Subkutaner ICD

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Subkutaner ICD Boston Scientific/Cameron Health Modell 1010 (Seitenansicht, links die Elektrode neben dem Brustbein)

Der subkutan implantierbare Kardioverter/Defibrillator (Subkutaner ICD) gehört zur Familie der ICD-Geräte und wird bei Personen mit dem Risiko eines plötzlichen Herzstillstands implantiert. Anders als ICD-Systeme wird das komplette S-ICD System extrakardial, außen am Brustkorb unter der Haut liegend (subkutan), eingesetzt.

In Deutschland erleiden jährlich ca. 65.000 Menschen einen plötzlichen Herztod.[1][2] Die Zahlen im Vereinigten Königreich sind ähnlich hoch.[3] ICD-Geräte können Risikopatienten implantiert werden und das Risiko des plötzlichen Herztodes vermindern.[4][5] In klinischen Studien wurden entscheidende Überlebensvorteile für TV-ICD Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz, diversen Kardiomyopathien oder Ionenkanalerkrankungen nachgewiesen.[6][7][8][9] Seit der Erstimplantation in den 1980er Jahren[10] wurde die Forschung an den ICDs stetig voran getrieben. Mittlerweile sind die Geräte wesentlich kleiner sowie leichter geworden und verfügen über vielfältige Diagnose- und Überwachungsfunktionen.[11] Eine große Schwachstelle der TV-ICDs sind nicht die Geräte selbst, sondern vielmehr die Elektroden, die vom ICD-Gerät ins Herz geführt werden.[12] Da diese Elektroden bis ins Herz vorgeschoben werden müssen, sind sie relativ dünn und biegsam, was sie wiederum anfälliger für Elektrodenbrüche und entsprechende Folge-Komplikationen machen kann. Die Elektrode ist im Körper dauerhaft unter Belastung.[13] Bricht als Folge die Isolation der Elektrode oder der Leiter, kann es zu inadäquaten Schocks kommen, die die Morbidität und Mortalität erhöhen können.[14] Die Elektrode muss ausgetauscht werden, was das Risiko einer Infektion birgt.[15][16]

Vorteile des S-ICDs

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Der S-ICD wurde unter anderem dafür entwickelt, die mit den transvenösen Elektroden in Verbindung stehenden Komplikationsrisiken wie Pneumothorax, Hemothorax, Tamponade[17][18][19][20][21] oder Elektrodenperforation zu vermindern. Potentielle Komplikationen wie beispielsweise Infektionen des Blutkreislaufes und die Notwendigkeit, die im Herz liegenden Elektroden entfernen oder ersetzen zu müssen, sind beim S-ICD System minimiert oder vollständig beseitigt.[22][23] Im Gegensatz zu einem transvenösen ICD, bei dem Elektroden über eine Vene geführt und mit der Herzwand verbunden werden, liegt die Elektrode eines S-ICDs genau wie das ICD-Gerät selber außen am Brustkorb direkt unter der Haut und nicht im Herzen. Dadurch bleiben Herz und Vene vollständig unberührt. Dies reduziert mögliche Komplikationen (z. B. systemische Infektionen). Auch die Elektrodenposition außerhalb des Brustkorbs wirkt sich positiv aus. Die Elektrode darf dicker sein und ist somit robuster. Die Anzahl möglicher Elektrodenbrüche kann dadurch minimiert bzw. verringert und die Hauptschwachstelle der TV-ICDs somit weitestgehend umgangen werden.

Nachteile des S-ICDs

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Ein Nachteil eines SICD kann sein, dass es nicht möglich ist, mit diesen Geräten niederenergetische Schrittmacherimpulse zur Behandlung einer sich möglicherweise entwickelnden oder bereits bestehenden Bradykardie zu verabreichen, da die dafür notwendigen Elektrodensonden in das Herz nicht vorhanden sind. Ebenso können deswegen keine antitachykarden Schrittmacherimpulse zur Behandlung von ventrikulären Tachykardien vom Gerät verabreicht werden, die dem Patienten möglicherweise einen deutlich unangenehmeren Hochenergieschock ersparen würden. Diese Nachteile treffen aber nur auf solche Patienten zu, die von derartigen Therapien tatsächlich profitieren würden. In Zukunft soll durch die Kombination mit einem implantierten Herzschrittmachersystem, das ebenfalls ohne transvenöse Elektroden auskommt (leadless pacemaker), hierfür ein Ausgleich geschaffen werden. Diese kleinen, kapselförmigen, in sich geschlossenen leadless pacemaker-Geräte werden direkt in die rechte Herzkammer implantiert und befinden sich vollständig innerhalb der Herzkammern (intrakardial). Auch für diese Geräte sind daher keine Elektroden oder subkutanen Taschen erforderlich. Sie arbeiten mit dem SICD als modulares Gesamtsystem, das sich momentan allerdings noch in der klinischen Prüfung befindet.[24]

Bisher ist Boston Scientific der einzige Hersteller von S-ICD Systemen.

Implantationsverfahren im Vergleich: transvenös versus subkutan

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Implantationsverfahren für den transvenösen ICD Implantationsverfahren für den subkutanen ICD
Ein transvenöser ICD wird im linken Schulterbereich nahe dem Schlüsselbein implantiert. Selten wird für bestimmte Patienten oder aus speziellen Gründen die rechte Seite bevorzugt. Im Gegensatz zum transvenösen ICD wird das Gerät im linken Brustbereich neben dem Brustkorb implantiert; die Elektrode wird oberhalb des Brustbeins direkt unter die Haut gelegt.
Unter Durchleuchtung werden die Elektroden durch eine Vene und über die Herzklappe ins Herz geführt. Anhand anatomischer Orientierungspunkte wird die subkutane ICD-Elektrode unter der Haut platziert. Der subkutane ICD benötigt für die Therapieabgabe keine im Herzen implantierten Elektroden.
Je nach Zustand des Herzens werden 1, 2 oder 3 Elektroden im Herzen platziert. Sobald sich die Elektroden an Ort und Stelle befinden, werden sie mit der Herzwand verbunden, um optimale Konnektivität zu erzielen. Der subkutane ICD lässt Herz und Blutgefäße völlig unangetastet und intakt.

Einzelnachweise

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  1. Incidence of sudden cardiac death in Germany: results from an emergency medical service registry in Lower Saxony. Eimo Martens, Moritz F. Sinner, Johannes Siebermair, Carsten Raufhake, Britt M. Beckmann, Stefan Veith, Dieter Düvel, Gerhard Steinbeck and Stefan Kääb.
  2. http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/herzkreislauf/herzinfarkt/article/866033/ploetzlicher-herztod-erstmals-deutschland-genaue-zahlen.html.
  3. Worldwide experience with a totally subcutaneous implantable defibrillator: early results from the EFFORTLESS S-ICD Registry. Pier D. Lambiase, Craig Barr, Dominic A.M.J.Theuns, Reinoud Knops, Petr Neuzil, Jens Brock Johansen, Margaret Hood, Susanne Pedersen, Stefan Kääb, Francis Murgatroyd, Helen L. Reeve, Nathan Carter, and Lucas Boersma, and on behalf of the EFFORTLESS Investigators.
  4. Kadish A, Dyer A, Daubert JP et al. Prophylactic defibrillator implantation in patients with nonischemic dilated cardiomyopathy. N Engl J Med 2004;350:2151– 8.
  5. Moss AJ, Zareba W, Hall WJ et al. Prophylactic implantation of a defibrillator in patients with myocardial infarction and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2002;346:877– 83.
  6. Moss AJ, Hall WJ, Cannom DS et al. Improved survival with an implanted defibrillator in patients with coronary disease at high risk for ventricular arrhythmia. Multicenter Automatic Defibrillator Implantation Trial Investigators. N Engl J Med 1996; 335: 1933 – 1940.
  7. Moss AJ, Zareba W, Hall WJ et al. Prophylactic implantation of a defibrillator in patients with myocardial infarction and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2002; 346: 877 – 883.
  8. Bardy GH, Lee KL, Mark DB et al. Amiodarone or an implantable cardioverter-defibrillator for congestive heart failure. N Engl J Med 2005; 352: 225 – 237.
  9. Kuck KH, Cappato R, Siebels J et al. Randomized comparison of antiarrhythmic drug therapy with implantable defibrillators in patients resuscitated from cardiac arrest : the Cardiac Arrest Study Hamburg (CASH). Circulation 2000; 102: 748 – 754.
  10. Mirowski M, Reid PR, Mower MM, Watkins L, Gott VL, Schauble JF, Langer A, Heilman MS, Kolenik SA, Fischell RE, Weisfeldt ML. Termination of malignant ventricular arrhythmias with an implanted automatic defibrillator in human beings. N Engl J Med 1980;303:322–324.
  11. Der subkutane Defibrillator (S-ICD) – Beginn einer neuen Ära in der Prävention und Therapie des plötzlichen Herztodes? Jürgen Kuschyk, Martin Borggrefe, Susanne Röger.
  12. Duray GZ, Schmitt J, Cicek-Hartvig S et al. Complications leading to surgical revision in implantable cardioverter defibrillator patients: comparison of patients with single-chamber, dual-chamber, and biventricular devices. Europace 2009; 11: 297 – 302.
  13. Kleemann T, Becker T, Doenges K et al. Annual rate of transvenous defibrillation lead defects in implantable cardioverter-defibrillators over a period of >10 years. Circulation 2007; 115: 2474 – 2480.
  14. Poole JE, Johnson GW, Hellkamp AS et al. Prognostic importance of defibrillator shocks in patients with heart failure. N Engl J Med 2008; 359: 1009 – 1017.
  15. Klug D, Balde M, Pavin D. et al. Risk factors related to infections of implanted pacemakers and cardioverter-defibrillators: results of a large prospective study. Circulation. 2007;116:1349–55.
  16. Risk Factors Related to Infections of Implanted Pacemakers and Cardioverter-Defibrillators Results of a Large Prospective Study. Didier Klug, MD, PhD; Mamadou Balde, MD; Dominique Pavin, MD; Françoise Hidden-Lucet, MD; Jacques Clementy, MD; Nicolas Sadoul, MD; Jean Luc Rey, MD; Gilles Lande, MD; Arnaud Lazarus, MD; Jacques Victor, MD; Claude Barnay, MD; Bruno Grandbastien, MD; Salem Kacet, MD; for the PEOPLE Study Group.
  17. Grimm W, Menz V, Hoffmann J et al. Complications of third-generation implantable cardioverter defibrillator therapy. Pacing Clin Electrophysiol 1999;22:206-11.
  18. van Rooden CJ, Molhoek SG, Rosendaal FR, Schalij MJ, Meinders AE, Huisman MV. Incidence and risk factors of early venous thrombosis associated with permanent pacemaker leads. J Cardiovasc Electrophysiol 2004;15:1258-62.
  19. Alter P, Waldhans S, Plachta E, Moosdorf R, Grimm W. Complications of implantable cardioverter defibrillator therapy in 440 consecutive patients. Pacing Clin Electrophysiol 2005;28:926-32.
  20. Khairy P, Landzberg MJ, Gatzoulis MA et al. Transvenous pacing leads and systemic thromboemboli in patients with intracardiac shunts: a multicenter study. Circulation 2006;113:2391-7.
  21. Epstein AE, Baker JH II, Beau SL, Deering TF, Greenberg SM, Goldman DS. Performance of the St. Jude Medical Riataleads. Heart Rhythm 2009;6:204-9.
  22. Lambiase PD, Barr C, Theuns DA et al. Worldwide experience with a totally subcutaneous implantable defibrillator: early results from the EFFORTLESS S-ICD Registry. Eur Heart J 2014; 35: 1657 – 1765.
  23. Burke MC, Gold MR, Knight BP et al. Safety and Efficacy of the Totally Subcutaneous Implantable Defibrillator: 2-Year Results From a Pooled Analysis of the IDE Study and EFFORTLESS Registry. J Am Coll Cardiol 2015; 65: 1605 – 1615.
  24. News Releases: Cleveland Clinic Performs First Implant of a Leadless Pacemaker Defibrillator System. 2. Dezember 2021, abgerufen am 29. Dezember 2021 (amerikanisches Englisch).