Streitweiler

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Koordinaten: 48° 57′ 50″ N, 9° 32′ 23″ O

Karte: Baden-Württemberg
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Streitweiler

Streitweiler, historisch auch Streitweiller oder Streitweyler, ist eine Wüstung, zu der nur bruchstückhaftes Wissen überliefert ist. Sie befindet sich auf der Markung der Stadt Murrhardt im baden-württembergischen Rems-Murr-Kreis.

Brunnen Wasserfallstraße Hörschbachschlucht

Die ehemalige Siedlung lag zwischen Waltersberg und dem zu Oberbrüden gehörenden Trailhof. Heute erinnern noch die Waldgewanne Vorderer und Hinterer Streitweiler sowie die Streitweileräcker an die Siedlung. Der Flurname Streitweiler findet sich in einem Areal, welches östlich von Trailhof, westlich des Hörschbachs und südlich von dessen Zufluss Saubächle liegt. An der südöstlichen Flurgrenze steht ein Brunnen an der Wasserfallstraße zur Hörschbachschlucht.

In den 1930er und 40er Jahren entdeckte der Archäologe Emil Kost zahlreiche steinzeitliche Werkzeuge aus Feuerstein auf der Flur Streitweiler.[1]

Streitweiler war ein sehr alter Ort. Erstmals erwähnt wurde der Weiler in einer Urkunde aus dem Jahre 1364 als Stritwiler.[2] Mit dieser Urkunde veräußerten Heinrich Kume aus Furnspach (das heutige Fornsbach), seine Ehefrau Katharina Kume und sein Bruder Wolflin den Streitweiler an Heinrich Gebe aus Murrhardt.[3]

Die Bedeutung des Ortsnamens ist unklar. Vielleicht weist der Namensbestandteil Streit darauf hin, dass der Ort auf umstrittenen Gebiet erbaut wurde.[2]

Am 4. Juli 1371 kaufte Graf Albrecht von Löwenstein die Weiler Vorderwestermurr und Streitweiler von Heinz und Wolflin Kun.[4] Während Vorderwestermurr 1483 von Graf Heinrich von Löwenstein an das Kloster Murrhardt veräußert wurde, war Streitweiler in diesem Jahr schon im Besitz des Klosters Murrhardt[5]; es muss also schon zuvor von den Löwensteinern an das Kloster veräußert worden sein. Der kleine Ort bestand offenbar aus zwei Teilen, da im Jahre 1483 und 1574 sowohl ein Vorderer als auch ein Hinterer Streitweyler erwähnt wurde. Beide Streitweiler waren zu dieser Zeit bereits wüst gefallen, die Fluren waren bereits bewaldet. Der Wald wurde von der Stadt Murrhardt zu Lehen ausgegeben. 1483 wurde Hans Ackermann (Hanß Ackherman) aus Brüden der Vordere Streitweiler zu Lehen gegeben, während Leonhard Ackermann (Lienhardt Ackherman) den Hinteren Streitweiler erhielt.[6]

In späterer Zeit wurde Streitweiler wieder besiedelt. Wann der Ort wiederaufgebaut wurde, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich ist ein Wiederaufbau zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Streitweiler erscheint erstmals wieder in einem Eintrag in einem Taufbuch von 1712. Darin ist von einem neuerbauten Hof Streitweiler die Rede. Als Berufstätigkeit der Einwohner wird Waldschütz angegeben.[7] In einem Steuerbuch wird die Siedlung ein geringes Häuslein und Scheuerle genannt.[8]

1810 wurde noch ein Vorderer und ein Hinterer Streitweiler mit insgesamt 16 Einwohnern erwähnt.[9] 1822 werden zwei Häuser erwähnt.[10] Die Einwohnerzahl ging jedoch ständig zurück. Nach einer Flurkarte von 1830 bestand Streitweiler in dieser Zeit nur noch aus einem Hof. Dieser Hof befand sich auf einer halben Rodungsinsel und war von Äckern und Wiesen umgeben. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Streitweiler dann endgültig aufgegeben. Einer der letzten Einwohner war Johann Adam Pfitzer, der 1854 nach Nordamerika auswanderte.[11] In der Beschreibung des Oberamts Backnang von 1871 und auch noch 1877 wird Streitweiler als Wohnplatz mit einem Haus aufgeführt, allerdings ohne Einwohner.[12]

Einwohnerentwicklung

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  • 1800: 17 Einwohner[3]
  • 1810: 16 (Vorderer Streitweiler 9, Hinterer Streitweiler 7 Einwohner)[9]
  • 1822: 11 (zwei Häuser)[10]
  • 1828: 10[13]
  • 1835: 12[14]
  • 1847: 8[15]
  • 1854: 4[16]
  • 1861: 1[17]
  • 1866: 0[18]
  • 1871: 0[12]
  • 1877: 0[19]
  • 1881: 0[20]

Aus dem Sagenschatz: Die armen Leute von Streitweiler

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Im benachbarten Trailhof wussten ältere Einwohner noch folgende Geschichten zu erzählen: Da die Trailhöfer Ackerbauern und die von Streitweiler Viehhirten gewesen seien, hätte es immer wieder Konflikte gegeben. Da es denen von Streitweiler an Weideflächen gemangelt habe, hätten diese ihre Schafe in der Nacht auf die Grundstücke der Trailhöfer getrieben. Die Rache der Trailhöfer für den Weidefrevel ließ nicht lange auf sich warten; ein Hirte von Streitweiler wurde totgeprügelt. Weiterhin seien die von Streitweiler nachts auf die Äcker der Trailhöfer geschlichen, um frisch gepflanzte Kartoffeln auszugraben und zu verspeisen. Hoch verschuldet und dem entbehrungsreichen Leben überdrüssig, seien die Einwohner von Streitweiler eines Tages nach Amerika ausgewandert.[21]

  • Gerhard Fritz: Das Lagerbuch der Murrhardter Weiler von 1575, Hrsg. Gerhard Fritz, Jana Krüger, Burkard Richter und Helmar Schöne, Schwäbisch Gmünd, 2017. Online-PDF
  • Gerhard Fritz: Die Murrhardter Amtsrechnungen von 1609/10 und 1619/20, Hrsg. Gerhard Fritz, Jana Krüger, Burkard Richter und Helmar Schöne, Schwäbisch Gmünd, 2020. Online-PDF
Wikisource: Beschreibung des Oberamts Backnang, 1871 – Murrhardt, Seite 215–262 (deutsch)

Einzelnachweise

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  1. Werner Pabst: Momentaufnahmen einer bewegten Geschichte. In: Gemeinde Auenwald (Hrsg.): 750 Jahre Auenwald 1245-1995. Auenwald 1995, S. 19.
  2. a b Hartmut Durst: Durch die Wälder, durch die Auen. Kleiner Streifzug durch Auenwalds Flurnamen. In: Gemeinde Auenwald (Hrsg.): 750 Jahre Auenwald 1245-1995. Auenwald 1995, S. 77.
  3. a b Hans-Dieter Bienert: Wüstungen: Verlassene Orte rund um Murrhardt. In: Backnanger Jahrbücher, Band 13, 2005, S. 91f
  4. Karl Eduard Paulus (Hrsg.): Beschreibung des Oberamts Backnang. 1. Auflage. H. Lindemann, Stuttgart 1871, S. 262.
  5. Streitweiler - Wüstung - Detailseite - LEO-BW. Abgerufen am 15. September 2023.
  6. Das Lagerbuch der Murrhardter Weiler von 1576. In: Gerhard Fritz (Hrsg.): Schriftenreihe des Instituts für Gesellschaftswissenschaften der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Schwäbisch Gmünd 2017, S. 84 ff.
  7. Evangelische Kirchengemeinde Murrhardt, Taufbuch Band 3, S. 21
  8. Stadtarchiv Murrhardt, Bestand B 177, S. 536.
  9. a b Königlich Württembergisches Hof- und Staats-Handbuch 1809/1810. Johann Friedrich Steinkopf, Stuttgart 1810, S. 248.
  10. a b J. D. G. Memminger (Hrsg.): Württembergische Jahrbücher für vaterländische Geschichte, Geographie, Statistik und Topographie. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1822, S. 96.
  11. Auswanderer aus Streitweiler - Detailseite - LEO-BW. Abgerufen am 15. September 2023.
  12. a b Karl Eduard Paulus (Hrsg.): Beschreibung des Oberamts Backnang. 1. Auflage. H. Lindemann, Stuttgart 1871, S. 215.
  13. Königlich Württembergisches Hof- und Staats-Handbuch. Johann Friedrich Steinkopf, Stuttgart 1828, S. 156.
  14. Königlich Württembergisches Hof- und Staats-Handbuch. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1835, S. 162.
  15. Königlich Württembergisches Hof- und Staats-Handbuch. Verlag der Königlichen Hofdruckerei, Stuttgart 1847, S. 170.
  16. Königlich Württembergisches Hof- und Staats-Handbuch. Johann Friedrich Steinkopf, Stuttgart 1854, S. 187.
  17. Königlich statistisch-topographisches Bureau (Hrsg.): Königlich Württembergisches Hof- und Staats-Handbuch. Verlag Karl Aue, Stuttgart 1861, S. 198.
  18. Königlich statistisch-topographisches Bureau (Hrsg.): Hof- und Staats-Handbuch des Königreichs Württemberg. Verlag der Königlichen Hofdruckerei, Stuttgart 1866, S. 201.
  19. Königlich statistisch-topographisches Bureau (Hrsg.): Hof- und Staats-Handbuch des Königreichs Württemberg. W. Kohlhammer, Stuttgart 1877, S. 319.
  20. Königlich statistisch-topographisches Bureau (Hrsg.): Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Württemberg. W. Kohlhammer, Stuttgart 1881, S. 337.
  21. Der Mann mit der eisernen Hand. Das sagenhafte Sagenbuch von Schülern des Gymnasiums am Bildungszentrum Weissacher Tal. Backnanger Kreiszeitung 2001.