Stadtfriedhof Bayreuth
Der Stadtfriedhof ist der älteste existierende Friedhof in Bayreuth.
Vorgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der als „Gottesacker“ bezeichnete Friedhof an der Bayreuther Stadtkirche wurde bis 1533 als solcher genutzt. In den folgenden zwölf Jahren bestattete man, um der Ansteckungsgefahr bei Seuchen zu begegnen, die Toten außerhalb der Mauern auf dem Friedhof der nahen Altenstadt.[1] Gegen Entrichtung einer Gebühr war indes ein Sonderbegräbnis in oder bei der Kirche möglich.[2]
Elf Jahre nach dem Beginn der Reformation schlossen sich 1528 die Landesherren der fränkischen markgräflichen Gebiete dem lutherischen Bekenntnis an. Entsprechend dem Prinzip „Cuius regio, eius religio“ mussten alle Bewohner Bayreuths den Glauben ihres Fürsten Georg annehmen.[3] Als Folge dieser Entwicklung wurde die Altenstädter Sankt-Nikolaus-Kirche aufgelöst und bald darauf abgebrochen.[4]
Geschichte und Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahr 1544 beschlossen der Bayreuther Bürgermeister und der Rat die Anlage eines näher an der Stadt gelegenen neuen „protestantischen“ Friedhofs. Am 3. November 1545 fand dort, gegenüber dem Siechhaus, das erste Begräbnis statt. Fortan wurde zwischen dem „äußeren Gottesacker“ in der Altenstadt und dem Bayreuther „inneren Gottesacker“ unterschieden. Offenbar grenzten die beiden Friedhöfe aneinander. Im Jahr 1624 wurde die Trennmauer abgetragen, von diesem Jahr an kam in allen Bayreuther Schriftstücken nur noch der heutige Stadtfriedhof vor.[2]
Zwischen der Erlanger Straße und dem Mistelbach gelegen, beherbergt er eine Reihe von Grabdenkmälern berühmter Persönlichkeiten. Unter anderem fanden dort Franz Liszt, Jean Paul, Emil Warburg, Oswald Merz, Siegfried, Wieland und Wolfgang Wagner sowie der Dirigent Hans Richter ihre letzte Ruhestätte. Das prunkvollste Grabmal ist die Grabkapelle des Herzogs Alexander von Württemberg.[5] Von überragender künstlerischer Qualität ist das Grabdenkmal der „Stecknadelbraut“, das um 1721 in der Werkstatt von Elias Räntz entstand.[6] Für Maria Anna Thekla Mozart, die 1841 auf dem Stadtfriedhof beerdigt wurde, wurde 1991 eine Gedenktafel angebracht.[7] Jean Pauls erster Grabstein steht heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg; er wurde 1860 durch einen Granit-Findling aus dem Fichtelgebirge ersetzt.[8] Der Schriftsteller Oskar Panizza, der 1921 in Bayreuth starb, wurde auf Betreiben seiner Familie ohne Grabstein bestattet. Nach einigen Jahren wurde sein Grab (Abteilung NW 2, Nr. 0507) neu belegt.[9]
Am östlichen Friedhofseingang befindet sich die Gottesackerkirche. Das erste Gebäude wurde 1562 erbaut und 1599 erweitert.[1] 1779 wurde es abgebrochen und 1781 durch die evangelisch-lutherische Friedhofskirche ersetzt, die im Volksmund den Namen weiterführt.[10] An jeder der vier Fassadenseiten ist eine lateinische Inschrift eingemeißelt (insgesamt drei Distichen):
Über dem Haupteingang gegen Süden und zur Erlanger Straße hin:
UT MORIENS VITAE TEMPLA SUBIRE QUEAS
Nordwärts zu den Gräbern hin:
UT TE LUX COELI DUM MORIERE BEET
Über der kleinen Tür gegen Westen:
Über dem Eingang gegen Süden:
Die Grabkapelle Franz Liszts wurde bei den Luftangriffen auf Bayreuth im April 1945 zerstört und in den 1970er Jahren wieder aufgebaut.[11] Im Oktober 1965 wurde die Aussegnungshalle ihrer Bestimmung übergeben.[12]
Auf dem Friedhof befinden sich zahlreiche Kriegsgräberstätten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, einschließlich der Nachkriegszeit: für Deutsche, Italiener, Rumänen, Russen, Ukrainer und andere Osteuropäer (in Bayreuth befand sich ein Lager für Displaced Persons). In 357 Einzelgräbern sind Kriegstote des Ersten Weltkriegs bestattet, in 101 Gräbern Tote des Zweiten Weltkriegs, einschließlich 70 Opfer der Luftangriffe auf Bayreuth vom April 1945. Letzteren – aus Bayreuth, aus anderen deutschen Städten und dem Ausland – wurde durch Angehörige ein Denkmal an der Grabstätte errichtet. In einer weiteren Sammelgrabstätte liegen 48 Kriegstote, davon 46 Ukrainer.[13]
In Erinnerung an die in der Zeit des Nationalsozialismus umgekommenen Sinti und Roma wurde im November 2023 ein aus vier Stelen bestehender Gedenk- und Lernort enthüllt. Insbesondere wird damit der Brüder Wilhelm und Max Rose, die im Konzentrationslager Dachau ermordet wurden, sowie der ebenfalls auf dem Stadtfriedhof beerdigten Hulda Siebert, die in Augsburg verhaftet wurde und sechzehnjährig im März 1945 in Polizeihaft in Würzburg starb, gedacht.[14][15]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Bernd Mayer: Kleine Bayreuther Stadtgeschichte. Pustet, Regensburg 2010, ISBN 978-3-7917-2266-5, S. 31.
- ↑ a b Karl Müssel: Bayreuth in acht Jahrhunderten. 1. Auflage. Gondrom, Bindlach 1993, ISBN 3-8112-0809-8, S. 56 f.
- ↑ Karl Müssel: Bayreuth in acht Jahrhunderten, S. 51.
- ↑ Gottfried Lindner, Wolfgang Bouillon: Unsere Altstadt. 100 Jahre Kirchengemeinde Bayreuth-Altstadt. 1898–1998. Heinz Späthling, Ruppertsgrün 1998, S. 26.
- ↑ Bernd Mayer: Geheimnisvolles Bayreuth. S. 16.
- ↑ Bernd Mayer: Vom grausigen Ende der Stecknadelbraut in: Heimatkurier 1/1997 des Nordbayerischen Kuriers, S. 7.
- ↑ Stephan-H. Fuchs: Bayreuth Chronik 1991. Gondrom, Bindlach 1991, ISBN 3-8112-0782-2, S. 175.
- ↑ Heimatkurier 2/2004 des Nordbayerischen Kuriers, S. 2.
- ↑ Umsunst gelebt? bei literaturportal-bayern.de, abgerufen am 28. September 2021
- ↑ Hermann Götzl: Bayreuth in alten Stadtansichten. Freunde des Historischen Museums Bayreuth e. V., Bayreuth 2012, OCLC 816286405, S. 16 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Bernd Mayer: Bayreuth im zwanzigsten Jahrhundert. S. 127.
- ↑ Bernd Mayer: Bayreuth im zwanzigsten Jahrhundert. S. 118.
- ↑ Stephan-H. Fuchs: Bayreuth Chronik 1992. 1. Auflage. Gondrom, Bindlach 1992, ISBN 3-8112-0793-8, S. 173.
- ↑ Ein Ort zum gedenken und erinnern in: Nordbayerischer Kurier vom 14. November 2023, S. 9.
- ↑ „Wir waren und sind Deutsche“ in: Nordbayerischer Kurier vom 18./19. November 2023, S. 11.