1977)
  • Lamento für Tuba und Klavier (1977)
  • De Profundis für Bajan solo (1978)
  • Introitus für Klavier und Orchester (1978)
  • In croce für Orgel und Cello (1979)
  • Garten von Freuden und Traurigkeiten für Flöte, Viola und Harfe (1980)
  • Offertorium Violinkonzert, gewidmet Gidon Kremer (UA: 30. Mai 1981 in Wien)
  • Freuet euch! Sonate für Violine und Cello (1981)
  • Silenzio Fünf Stücke für Bajan, Violine und Cello (1981)
  • Sieben Worte Jesu am Kreuz für Violoncello, Bajan und Streicher (1982)
  • Quasi hoquetus für Viola, Fagott und Klavier (1984/85)
  • Et Exspecto. Sonate für Bajan solo (1985)
  • Sinfonie Stimmen ... verstummen ... (1986)
  • Hommage à T.S. Eliot für Oktett und Sopran (1987)
  • Streichquartett Nr. 2 (1987)
  • Streichquartett Nr. 3 (1987)
  • Streichtrio (1988)
  • Sinfonie Alleluja (1990)
  • Silenzio. Fünf Stücke für Bajan, Violine und Violoncello (1991)
  • Jetzt immer Schnee. Fünf Stücke für Sprecher, Kammerensemble und Kammerchor nach Texten von Gennadi Aigi (1993)
  • Streichquartett Nr. 4 (1993, mit Klang vom Tonband)
  • Musik für Flöte, Streicher und Schlagzeug (1994)
  • Aus den Visionen der Hildegard von Bingen. Für Contraalt Solo (1994)
  • Und das Fest ist in vollem Gang (Cellokonzert), David Geringas gewidmet (1994)
  • Konzert für Viola und Orchester (1997)
  • Der Sonnengesang für Violoncello, Chor, Schlagzeug und Celesta (1997, 1998 Uraufführung mit Mstislaw Rostropowitsch)
  • Two Paths (Zwei Wege) – A Dedication to Mary and Martha (1999), für 2 Bratschen und Orchester. Fassung für 2 Violoncelli und Orchester von Johannes X. Schachtner (2014)
  • Johannespassion (2000 in russischer Sprache)
  • Johannes-Ostern (2001 in russischer Sprache)
  • Im Zeichen des Skorpions. Variationen über sechs Hexachorde für Bajan und Orchester (2003)
  • Am Rande des Abgrunds für sieben Violoncelli und zwei Waterphones (2003)
  • In tempus praesens 2. Violinkonzert, gewidmet Anne-Sophie Mutter (UA 2007 in Luzern)
  • Glorious Percussion, Konzert für Schlagzeugensemble und Orchester (UA 2008)
  • O Komm, Heiliger Geist, Kantate für Sopran, Bass, Chor, Orchester (UA 2015 in Dresden, Ltg. Andres Mustonen)
  • Über Liebe und Hass, neunteiliges Oratorium (UA 2016 in Tallinn)
  • Tripelkonzert für Violine, Violoncello, Bajan und Orchester (UA 2017 in Boston)
  • Der Zorn Gottes für Orchester (UA coronabedingt 2020 als gestreamtes Konzert in Wien, 2022 in Präsenz in Berlin)[6]
  • Werke für Kontrabass, Klavier und Bayan, 2013, Wergo WER 6760 2 (Note 1)
  • Michael Kurtz: Sofia Gubaidulina. Eine Biographie. Urachhaus, Stuttgart 2001, ISBN 3-8251-7226-0.
  • Rainer Nonnenmann: musica contemplativa. Eine Porträtskizze von Sofia Gubaidulina, in: MusikTexte 93, Köln 2002, S. 19–23.
  • Sofia Gubaidulina, in Sowjetische Musik im Licht der Perestroika: Interpretationen, Quellentexte, Komponistenmonographien. Hg. Hermann Danuser u. a. Laaber-Verlag 1990, S. 345–347.
  • Boris Belge: Klingende Sowjetmoderne. Eine Musik- und Gesellschaftsgeschichte des Spätsozialismus, Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2018, ISBN 978-3-412-51066-4.
  • Dorothea Redepenning, Passion und Auferstehung. Sofia Gubaidulinas Zyklus „Johannes-Passion“ und „Johannes-Ostern“, in: MusikTexte. Zeitschrift für neue Musik, 93 (Mai 2002), 27–35.
  • Dorothea Redepenning, „ ... und das Wort – war Gott.“ Zu Sofia Gubaidulinas Johannes-Passion, in: Passion 2000, Schriftenreihe der Internationalen Bachakademie Stuttgart, Bd. 11, Kassel usw. 2000, hrsg. v. Christian Eisert, 154–162.
  • David Geringas: Und das Fest ist in vollem Gang, FAZ 22. Oktober 2021 (Artikel zum 90. Geburtstag).
  • Olga Il-Börner: Die Musik Sofia Gubaidulinas. Königshausen & Neumann, Würzburg 2023, ISBN 978-3-8260-7684-8.

Dokumentarfilme

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Ein Schritt zu meiner Sehnsucht. Die Komponistin Sofia Gubaidulina. Dokumentarfilm, Deutschland, 1996, 60 Min., Buch und Regie: Klaus Voswinckel, Produktion: Klaus Voswinckel Filmproduktion, Bayerischer Rundfunk, SDR, Film-Informationen von ARD.
  • Sophia. Biography of a Violin Concerto. Dokumentarfilm mit Sofia Gubaidulina und Anne-Sophie Mutter, Deutschland, 2011, 56 Min., Buch und Regie Jan Schmidt-Garre, Produktion: Naxos Deutschland GmbH, Verleih: ArtHaus Musik

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. viperson.ru
  2. biografija.ru
  3. a b Walentina Nikolajewna Cholopowa: Der Komponist Alfred Schnittke. In: yanko.lib.ru. Verlag Arkaim, 2003, S. 40, 215; (russisch).
  4. Academy invites 928 to Membersphip. In: oscars.org (abgerufen am 26. Juni 2018).
  5. David Geringas: Und das Fest ist in vollem Gang, FAZ 22. Oktober 2021 (Artikel zum 90. Geburtstag)
  6. Julia Spinola: Sofia Gubaidulinas „Der Zorn Gottes“ beim Musikfest berlin. In: Süddeutsche Zeitung online. 14. September 2022, abgerufen am 18. September 2022.
  7. The Musical Composition Prize 1987 | Fondation Prince Pierre In: fondationprincepierre.mc, abgerufen am 23. Dezember 2021.
  8. a b Koussevitzky International Recording Award (KIRA) Winners In: musiciansclubofny.org, abgerufen am 27. August 2018.
  9. Premio Abbiati ● 1990–91 III Quartetto di Sofia Gubaidulina (Memento vom 27. Juli 2014 im Internet Archive) In: criticimusicali.it, abgerufen am 27. August 2018.
  10. Bisherige Preisträger In: braunschweig.de, abgerufen am 27. August 2018.
  11. 6th Roche Commission goes to Sofia Gubaidulina (Memento vom 8. September 2012 im Webarchiv archive.today) In: Roche.com, 27. August 2010.
  12. ISCM Honorary Members