Soziologie im Nationalsozialismus/Berufungen westdeutscher Soziologieprofessoren in der Nachkriegszeit

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In dieser Liste von Berufungen werden Soziologen aufgeführt, die von 1947 bis 1962 in Westdeutschland eine Professur antraten. Sie endet 1962, dem Jahr, in dem mit Hans Linde, der letzte Soziologe auf einen Lehrstuhl berufen wurde, der bereits in der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft wissenschaftlich tätig gewesen war.[1] Nicht gelistet sind Hans Freyer und Gunther Ipsen, die im „Dritten Reich“ Soziologieprofessoren gewesen waren und in der Bundesrepublik an der Universität Münster als Emeriti lehrten.

Jahr der Berufung Name Hochschule Titel Wissenschaftliche Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus
1947 Arnold Gehlen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Professor für Psychologie und Soziologie Professor für Philosophie in Leipzig (1934), Königsberg (1938), Wien (1940).
1947 Alfred von Martin Universität München Außerordentlicher Professor für Soziologie[2] Seit 1932 Privatgelehrter, Innere Emigration.
1948 Gerhard Mackenroth Universität Kiel Professor für Soziologie und Sozialwissenschaft Außerordentlicher Professor für Theoretische Nationalökonomie, Wirtschaftspolitik und Statistik in Kiel (1934), Reichsuniversität Straßburg (1941). Leiter der Hochschularbeitsgemeinschaft für Raumforschung Straßburg.
1948 Herbert Sultan Universität Heidelberg Außerordentlicher Professor für Finanzwirtschaft[3] Bevölkerungsstatistische Auftragsarbeit im englischen Exil.
1949 Max Horkheimer Universität Frankfurt am Main Professor für Philosophie und Soziologie Leitung des Instituts für Sozialforschung im amerikanischen Exil.
1949 René König Universität Köln Professor für Soziologie Privatdozent und außerordentlicher Professor für Soziologie im schweizerischen Exil.
1949[4] Helmut Schelsky Akademie für Gemeinwirtschaft, Hamburg[5] Professor für Soziologie Assistent Arnold Gehlens in Leipzig und Königsberg sowie Hans Freyers in Budapest, Professor für Soziologie der Reichsuniversität Straßburg (1943), Lehrbetrieb konnte nicht mehr aufgenommen werden.
1949 Max Ernst zu Solms-Rödelheim Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft, Wilhelmshaven Professor für Soziologie „Kriegswichtige Forschung“ für die Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung.[6]
1951 Otto Stammer Freie Universität Berlin Außerordentlicher Professor für Politikwissenschaft und Soziologie[7] Keine wissenschaftliche Tätigkeit (Manager in verschiedenen Positionen in der pharmazeutischen Industrie).
1951 Werner Ziegenfuß Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg Professor für Soziologie Ab 1942 habilitierter Dozent für Wirtschaftspädagogik der Wirtschaftshochschule Berlin.
1953 Theodor W. Adorno Universität Frankfurt am Main Außerordentlicher Professor für Philosophie und Soziologie[8] Mitarbeiter des Instituts für Sozialforschung im amerikanischen Exil.
1953 Carl Jantke Akademie für Gemeinwirtschaft, Hamburg[9] Professor für Soziologie Seit 1939 habilitierter Dozent an der Universität Königsberg, der Ostpreußischen Verwaltungsakademie und der Handelshochschule Königsberg. Seit 1936 beteiligte sich Jantke im Rahmen der Hochschularbeitsgemeinschaft für Raumforschung Königsberg an "Erhebungen über die ländlichen Wohnverhältnisse in Ostpreußen."[10]
1954 Arnold Bergstraesser Universität Freiburg im Breisgau Professor für Soziologie und Politikwissenschaft 1933 bis 1934 Professor an der Staats- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Heidelberg. Nach der Emigration (1937) bis 1954 Lehre an verschiedenen amerikanischen Universitäten, zuletzt als Professor für Deutsche Literatur und Geschichte an der Universität Chicago.
1955 Hans-Joachim Lieber Freie Universität Berlin Professor für Philosophie und Soziologie Keine wissenschaftliche Tätigkeit (Student, Promotion 1945).
1955 Karl Valentin Müller Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg Professor Soziologie und Sozialanthropologie Betrieb seit 1938 als Professor an der Universität Leipzig und der Universität Prag Rassenforschung. Stellvertretender Leiter der Prager Hochschularbeitsgemeinschaft für Raumforschung.
1956 Walter Sulzbach Universität Frankfurt am Main Professor für Soziologie und Politikwissenschaft Exil: Professor für Soziologie an einem College in Claremont (Kalifornien).
1956 Gerhard Wurzbacher Universität Kiel Professor für Soziologie Bevölkerungsstudien als Gaueinsatzreferent in der Grenzmark Posen-Westpreußen, 1939 promoviert. Stipendiat der Berliner Hochschularbeitsgemeinschaft für Raumforschung.
1957 Eduard Baumgarten Wirtschaftshochschule Mannheim Professor für Soziologie Habilitation 1936, seit 1940 Professor für Philosophie an der Universität Königsberg
1957 Julius Kraft Universität Frankfurt am Main Professor für Gesellschaftswissenschaft Exil: 1939 Privatdozent an der Universität Utrecht, später Dozent an amerikanischen Hochschulen.
1957 Wilhelm Emil Mühlmann Universität Mainz Professor für Ethnologie und mit einer Venia für „Soziologie, speziell Völkerpsychologie“ Habilitation 1938, ab 1939 Privatdozent für Völkerkunde und Völkerpsychologie am Kaiser-Wilhelm-Institut, Berlin.
1958 Ralf Dahrendorf Akademie für Gemeinwirtschaft, Hamburg Professor für Soziologie Keine, Beginn des Studiums nach 1945.
1958 Emerich K. Francis Universität München Professor für Soziologie Im englischen und kanadischen Exil keine.
1959 Hans Paul Bahrdt Technische Hochschule Hannover außerordentlicher Professor für Soziologie Keine, Beginn des Studiums nach 1945.
1959 Karl Gustav Specht Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg Professor für Soziologie Assistent bei Leopold von Wiese.
1960 Heinz Maus Universität Marburg Professor für Soziologie Keine, mehrfach inhaftiert.
1961 Karl Martin Bolte Akademie für Gemeinwirtschaft, Hamburg Professor für Soziologie Keine, Beginn des Studiums nach 1945.
1961 Heinz Kluth Universität Hamburg Professor für Soziologie Keine, Beginn des Studiums nach 1945.
1961 Walter Rüegg Universität Frankfurt am Main Professor für Soziologie Keine, Schweizer Staatsbürger, Gymnasiallehrer in Zürich
1962 Dieter Claessens Universität Münster Professor für Soziologie Keine, Beginn des Studiums nach 1945.
1962 Gottfried Eisermann Universität Bonn Professor für Soziologie Keine, Studienabschluss erst 1945.
1962 Christian von Ferber Technische Hochschule Hannover Professor für Soziologie Keine, Studienabschluss erst 1945.
1962 Ludwig von Friedeburg Freie Universität Berlin Professor für Soziologie Keine, Studienabschluss erst 1945.
1962 Hans Linde Technische Hochschule Karlsruhe Professor für Soziologie Forschungen für die Reichsstelle für Raumordnung.
1962 Ernst Topitsch Universität Heidelberg Professor für Soziologie Keine, Ende des Studiums erst nach Kriegsende.

Einzelnachweise

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  1. Basis der Angaben ist: Nicole Holzhauser, Andrea Ploder, Stephan Moebius, Oliver Römer, Handbuch Geschichte der deutschsprachigen Soziologie. Band 3, Zeittafel. Springer VS, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-658-19986-9.
  2. Später: „Emeritierter kommissarischer ordentlicher Professor“
  3. Wird als Soziologe gelistet, siehe: Nicole Holzhauser, Andrea Ploder, Stephan Moebius, Oliver Römer, Handbuch Geschichte der deutschsprachigen Soziologie. Band 3, Zeittafel. Springer VS, Wiesbaden 2019, S. 45; ebenfalls bei Wilhelm Bernsdorf, Horst Knospe (Hrsg.): Internationales Soziologenlexikon. Band 1: Beiträge über bis Ende 1969 verstorbene Soziologen. 2. neubearbeitete Auflage. Enke, Stuttgart 1980, ISBN 3-432-82652-4, S. 420.
  4. Lehrstuhlvertretung bereits seit 1. November 1948, siehe Volker Kempf, Wider die Wirklichkeitsverweigerung. Helmut Schelsky. Leben, Werk, Aktualität. Olzog, München 2012, ISBN 978-3-7892-8335-2, S. 196 (Zeittafel).
  5. 1953 Wechsel an die Universität Hamburg.
  6. Carsten Klingemann: Soziologie und Politik. Sozialwissenschaftliches Expertenwissen im Dritten Reich und in der frühen westdeutschen Nachkriegszeit. VS, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 3-531-15064-2, S. 18.
  7. Ab 1954 Ordentlicher Professor.
  8. Ab 1956 Ordentlicher Professor.
  9. Ab 1957 Professor für „Wirtschafts- und Sozialgeschichte unter Einschluß der Soziologie“, Universität Hamburg.
  10. Jens Adamski: Ärzte des sozialen Lebens. Die Sozialforschungsstelle Dortmund 1946-1969. Essen (Klartext) 2009, S. 113 (Fußnote 194; nach Personalakte in der sfs).