Szary Wilk

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Das erbeutete Sd.Kfz. 251 in Vorbeifahrt auf der noch nicht zerstörten Tamka-Straße. Der vorne stehende Offizier mit der MP 40 ist der erste Kommandant des eroberten Fahrzeuges, Adam Dewicz (Pseudonym Szary Wilk). Nach seinem Tod wurde der Transporter nach ihm benannt.[1] Die Szene wurde vom AK-Fotografen Sylwester Braun (1909–1996) aufgenommen, der rund 3000 Fotos des Aufstandes anfertigte.

Als Szary Wilk (deutsch Grauer Wolf) wurde ein Schützenpanzerwagen der Wehrmacht bezeichnet, der während des Warschauer Aufstandes in die Hände der Polnischen Heimatarmee (AK) fiel und von ihr bei nachfolgenden Kampfhandlungen eingesetzt wurde. Die Erbeutung und der Einsatz des feindlichen Fahrzeuges durch die schlecht ausgerüstete AK hatten eine große Bedeutung während des Aufstandes und wurde auch nach Kriegsende thematisiert.

Im Verlaufe der Gefechte im Rahmen des Warschauer Aufstandes fielen verschiedene deutsche Kampffahrzeuge in die Hände der Aufständischen. So konnten deren Einheiten am 2. August 1944 zwei Panzerkampfwagen V Panther der 19. Panzer-Division im Stadtteil Wola an der Kreuzung Mirecki- und Okopowa-Straße erbeuten. Nach Instandsetzung wurden die beiden Fahrzeuge von dem AK-Bataillon Zoska unter den Kampfnamen Magda und WP eingesetzt.[2] Ebenfalls am 2. August konnte in der Szpitalna-Straße ein Jagdpanzer 38 der Heeres-Panzerjäger-Abteilung 743 der 9. Armee zunächst kampfunfähig gemacht und dann übernommen werden. Der Panzer wurde nach Reparatur unter dem Namen Chwat bei Kampfhandlungen verwendet.

Bei Kämpfen in der Innenstadt konnten zwei Schützenpanzerwagen Sd.Kfz. 251 (Ausführung D) sichergestellt werden. Diese Fahrzeuge wurden von der Wehrmacht eingesetzt, um Infanterieangriffe oder den Transport von Verwundeten zu unterstützen. Einer der Transporter wurde am 5. August in der Warschauer Altstadt erbeutet und erhielt deshalb den Namen Starowka (deutsch: Altstadt). Nach dem Löschen des durch Brandflaschen verursachten Feuers wurde das Fahrzeug zur Kanonia-Straße gebracht. Es wurde nicht in den engen, verbarrikadierten Straßen eingesetzt, sondern stand in einem Glockenturm an der Johanneskathedrale, wo es bis zu den letzten Tagen der dort stattfindenden heftigen Kämpfe Teil einer Barrikade war.[3]

Der Schützenpanzerwagen am 14. August in einem Garten an der Okólnik-Straße mit Journalisten der AK-Presse und dem Kommandeur der Krybar-Kampfgruppe, Hauptmann Cyprian Odorkiewicz
Transport von AK-Soldaten im Sd.Kfz. in ihr Einsatzgebiet, hier an einer Barrikade in der Kopernik-Straße

Ein zweites Halbkettenfahrzeug (Kennzeichen SS-946114) gehörte zur 5. SS-Panzer-Division „Wiking“; es wurde am 14. August bei Kämpfen in der Kopernik-Straße (Stadtteil Powiśle) verloren. Das deutsche Fahrzeug sollte vermutlich Kontakt mit der abgetrennten deutschen Besatzung der Universität Warschau aufnehmen; dabei bog der Fahrer versehentlich in die von der AK eroberte Tamka-Straße ein; das Fahrzeug fiel nach kurzem Gefecht in die Hände der 2. Kompanie der VIII. Krybar-Kampfgruppe unter Leutnant Jan Jasieński (Pseudonym: Jasia). Anschließend wurde es der motorisierten Abteilung von Leutnant Wacław Jastrzębowski (Pseudonym: Aspira), ebenfalls Teil der Krybar-Gruppe, zugeteilt.[4]

Der Schützenpanzerwagen wurde von den Aufständischen leicht modifiziert: Der offene Innenraum wurde mit zwei gepanzerten, schrägen Dachhälften so abgedeckt, dass durch die entstehenden Lücken mit Handfeuerwaffen geschossen werden konnte. Bei der AK erhielt das Fahrzeug zunächst den Namen Wiking, kurz darauf Jaś (Pseudonym des erobernden Kompaniechefs) und nach dem Tod seines ersten Kommandanten dessen Kampfnamen, Szary Wilk. Nachfolger als Kommandant wurde Leutnant Jerzy Łęczycki (Pseudonym: Niesobi).[4]

Zusammen mit dem von Aufständischen gebauten Panzerwagen Kubuś wurde der Schützenpanzerwagen im Garten hinter dem damaligen Musikkonservatorium in der Okólnik-Straße stationiert. Beide Fahrzeuge beteiligten sich an Angriffen auf den von den Deutschen befestigten Gebäudekomplex der Universität Warschau am 23. August sowie am 2. September 1944, die jeweils erfolglos abgebrochen werden mussten.[5] Nach den Angriffen kehrte der Transporter nicht in die Okólnik-Straße zurück, sondern verblieb in der Konopczyński-Straße. Er wurde von der AK bis zum 6. September genutzt. Während des Rückzugs aus Powiśle beschädigten die Aufständischen den Transporter, den sie nicht mitführen konnten. Das Schicksal des Wracks ist nicht bekannt; es wurde später vermutlich von deutschen Truppen entfernt.[3]

Die Krybar-Kampfgruppe (polnisch: Grupa Bojowa Krybar) war eine im Warschauer Aufstand im Gebiet von Powiśle im Bezirk I der AK-Bereichs Śródmieście vom 5. August bis zum 3. September 1944 kämpfende Einheit in Bataillonsstärke. Die Kampfgruppe wurde am 5. August 1944 in Form des Zusammenschlusses der bisherigen Teile der III und VIII Gruppe und der WSOP[6]-Einheit Elektrownia gebildet. Die Führung wurde Hauptmann Cyprian Odorkiewicz übertragen; der von ihm gewählte Kampfname Krybar bezog sich auf die Anfangsbuchstaben der Namen seiner Töchter Krystyna und Barbara. Ab dem 3. September wurde sie in die in der Altstadt kämpfende Powiśle-Kampfgruppe von Major Stanisław Błaszczak (Pseudonym: Róg) eingegliedert. Am 6. September wurde diese Einheit nach dem Fall von Powiśle aufgelöst.

Die Erbeutung der feindlichen Kampffahrzeuge durch die an technischer Ausrüstung weit unterlegenen Aufständischen war von erheblicher symbolischer Bedeutung; sie wurden der eigenen Truppe und der Bevölkerung stolz präsentiert.[7] Aufgrund der geringen Stückzahl sind diese Fahrzeugübernahmen nicht repräsentativ für das Kampfgeschehen, sondern als herausragende Einzelerfolge zu werten.[8]

Das Foto des Truppentransporters Szary Wilk mit der weiß-roten polnischen Fahne gehört heute zu den symbolträchtigsten Abbildungen des Warschauer Aufstandes. Es wird regelmäßig bei Ausstellungen, Berichten und in Büchern gezeigt[1][9] und diente als Vorlage zum Motiv einer polnischen 50-Zloty-Briefmarke der „Poczta Solidarność“ aus der Serie „Warszawa 1944“. Dabei wurden Hintergrund und Besatzung geändert; das Fahrzeug auf der Briefmarke sollte einen kämpferischeren Eindruck als das auf dem Foto machen.[8]

Commons: Szary Wilk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Michał Pawlik: 14. dzień Powstania Warszawskiego. In: warszawa.pl. 14. August 2014, abgerufen am 17. August 2019 (polnisch).
  2. Tadeusz Zawacki: Broń powstańczej Warszawy. In: Polityka. 3. August 2010, abgerufen am 17. August 2019 (polnisch).
  3. a b Janusz Wałkuski: Pancerna broń niemiecka i lotnictwo podczas Powstania Warszawskiego. In: Website der Stowarzyszenia Pamięci Powstania Warszawskiego 1944. 2011, abgerufen am 17. August 2019 (polnisch).
  4. a b Marek Cieciura: Pojazdy Armii Krajowej w Powstaniu Warszawskim. (pdf, 28,5 MB) In: Historia Armii Krajowej Leksykon krzyżówkowy. 1. April 2015, S. 259–260, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. April 2021; abgerufen am 17. August 2019 (polnisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/armiakrajowa.org.pl
  5. Verweis auf Borkiewicz: Powstanie Warszawskie 1944, S. 383 ff., 449 ff. und 703. In: Florian Peters: „Das große Abenteuer ihres Lebens“: Geschichtsbilder und Symbolik der Armia Krajowa und des Warschauer Aufstands im polnischen „Zweiten Umlauf“ (1980–1989). (pdf, 2,5 MB) Forschungsstelle Osteuropa, Bremen, Arbeitspapiere und Materialien, 106; ISSN 1616-7384, Dezember 2009, S. 44, Fußnote 12, abgerufen am 17. August 2019.
  6. Wojskowa Służba Ochrony Powstania (WSOP)
  7. Sierpniowy szturm na UW: Codzienne bolączki. In: Robert Gawkowski: Krybar: Uniwersytet w cieniu powstańczych walk. Verlag der Universität Warschau (WUW), Warschau 2014, ISBN 978-83-235-1459-6, S. 130 (polnisch).
  8. a b Florian Peters: „Das große Abenteuer ihres Lebens“: Geschichtsbilder und Symbolik der Armia Krajowa und des Warschauer Aufstands im polnischen „Zweiten Umlauf“ (1980–1989). (pdf, 2,5 MB) Forschungsstelle Osteuropa, Bremen, Arbeitspapiere und Materialien, 106; ISSN 1616-7384, Dezember 2009, S. 44 und S. 74, Abbildung 29, abgerufen am 17. August 2019.
  9. Weitere Verwendung des Fotos in den 2010er Jahren in Massenmedien (beispielhaft):
    Powstanie Warszawskie na zdjęciach. In: Wirtualna Polska. 31. Juli 2012, abgerufen am 17. August 2019 (polnisch, dt.: „Der Warschauer Aufstand in Bildern“).
    Tak upadało Powstanie Warszawskie. Zdjęcia z roku 1944. In: Dziennik. 2. Oktober 2014, abgerufen am 17. August 2019 (polnisch).
    69. rocznica wybuchu Powstania Warszawskiego. In: Newsweek Polska. 1. August 2013, abgerufen am 17. August 2019 (polnisch).