Paul Johann Anselm von Feuerbach

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Anselm von Feuerbach

Paul Johann Anselm Feuerbach, ab 1808 Ritter von Feuerbach (* 14. November 1775 in Hainichen bei Jena; † 29. Mai 1833 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Rechtsgelehrter und Kriminalist. Er gilt als Begründer der modernen deutschen Strafrechtslehre sowie der sogenannten Theorie des psychologischen Zwangs und ist Schöpfer des bayerischen Strafgesetzbuches von 1813. Bekannt geworden ist Anselm von Feuerbach auch als Obervormund und Gönner von Kaspar Hauser, über den er 1832 das Buch Kaspar Hauser. Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen veröffentlichte.

Anselm Feuerbach wurde als erstes Kind der Sophie Sibylle Christina Krause (* 18. August 1751; † 20. September 1797) und des Johann Anselm Feuerbach (* 19. Februar 1755; † 1. März 1827) am 14. November 1775 in Hainichen bei Jena unehelich geboren. Nach Abschluss des väterlichen Rechtsstudiums an der Universität Gießen zog die Familie nach Frankfurt am Main, wo der Vater als Advokat arbeitete. Paul Johann Anselm besuchte hier das Gymnasium. Ab 1792 studierte er an der Universität Jena Philosophie, dann die Rechte. Er wurde mit seiner Untersuchung über das Verbrechen des Hochverrats (Erfurt 1798) ehrenvoll habilitiert und arbeitete anschließend als Privatdozent. 1795 wurde er zum Doktor der Philosophie, 1799 zum Doktor der Rechte promoviert.

Im Jahr 1801 erhielt er an der Universität von Jena eine außerordentliche Professur der Rechte, womit der Eintritt in den dortigen Schöppenstuhl verbunden war, und bald darauf die ordentliche Professur des Lehnrechts.

1802 folgte er dem Ruf der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. 1804 wechselte er an die Universität Landshut, wo er den Auftrag bekam, den Entwurf zu einem bayerischen Strafgesetzbuch auszuarbeiten. Daraufhin wurde er 1805 – auf Betreiben von Montgelas, dem bayerischen Minister für auswärtige Angelegenheiten – als Geheimer Referendar in das Ministerialjustiz- und Polizeidepartement nach München versetzt, 1806 zum ordentlichen Mitglied jenes Departements und 1808 zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt. Bereits 1806 tat Feuerbach durch seinen Entwurf zur Abschaffung der Folter den ersten Schritt zur Beseitigung der Missstände in der bayerischen Kriminaljustiz. 1808 erhielt er den königlichen Zivilverdienstorden, womit für ihn der Transmissionsadel mit dem Adelsprädikat „Ritter von“ verbunden war.[1] Seit 1808 war er auch Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Eine wesentliche Verbesserung der Rechtspflege begründete das von ihm entworfene neue Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern (München 1813). Es empfing nach einigen Änderungen am 16. Mai 1813 die königliche Genehmigung, wurde in Sachsen-Weimar-Eisenach, Württemberg und anderen Staaten bei der Bearbeitung neuer Landesgesetzbücher zugrunde gelegt, in Oldenburg mit einigen Änderungen als Gesetzbuch angenommen und auch ins Schwedische übersetzt. Für Bayern brachte dieses Gesetzeswerk eine Humanisierung der Strafpraxis und die förmliche Abschaffung der Folter. Es galt, wenn auch mit einigen Änderungen, bis zum Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs für das Königreich Bayern von 1861.

Gleichzeitig arbeitete Feuerbach seit 1807 auf königlichen Befehl den Code Napoléon in ein Bürgerliches Gesetzbuch für Bayern um, das 1808 und 1809 teilweise im Druck erschien, aber nicht in Kraft trat.

Die ihm 1812 zugewiesene Redaktion des Codex Maximilianeus besorgte er gemeinschaftlich mit Adam von Aretin und dem Staatsrat Nikolaus Thaddäus von Gönner.

Bei der Wiederherstellung der deutschen Unabhängigkeit drückte Feuerbach seinen Nationalsinn durch mehrere Schriften aus, unter anderem durch die Über deutsche Freiheit und Vertretung deutscher Völker durch Landstände (Leipzig 1814).

1814 wurde er zum zweiten Präsidenten des Appellationsgerichts in Bamberg, 1817 zum ersten Präsidenten des Appellationsgerichts für den Rezatkreis in Ansbach und 1821 zum Wirklichen Staatsrat befördert.

Am 29. Mai 1833 starb Anselm von Feuerbach in Frankfurt am Main an den Folgen eines Schlaganfalls. Sein Grab befindet sich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof.

Grab in Frankfurt

Von Feuerbach heiratete Wilhelmine Tröster (1774–1852). Ihr Vater, der Dornburger Schloßvogt Ernst Tröster, war ein natürlicher Sohn des Herzogs Ernst August von Sachsen-Weimar.[2] Feuerbach hatte mit der Herzogsenkelin fünf Söhne, die sich alle durch wissenschaftliche Tätigkeit auf verschiedenen Gebieten ausgezeichnet haben, und drei Töchter:

Denkmal am Fürstengraben in Jena

Feuerbachs erste schriftstellerische Versuche, philosophische Abhandlungen, sind in Meißners Zeitschrift Apollo und in Niethammers Philosophischem Journal von 1795 enthalten. Sein erstes selbständiges Werk: Über die einzig möglichen Beweisgründe gegen das Dasein und die Gültigkeit der natürlichen Rechte (Leipzig und Gera 1795), war gegen August Wilhelm Rehberg gerichtet.

Noch größeren Beifall fanden seine Werke Kritik des natürlichen Rechts (Altona 1796), Anti-Hobbes, oder über die Grenzen der bürgerlichen Gewalt und das Zwangsrecht der Unterthanen gegen ihre Oberherren (Gießen 1798) und Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts (Erfurt 1799 und Chemnitz 1800, 2 Teile), worin er – wie schon in der Schrift Über die Strafe als Sicherungsmittel vor künftigen Beleidigungen des Verbrechers (das 1799) und in der von ihm mit Karl Ludwig Wilhelm von Grolman und Ludwig Harscher von Almendingen herausgegebenen Bibliothek für die peinliche Rechtswissenschaft und Gesetzkunde (Göttingen 1800 und Gießen 1803, Band 2 und 3) – im Gegensatz zur Kant’schen Theorie von der Strafe, als Zweck der Strafe die Abschreckung hervorhob.

In der Zusammenschau der eben genannten Revision und seinem Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden peinlichen Rechts (Gießen 1801) legte Feuerbach dar, dass nicht erst die Strafvollstreckung, sondern bereits die Strafandrohung davor abschrecke, Straftaten zu begehen (Abschreckungstheorie oder Feuerbach’sche Theorie). Dabei entwarf Feuerbach die Vorstellung zweier Arten von Strafprinzipien, die „zweckmäßige“ und die „kritische Strafgesetzlichkeit“.[3] Sein Postulat nulla poena sine lege („keine Strafe ohne Gesetz“), das eine aufklärerische Forderung von Cesare Beccaria konkretisierte,[4] bedeutete für die Strafgesetzlichkeit, dass Strafbarkeit und Strafe ausnahmslos gesetzlich bestimmt sein müssen (nullum crimen sine poena legali) und die Straftat im Gesetz genau beschrieben wird (nullum crimen sine lege). Einem richterlichen Ermessen war damit weder bei der „Annahme“ einer Straftat noch bei der „Strafzumessung“ eingeräumt, denn der Richter ist der Diener des Gesetzes. Die Grundsätze wurden Kernelemente des Rechtsstaats. Die Forderungen im Überblick:

  • Gesetze müssen allgemein bekannt sein,
  • Tatbestände müssen klar formuliert sein,
  • die Unrechtsfolgen (Strafrahmen), müssen von vornherein feststehen.

Seinen Zivilistischen Versuchen (Gießen 1803, 1. Teil) folgte eine ausführliche Kritik des Kleinschrodschen Entwurfs zu einem peinlichen Gesetzbuch für die kurpfalzbayrischen Staaten (Gießen 1804, 3 Bände).

Durch seine Sammlung Merkwürdige Kriminalrechtsfälle (Gießen 1808 und 1811, 2 Bände; Gießen 18393) beschrieb er erstmals die psychologischen Implikationen solcher Fälle.

Kleinere Schriften aus dieser Periode sind: Über Philosophie und Empirie in ihrem Verhältnis zur positiven Rechtswissenschaft (Landshut 1804); Blick auf die deutsche Rechtswissenschaft (München 1810); Themis, oder Beiträge zur Gesetzgebung (Landshut 1812).

An seine Betrachtungen über die Geschwornengerichte (Landshut 1813) schlossen sich die Erklärung über meine angeblich geänderte Überzeugung in Ansehung der Geschwornengerichte (Jena 1819) und Über Öffentlichkeit und Mündlichkeit der gerichtlichen Verhandlungen (Gießen 1821) an. 1825 erschien in Gießen der zweite Band: Über die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren Frankreichs.

Später veröffentlichte er noch die Aktenmäßige Darstellung merkwürdiger Verbrechen (Gießen 1828–1829, 2 Bände; Frankfurt am Main 18493) und Kleine Schriften vermischten Inhalts (Nürnberg 1833, 2 Abteilungen).

Schließlich erschien die psychologische Studie: Kaspar Hauser, Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen (Ansbach 1832).

In seinen Mußestunden beschäftigte er sich mit einer metrischen Übersetzung und einem Kommentar des indischen Gedichts Gita Govinda.

Sein Sohn Ludwig Feuerbach schrieb seine Biografie: Leben und Wirken A. v. Feuerbachs (Leipzig 1852, 2 Bde.).

Schriften (Auswahl)

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  • Merkwürdige Criminal-Rechtsfälle. 2 Bände. Tasché und Müller, Giessen 1808 und 1811. (Digitalisate)
  • Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts, Theil 1, Erfurt, Henningsche Buchhandlung, 1799. (Nachdruck der Ausgabe: Frankfurt am Main, Sauer und Auvermann 1967); Theil 2, Chemnitz, Tasche, 1800. (Nachdruck der Ausgabe: Frankfurt am Main, Sauer und Auvermann 1967); (d-nb.info/456612092).

Biographischer Nachlass

  • Anselm Ritter von Feuerbachʼs Biographischer Nachlaß. Veröffentlicht von seinem Sohne Ludwig Feuerbach. Zweite, vermehrte Ausgabe Leipzig 1853. (Digitalisate)

An Feuerbach erinnert eine Statue am Nordflügel des Reichsgerichtsgebäudes in Leipzig (heute Sitz des Bundesverwaltungsgerichts) die dort neben Statuen anderer bedeutender Rechtsgelehrter, die für die Rechtseinheit wichtige Beiträge geleistet haben, steht (Eike von Repgow, Johann Jacob Moser, Johann von Schwarzenberg, Carl Gottlieb Svarez und Friedrich Carl von Savigny).

Im nördlichen Kieler Stadtteil Klausbrook erinnert seit dem 17. November 1983 eine Straßenbezeichnung an ihn. Die Ratsversammlung erinnerte damit an Feuerbachs Tätigkeit an der Universität Kiel in der Zeit von 1802 bis 1804.

Commons: Paul Johann Anselm von Feuerbach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Frankfurter Personenlexikon, Feuerbach, Anselm (von) (abgerufen am 5. Juni 2016)
  2. Friedrich MerzbacherFeuerbach, Paul Johann Anselm Ritter von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S. 110 f. (Digitalisat).
  3. Wolfgang Naucke: Die zweckmäßige und die kritische Strafgesetzlichkeit, dargestellt an den Lehren P. J. A. Feuerbachs (1775–1833), aus dem Buch: Strafrecht als Teil politischer Macht: Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte. Berlin, Boston, De Gruyter 2023. ISBN 978-3-11-128443-9. S. 173–193.
  4. Cesare Beccaria: Von den Verbrechen und von den Strafen. Kapitel 4.
  5. Zu den posthum erschienenen Ausgaben und der Tätigkeit Mittermaiers siehe insbesondere: Siegfried W. Neh: Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch. Zu der Konzeption C.J.A. Mittermaiers und seinem Wissenschaftsverständnis, Duncker & Humblot (= Reihe: Schriften zur Rechtsgeschichte, Heft 50), 1991 (vollständiges Digitalisat mit beschränktem Zugang via Duncker & Humblot eLibrary).