Rollettmuseum
Das Rollettmuseum ist ein Museum in Baden in Niederösterreich, das einerseits das Stadtarchiv der Stadt Baden, andererseits die Sammlung des Badner Landgerichtsarztes Anton Rollett enthält.
Gebäudegeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das als Rollettmuseum bekannte Gebäude wurde, nach der am 8. August 1903 erfolgten Grundsteinlegung, am 6. April 1905[1] als Rathaus (Amtshaus) der Gemeinde Weikersdorf eröffnet.[Anm. 3] Es wurde, nach einem 51 Einreichungen jurierenden Wettbewerb,[Anm. 4] von dem Architekten Rudolf Krausz (1872–1928)[2] in der Formensprache der deutschen Renaissance[3] entworfen und baulich ausgeführt von Stadtbaumeister Josef Schmidt (1847–1910).[Anm. 5] Nachdem die damals unabhängige Gemeinde Weikersdorf im Jahr 1912 bei Baden eingemeindet wurde, war das Gebäude[Anm. 6] zunächst funktionslos.
Im Jahre 1912 wurde mit einer Ausstellung die Nutzung als Museum begonnen.
Während des Zweiten Weltkriegs größtenteils geschlossen, verlagerte man ab 1943 aus Sicherheitsgründen wichtige Bestände nach Kaumberg, wo sie allerdings erst recht in einem Kampfgebiet landeten und starke Verluste oder Beschädigungen erlitten. Nach 1945 war das Haus mit den umliegenden Villen Teil eines von Planken abgegrenzten Bezirks der sowjetischen Besatzungsmacht.[3]
1956 gab es eine erste Instandsetzung des völlig devastierten Gebäudes, am 25. August 1957 wurden die Städtischen Sammlungen-Archiv/Rollett-Museum der Stadtgemeinde Baden wieder eröffnet.[4]
Von 1974 bis 1991 wurden zugunsten des Rollettmuseums Gemeindeinvestitionen von ca. 15 Millionen Schilling (1,1 Millionen Euro) umgesetzt. Mitte der 1990er-Jahre wurde das Haus während einer Schließzeit durch die Stadt Baden renoviert sowie modernisiert und ab 12. Mai 1995 der reguläre Publikumsbetrieb wieder eingeführt.[5]
Museumsgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 17. August 1912 wurde von Erzherzog Rainer (1827–1913) die unter dessen Protektorat stehende „Ausstellung für Gewerbe, Handel, Industrie, Volksernährung und Weinbau des Viertels unterm Wienerwald“ eröffnet.[6] Die Präsentationsfläche bestand aus dem prachtvoll ausgestalteten Weikersdorfer Park (ehemals: Hohenzollernplatz) sowie den Räumlichkeiten des nächstgelegenen ehemaligen Weikersdorfer Rathauses, in welchem Kollektivausstellungen der einzelnen Genossenschaften (Schneider, Schuhmacher, historische Erinnerungen der Innungen des städtischen Archivs) untergebracht waren.[7]
Noch 1912 wurde die Nutzung des Hauses als Museum vorbereitet. Am 28. Juni 1914 wurde unter anderem in Anwesenheit von Vertretern aller Wiener und niederösterreichischen Museumsstellen der Bau als Städtisches Rollett Museum eröffnet[3] – und selben Tages, in Erwartung des Wiedereintritts geordneter Verhältnisse, für zwölf Jahre wieder geschlossen.[8] Erst ab 25. Mai 1926 war das Museum erneut der Öffentlichkeit zugänglich.[9]
Der Grundstock der Exposition geht auf den Badener Wund- und Landgerichtsarzt, Naturforscher und Schriftsteller Anton Rollett (1778–1842) zurück, der seine reichhaltige Privatsammlung zoologisch-botanischen und ethnographisch-kunsthistorischen Inhalts seit 1810 öffentlich zugänglich machte. Nach seinem Tod kamen die Exponate in den Besitz seiner Familie. Noch zu Lebzeiten Rolletts wurden dem Fundus auch Teile der von Johann Ferdinand Ritter von Schönfeld angelegten, hauptsächlich aus Gemälden bestehenden Sammlung hinzugefügt.
Im Jahr 1867 schenkten die Witwe Josefa[9] Rollett sowie die Söhne Badearzt Dr. Karl[Anm. 7] und Dr. Hermann Rollett (er sollte von 1876 bis zu seinem Tod, 1904, selbst als Kustos und Stadtarchivar am Museum wirken[10]) große Teile der Sammlung der Stadtgemeinde zur Einrichtung eines Museums für Unterrichts- und öffentliche Zwecke,[3] verbunden mit der Auflage, dass ein jeweiliges Museum für immerwährende Zeiten[9] den Namen Rollett-Museum tragen müsse. In der Folge wechselte die Sammlung einige Male den Aufstellungsort. Aus der heute nicht mehr existierenden Rollett-Villa (Marchetstraße 37) übersiedelte die Sammlung 1869 in das ehemalige Augustinerkloster (Frauengasse) und 1885 in das nicht mehr benutzte Redoutengebäude[Anm. 8] am Platz des heutigen Stadttheaters. Bei Abbruch jenes Gebäudes, 1908, wanderte das Museum in das ehemalige Armenhaus der Boldrinistiftung (Ecke Antonsgasse/Boldrinigasse), bis es zwischen 1912 und 1914 den heutigen Aufstellungsort fand. Mit ihm wurde das 1875 von Dr. Hermann Rollett über Auftrag des Gemeindeausschusses zum Ordnen übernommene und 1876 eingerichtete Archiv aus dem Rathaus zusammengefügt.[3]
Ausstellungsstücke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Rollettmuseum umfasst heute Exponate zur Stadtgeschichte, zur Ur- und Frühgeschichte, zur Geologie, Mineralogie, Botanik und Zoologie. Einschlägige Berühmtheit besitzt die Gall’sche Schädelsammlung, die 1825 von Franz Joseph Gall (1758–1828), der 1820 von Wien nach Paris übersiedelt war, dem ihm bekannten Anton Rollett, einem Anhänger der Gall’schen Lehre, für dessen Museum überlassen wurde.
Insgesamt besteht die Sammlung dadurch aus 119 Büsten, 78 Schädeln, 20 Wachsmodellen und 25 Masken, darunter eine Totenmaske und die einzige sicher echte Lebendmaske Napoleons I. sowie Totenmasken seines Sohnes, des Herzogs von Reichstadt. Auch einen Gipsabdruck der Schädeldecke Ferdinand Raimunds, der 1836 in Pottenstein Selbstmord verübte, findet man in der Sammlung. Er geht zurück auf den Museumsgründer Anton Rollett, der als zuständiger Kreisarzt den tödlich verletzten Raimund in seinen letzten Lebenstagen betreute. Auch eine Büstensammlung von acht Afrikanern steht im Museum, wovon nur die Büste von Angelo Soliman eindeutig zuzuordnen ist.
Zusätzlich zur Sammlung Rolletts beherbergt das Museum verschiedene Nachlässe anderer Badener Persönlichkeiten,[Anm. 9] aber auch urgeschichtliche Ausgrabungen aus der Badener Kultur oder verschiedene Gegenstände die den bodenständigen Weinbau oder die Thermen betreffen.
Teile der Sammlung waren 2002 in der Antikenausstellung im Papyrusmuseum der Nationalbibliothek in Wien zu sehen.[11][12]
Leitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1994–2016 Rudolf Maurer
- seit 2016 Ulrike Scholda
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Friedrich Schulz: Die Schädellehre Dr. Gall’s – und seine Restschädelsammlung im Städtischen Rollett Museum zu Baden bei Wien. Eigenverlag, Wien 1973, OBV.
- Alfred Frühwald: Die Sammlungen der Stadtgemeinde Baden – Archiv, Rollettmuseum. Kurzdarstellung über die Gründung und Entwicklung des Städtischen Rollettmuseums und des Archivs der Stadtgemeinde Baden von 1867 bis 1990. Neue Badener Blätter, Band 2,1, ZDB-ID 2161928-1. Gesellschaft der Freunde Badens und Städtische Sammlungen – Archiv, Rollettmuseum der Stadtgemeinde Baden, Baden 1990, OBV.
- Viktor Wallner: Von der Kommandantur zum Kongresscasino. 50 Jahre Baden in Daten und Bildern. 1945–1995. Neue Badener Blätter, Band 6,1, ZDB-ID 2161928-1. Verlag der Gesellschaft der Freunde Badens und der Städtischen Sammlungen, Baden 1993, OBV.
- Julius Böheimer: Straßen & Gassen in Baden bei Wien. Lexikon der Straßen, Gassen, Plätze, Wege, Stege, Brücken. Grasl, Baden 1997, ISBN 3-85098-236-X.
- Monika Firla: Die Afrikaner-Büsten im Rollettmuseum Baden bei Wien – eine österreichisch-baden-württembergische Sammlung. Linden-Museum, Stuttgart 1999, OBV.
- Viktor Wallner: Häuser, Menschen und Geschichten – ein Badener Anekdotenspaziergang. Gesellschaft der Freunde Badens, Baden 2002, OBV.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eintrag zu „Rollettmuseum“ auf der Seite von architekturlandschaft.niederösterreich
- Webpräsenz vom Rollettmuseum
- Werner Sabitzer: Kuriose „Schädellehre“ (PDF-Datei; 64 kB) Aus: Öffentliche Sicherheit 2006, Heft 9–10, S. 178 (PDF)
- Wolfgang Regal, Michael Nanut: Die Schädel des Doktor Gall (Altes Medizinisches Wien 5). In: springermedizin.at, 20. Dezember 2005, online, abgerufen am 10. Oktober 2010.
- PlasterCastCollectionDatabase
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Lokal-Nachrichten. (…) Die Einweihung des Weikersdorfer Rathauses. In: Badener Zeitung, 5. April 1905, S. 3, Mitte. (online bei ANNO).
- ↑ Rudolf Krausz. In: Architektenlexikon Wien 1770–1945. Herausgegeben vom Architekturzentrum Wien. Wien 2007.
- ↑ a b c d e Wallner: Häuser. S. 175.
- ↑ Wallner: Von der Kommandantur. S. 22.
- ↑ Wallner: Häuser. S. 176.
- ↑ Ausstellung für Gewerbe, Handel, Industrie, Volksernährung und Weinbau des Viertels unterm Wienerwald. In: Badener Zeitung, 21. August 1912, S. 2, Mitte rechts. (online bei ANNO).
- ↑ Wallner: Häuser. S. 174.
- ↑ Das Dornröschen Badens. In: Badener Zeitung, 4. Juli 1924, S. 2, oben Mitte. (online bei ANNO).
- ↑ a b c 60-jähriges Jubiläum des Rollett-Museums. In: Badener Zeitung, 1. Juni 1927, S. 3, links unten. (online bei ANNO).
- ↑ Bibliothek der Sammlungen der Stadtgemeinde Baden – Archiv und Rollett-Museum, abgerufen am 26. März 2009.
- ↑ Hauptsache: Eine Mumie im Wohnzimmer. Ägypten, Zypern, griechisch-römische Antike und die Sammlerleidenschaft im 19. Jahrhundert. Antiken aus dem Badener Rollett-Museum. In: Newsletter. Heft 2002,3. Österreichische Nationalbibliothek, Wien 2002, ZDB-ID 2109536-X, S. 6. – Online (PDF; 585 kB) ( des vom 27. November 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 8. Oktober 2010.
- ↑ Rudolf Maurer: Hauptsache: Eine Mumie im Wohnzimmer. Ägypten, Zypern, griechisch-römische Antike und die Sammelleidenschaft im 19. Jahrhundert. Katalog der Antiken des Rollettmuseums in Baden. Nilus, Band 5, ZDB-ID 2246853-5. Phoibos-Verlag, Wien 2002, ISBN 978-3-901232-32-9.
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Die Rathausuhr wurde von den Frauen des Ortes gespendet. – Siehe: Lokal-Nachrichten. (…) Einweihung des Rathauses in Weikersdorf. In: Badener Zeitung, 8. April 1905, S. 3, Mitte. (online bei ANNO).
- ↑ Auf vertikaler Bildachse (mit Stutzbart): Josef Trenner (1861–1923), Weichselrohrfabrikant, Bürgermeister von Weikersdorf, 28. März 1903 bis 1. März 1912.
Zweiter Honoratior von rechts: Stadtbaumeister Josef Schmidt.
In: Julius Böheimer: Straßen & Gassen. S. 114 bzw. 107. - ↑ Von 1870 bis 1905 hatte die Weikersdorfer Gemeindeverwaltung ihren Sitz im Haus Helenenstraße 4, der späteren Helenenschule. – In: Wallner: Häuser. S. 121.
- ↑ Juroren: Oberbaurat Alexander von Wielemans und Professor Max von Ferstel. – Siehe: Lokal-Nachrichten. (…) Prämiierung der Entwürfe des Amtshauses Weikersdorf. In: Badener Zeitung, 6. Mai 1903, S. 4, unten links. (online bei ANNO).
An Preisen waren ausgelobt 350 bzw. 250 Kronen für den ersten bzw. zweiten Platz. – Siehe: Lokal-Nachrichten. (…) Ein neues Amtshaus für Weikersdorf. In: Badener Zeitung, 18. Februar 1903, S. 4, oben rechts. (online bei ANNO). - ↑ Josef Schmidt, der ältere Bruder von Franz Xaver Schmidt (Eintrag Architektenlexikon), war Kammerbaumeister von Erzherzog Rainer. Bekannte von Schmidt errichtete Gebäude: Heilanstalt Alland, Hilde-Wagener-Heim, Baden. – In: Julius Böheimer: Straßen & Gassen. S. 107.
- ↑ Gemäß Ausführungsplan waren vorhanden:
im Souterrain Arreste, Wachlokale, Wirtschaftsräume; im Hochparterre Wohnräume, Kanzleien etc.; im ersten Stock zwei Sitzungssäle, das Zimmer für den Bürgermeister, Kanzleien etc.; im Turm das Stiegenhaus. – Siehe: (…) Ausstellung von Entwürfen für den Bau (…). In: Badener Zeitung, 13. Mai 1903, S. 3, Mitte rechts. (online bei ANNO). - ↑ Wie von Regierungsrat Dr. Emil Rollett, Enkel des Benefiziaten sowie Bruder von Alexander Rollett, bei der Eröffnung des Hauses Ende Juni 1914 ausgeführt, hatte Dr. Karl Rollett, um das Zerstreuen der von Anton Rollett gesammelten Schätze zu verhindern, einzelne Erbteile angekauft und diese, im Einverständnis mit Witwe, Bruder und Schwester, der Stadt Baden übergeben. Emil Rollett selbst nahm die Feierstunde zum Anlass, 15.000 Kronen zum Fortbestande des Museums zu spenden. — Siehe: Lokal-Nachrichten. Wiedereröffnung des städtischen Rollett-Museums. In: Badener Zeitung, 1. Juli 1914, S. 2, oben Mitte. (online bei ANNO).
- ↑ Ende April 1903 wurden zehn von den vorhandenen 108 Artefakten der Gall’schen Schädel- und Büstensammlung durch die Unachtsamkeit eines Arbeiters, der eine Mauer ausbrechen sollte, arg beschädigt, konnten jedoch umgehend vollständig wiederhergestellt werden. – Siehe: Eine Beschädigung im Badener Museum. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 13897/1903, 5. Mai 1903, S. 9, links Mitte (online bei ANNO). sowie Kleine Chronik. (…) Die Gall’schen Büsten im Badener Museum. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 13920/1903, 28. Mai 1903, S. 7, Mitte rechts. (online bei ANNO). Anfang Dezember 1905 konnte die Gall’sche Sammlung, die bisher im dunklen Raume offen hingelegt war, in einem gut beleuchteten Glaskasten untergebracht werden. – Siehe: Neuaufstellung des Rollettmuseums. In: Badener Zeitung, Nr. 89/1905, 9. Dezember 1905, S. 5 Mitte. (online bei ANNO).
- ↑ unter anderem des Bildhauers Josef Müllner (1879–1968), Schöpfer des Lueger-Denkmals in Wien, Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien (1927–1929). — In: Walter Perko: Der akademische Bildhauer Josef Müllner (1879–1968). Katalogblätter des Rollettmuseums Baden, Band 16, ZDB-ID 2101396-2. Rollettmuseum, Baden 1998, ISBN 3-901951-16-4.
Koordinaten: 48° 0′ 11″ N, 16° 13′ 32″ O
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