Talmud

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Babylonischer Talmud, Titelblatt der Wilnaer Ausgabe, 1880 bis 1886, der gebräuchlichsten Ausgabe des Talmud

Der Talmud (hebräisch תַּלְמוּד, deutsch Belehrung, Studium) ist eines der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums. Er besteht aus zwei Teilen, der älteren Mischna und der jüngeren Gemara, und liegt in zwei Ausgaben vor: Babylonischer Talmud (hebräisch תַּלְמוּד בַּבְלִי Talmud Bavli) und Jerusalemer Talmud (hebräisch תַּלְמוּד יְרוּשָׁלְמִי Talmud Jeruschalmi). Der Talmud enthält selbst keine biblischen Gesetzestexte (Tanach), sondern zeigt auf, wie diese Regeln in der Praxis und im Alltag von den Rabbinern verstanden und ausgelegt wurden.

Zeitliche Einordnung

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Der Talmud hat zwei Bestandteile: die Mischna (hebräisch משנה, Abschluss um 200 n. Chr.), ein schriftliches Kompendium der mündlichen Tora, und die Gemara (hebräisch גמרא entstanden um 500 n. Chr., Abschluss des babylonischen Talmuds um 600 n. Chr.) Der Begriff „Talmud“ kann sich entweder auf die Gemara allein oder auf die Mischna und die Gemara zusammen beziehen.[1][2]

Talmud ist ein von der hebräischen Verbwurzel למד lmd, deutsch ‚lernen‘, abgeleitetes Substantiv. Die „Lehre“ bezeichnet sowohl die Tätigkeit des Studiums, des Lehrens und Lernens, als auch den Gegenstand des Studiums.

Die aramäische Entsprechung der hebräischen Wurzel ist גמר gmr, deutsch ‚abschließen, beenden‘. Von ihr leitet sich der Begriff Gemara (גְּמָרָא) ab, der im übertragenen Sinn ebenfalls „Lehre“ bedeutet.

Der Talmud liegt in zwei großen Ausgaben vor: Babylonischer Talmud (abgekürzt: bT) und Jerusalemer Talmud (abgekürzt: jT), die sich jeweils aus der Mischna und deren jeweiliger Kommentierung, der Gemara zusammensetzen. Nicht zu allen Mischnatraktaten existiert in jeder der genannten Talmudausgaben eine Gemara. Wenn vereinfachend vom Talmud gesprochen wird, ist in der Regel der Babylonische Talmud gemeint.

Babylonischer Talmud

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Nach Umfang, inhaltlichem Gewicht und Wirkungsgeschichte ist der Babylonische Talmud (hebräisch תַּלְמוּד בַּבְלִי Talmud Bavli, aramäisch תַּלְמוּדָא דְבָבֶל Talmuda deVavel) das bedeutendere Werk. Er entstand in den relativ großen, geschlossenen jüdischen Siedlungsgebieten in Babylonien bzw. Mesopotamien.[3] Diese gewannen nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im 1. Jahrhundert n. Chr. an Bedeutung, weil sie zum Parther- bzw. später zum Sassanidenreich gehörten und damit außerhalb des römischen bzw. oströmischen Machtbereichs lagen. Vor allem die sassanidischen Könige verfolgten in der Regel eine sehr tolerante Religionspolitik, und die jüdischen Gemeinden im heutigen Irak blühten unter ihrer Herrschaft auf. Wichtige Gelehrtenschulen, deren Diskussionen im babylonischen Talmud ihren Niederschlag gefunden haben, befanden sich in Sura und Pumbedita, anfangs auch in Nehardea. Als maßgebliche Autoren gelten die Rabbiner Abba Arikha (genannt Raw), Samuel Jarchinai (Mar) sowie Rav Aschi.

Jerusalemer Talmud (Palästinischer Talmud)

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Der erheblich kürzere Talmud Jeruschalmi entstand in Palästina[4]. Er ist weniger bedeutend als der Babylonische Talmud und in seinen Bestimmungen oft weniger streng. Hier gilt nach jüdischer Tradition, die auf Maimonides zurückgeht, als wichtigster Autor Rabbi Jochanan. Für den Jerusalemer Talmud gibt es verschiedene Bezeichnungen:[5]

  • Im Altertum nannte man ihn ursprünglich תַּלְמוּד יְרוּשָׁלְמִי Talmud Jeruschalmi – oder kurz יְרוּשָׁלְמִי Jeruschalmi.
  • Spätere Bezeichnungen sind:
    • hebräisch תַּלְמוּד אֶרֶץ יִשְׂרָאֵל Talmud Eretz Jisrael ‚Talmud des Landes Israel
    • aramäisch גְּמָרָא דְאֶרֶץ יִשְׂרָאֵל Gemara deʾEretz Jisrael ‚Gemara des Landes Israel‘
    • aramäisch תַּלְמוּדָא דְמַעֲרָבָא Talmuda demaʿarava ‚Talmud des Westens‘
    • aramäisch גְּמָרָא דִבְנֵי מַעֲרָבָא Gemara divne maʿarava ‚Talmud der Söhne des Westens‘
  • Heute nennt man ihn meist Talmud Jeruschalmi beziehungsweise Jerusalemer Talmud.
  • In europäischen Sprachen wurde der Jerusalemer Talmud oft Palästinischer Talmud,[6] genannt; insbesondere in älterer Literatur begegnet auch die Bezeichnung Palästinensischer Talmud.[7]

Der erste Druck des lange zuvor entstandenen babylonischen Talmud aus dem Jahr 1523, ediert von Jacob Ben Chajim, stammt aus der Druckerei von Daniel Bomberg, einem aus Antwerpen stammenden Christen, der zwischen 1516 und 1539 in Venedig tätig war. Die von Bomberg eingeführte Folio-Zählung wird heute noch benutzt.

Aufbau und Inhalt

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Babylonischer Talmud (Wilnaer Ausgabe): Beginn des Traktats Berachoth. In der Mitte die Mischna, ab Zeile 14 die Gemara (beginnend mit der hervorgehobenen Abkürzung „גמ“). Innen (hier: rechter Rand) der Kommentar von Raschi, außen (hier: linker Rand) spätere Kommentare.

Der Text des Talmud lässt sich anhand verschiedener Kriterien unterteilen:

Mischna und Gemara (Textgrundlage und Kommentar)

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Ausgangspunkt des Talmuds ist die Mischna (hebräisch מִשְׁנָה ‚(Lehre durch) Wiederholung‘). Die Mischna ist die erste Niederschrift der mündlichen Tora (תּוֹרָה שֶׁבְּעַל-פֶּה tora sche-be-al-pe), jenes Teils der Tora, den Gott nach jüdischer Tradition Mose am Berg Sinai mündlich offenbart hat und der in der Folgezeit über Jahrhunderte mündlich weitergegeben, im 1. oder 2. Jahrhundert schließlich aber kodifiziert wurde. Ihre endgültige Form fand die in Hebräisch abgefasste Mischna im 2. Jahrhundert unter redaktioneller Federführung von Jehuda ha-Nasi. Daher ist sie im Babylonischen wie im Jerusalemer Talmud im Wesentlichen in identischer Form abgebildet. In den Talmudhandschriften werden die Mischnastücke, auf die Gemara Bezug nimmt, oft nur anzitiert und nicht vollständig wiedergegeben; ihre Kenntnis wurde beim gelehrten Leser vorausgesetzt.

Wenn der Talmud als solcher zitiert wird, ist immer die Gemara gemeint (aramäisch: ‚Vollendung‘,‚Lehre‘, ‚Wissenschaft‘). Die Gemara besteht aus Kommentaren und Analysen zur Mischna. Diese sind die Frucht umfangreicher und tief philosophischer Diskussionen unter jüdischen Gelehrten insbesondere in den Akademien von Sura und Pumbedita. Ausgehend von den meist rein juristischen Fragestellungen wurden Verbindungen zu anderen Gebieten wie Medizin, Naturwissenschaft, Geschichte oder Pädagogik hergestellt. Auch wurde der eher sachliche Stil der Mischna mit diversen Fabeln, Sagen, Gleichnissen, Rätseln etc. erweitert. Die meisten in der Gemara zitierten Gelehrten wirkten im 3. bis 5. Jahrhundert. Zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert wurden die beiden, d. h. die babylonische und die Jerusalemer Fassung der Gemara abgeschlossen. Während die Mischna beiden Talmudausgaben gemeinsam ist, unterschieden sich die Gemara des babylonischen und des Jerusalemer Talmud erheblich.

In Handschriften und Drucken des Babylonischen Talmuds kommen schließlich als gewissermaßen dritte Schicht die Kommentare aus späterer Zeit hinzu. Hervorzuheben sind insbesondere jene von Raschi (Rabbi Schlomo ben Jizchak), einem im 11. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland wirkenden Talmudgelehrten.

Die ständige Fortentwicklung der Tradition durch Diskussionen, Kommentare und Analysen prägt den durchgängig dialektischen Stil des Talmuds. Das bevorzugte Mittel der Darstellung ist der Dialog zwischen verschiedenen rabbinischen Lehrmeinungen, der am Ende zu einer Entscheidung führt und den maßgeblichen Stand der Tradition wiedergibt.

Die Anordnung der Textteile auf einer typischen Talmudseite ist wie folgt: Den Haupttext in der Mitte jeder Seite bilden einander abwechselnd Mischna und Gemara. Der Textstreifen am oberen Innenrand einer Seite enthält den Kommentar Raschis, der am Außenrand und ggf. am unteren Rand schließlich etwaige weitere Kommentare.

Aufbau einer typischen Talmudseite. Bezeichnungen in polnischer Sprache: Traktat Nazwa=Kapitelname; Mizna=Mischnatext; Gemara=Gemaratext; Komentarz Szlomo ben Icchak=Kommentar von Shlomo ben Jitzhak (Raschi); Komentarz-Tosafot=Tosaphisten-Texte (Enkel und Schüler von Raschi); Komentarz=weitere Kommentare; Równoległość=Parallelverweise

Die sechs Ordnungen (sachliche Einteilung)

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Eine zweite äußere Gliederungssystematik fußt auf sachlichen Prinzipien. Beide Talmude sind, wie die ihnen zugrundeliegende Mischna, in 6 „Ordnungen“ (סְדַרִים sədarîm, im Singular סֵדֶר sædær) eingeteilt, diese wiederum in 7 bis 12 Traktate (מַסֶּכְתֹּות massækhtôt, Singular מַסֶּכֶת massækhæt). Die Traktate wiederum bestehen aus Abschnitten und letztlich aus einzelnen Mischnajot (Plural von Mischna). Diese Gliederung in „sechs Ordnungen“ hat zu der im orthodoxen Judentum geläufigen Bezeichnung Schas (ש״ס) für den Talmud geführt (Abkürzung von hebräisch שִׁשָּׁה סְדַרִים šiššāh sədarîm, deutsch ‚sechs Ordnungen‘).

Die Titel der Ordnungen lauten:

Halacha und Aggada (funktionale Differenzierung)

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Quer zur bereits genannten Einteilung des Talmud lässt sich dessen Text auf zwei Themenbereiche verteilen: Neben der praxisnahen Auslegung der gesetzlichen Vorschriften (Halacha, הלכה, wörtlich: ‚Gehen‘) stehen erzählerische und erbauliche (homiletischen) Betrachtungen (Aggada, אגדה, wörtlich: ‚Erzählen‘). Letztere findet sich vor allem in der Gemara, jedoch kaum in der Mischna, die nahezu ausschließlich aus Halacha besteht.

In seinem Gedicht Jehuda Ben Halevy vergleicht Heinrich Heine die Halacha mit einer „Fechterschule, wo die besten dialektischen Athleten […] ihre Kämpferspiele trieben“. Die Aggada, die er fälschlich „Hagada“ nennt, sei indes „ein Garten, hochphantastisch“, in dem es „schöne alte Sagen, Engelmärchen und Legenden“ gebe, „stille Märtyrerhistorien, Festgesänge, Weisheitssprüche (…)“.

Die Sprache der Gemara ist Aramäisch. Die jeweils zitierte Mischna, auf die die Gemara Bezug nimmt, ist auf Hebräisch. Die Kommentare, die zur Erläuterung der Gemara im Talmud mit abgedruckt sind, sind meist hebräisch. Der Talmud wird gewöhnlich in den Originalsprachen studiert.

Im Jüdischen Verlag erschien 1929 bis 1936 die erste und bisher einzige vollständige und unzensierte deutsche Übersetzung des Babylonischen Talmud. Die Übersetzung stammt von Lazarus Goldschmidt.[8] Diese Ausgabe umfasst 12 Bände.[9] Im Seitenaufbau weicht sie von den gängigen Ausgaben ab. Die Mischna ist in Kapitälchen gesetzt. Darunter folgt die Gemara im normalen Satz. Sie wird jeweils mit dem in Großbuchstaben gesetzten Wort „Gemara“ eingeleitet. Zusätzliche Anmerkungen zur Mischna oder Gemara sind als Fußnoten gesetzt. In der Originalausgabe und in den Nachdrucken gibt es nur ein Inhaltsverzeichnis pro Band, kein Gesamtverzeichnis für alle Bände. Auch die Einteilung in Sektionen geben diese Verzeichnisse nicht wieder.

Antijudaistische und antisemitische Talmud-Kritik

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Da der Talmud in der Wahrnehmung sehr mit dem Wesen des Judentums selbst identifiziert wurde, richteten sich Angriffe gegen das Judentum meist auch gegen diesen.

Bereits frühzeitig wurde Juden die Beschäftigung mit dem Religionsgesetz mehrfach untersagt. Solch ein Verbot wird von der rabbinischen Geschichtsschreibung als einer der Gründe des Bar-Kochba-Aufstands angegeben. Im Jahr 553 erließ Kaiser Justinian I. ein Gesetz, das Juden das Studium der deuterosis verbot, womit die Mischna oder Beschäftigung mit der Halacha allgemein gemeint war. Papst Leo VI. erneuerte später dieses Verbot.[10]

Palästinischer Talmud, mittelalterliche Handschrift aus der Kairoer Geniza

Im Mittelalter kam es zu stärkeren Anfeindungen gegenüber dem Talmud. Manche dieser Angriffe stammten von zum Christentum konvertierten Juden. So ging die Talmuddisputation von Paris 1240 von dem Konvertiten Nikolaus Donin aus, der 1224 von den Rabbinern in den Bann getan worden war und 1236 zum Christentum konvertiert war. 1238 forderte er in einer Schrift mit 35 Punkten gegen den Talmud dessen Verbot von Papst Gregor IX. Als Folge der Disputation zwischen Donin und Rabbi Jechiel ben Josef kam es 1242 zur ersten großen Talmudverbrennung.

1244 verfügte Papst Innozenz IV. zunächst die Vernichtung aller Ausgaben des Talmud. Er revidierte dieses Urteil 1247 auf jüdische Bitte hin, veranlasste aber die Zensur des Talmud und beauftragte gleichzeitig eine Untersuchungskommission der Universität von Paris, der 40 Sachverständige angehörten, darunter Albertus Magnus. Die Kommission kam zu einer erneuten Verurteilung, die 1248 verkündet wurde.[11]

In einer weiteren Disputation über den Talmud zwischen dem vom Judentum zum Christentum übergetretenen Pablo Christiani und dem jüdischen Gelehrten Nachmanides 1263 in Barcelona erklärte König Jakob von Aragón dagegen Nachmanides zum Sieger. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts gingen dann Disputationen, Konzile und Kirchenversammlungen mit Verboten, Beschlagnahmungen und Verbrennungen des Talmud einher. Papst Julius III. ließ im Jahr 1553 in Rom das Werk beschlagnahmen und die eingesammelten Exemplare am 9. September, dem jüdischen Neujahrstag, öffentlich verbrennen. Danach trat die Inquisition auf den Plan, die in einem Dekret Talmudverbrennungen den Herrschern in allen christlichen Ländern empfahl. Unter Androhen ihres Vermögensverlustes sollten Juden zur Ablieferung der Talmudexemplare binnen dreier Tage gezwungen werden. Christen sollten mit der Exkommunikation belangt werden, falls sie es wagen sollten, den Talmud zu lesen, aufzubewahren oder Juden in dieser Sache behilflich zu sein.[12]

In antijudaistischen Publikationen wurden Stellen aus dem Talmud zitiert, um die jüdische Religion und Tradition in Misskredit zu bringen.[13][14] Teilweise handelt es sich bei den „Zitaten“ um Fälschungen. Aber auch die echten Zitate sind in der Regel aus dem Zusammenhang gerissen und tragen der im Talmud vorherrschenden Form der dialogischen, oft kontroversen Annäherung an ein Thema nicht Rechnung. Im talmudischen Diskurs werden oft auch bewusst unhaltbare Thesen (etwa: „Nichtjuden sind keine Menschen“) in die Diskussion geworfen, um sie daraufhin im Dialog zu widerlegen. Antijudaisten verwenden bis in die Gegenwart bevorzugt solche „Thesen“, verschweigen jedoch die folgenden Antithesen, so dass ein verfälschter Gesamteindruck der religiösen Leitlinien des Talmuds und der jüdischen Religion insgesamt entsteht.

Eine Ausnahme war der Humanist Johannes Reuchlin, der als erster deutscher und nichtjüdischer Hebraist gilt, der zum besseren Verständnis die hebräische Sprache und Schrift erlernte. Er veröffentlichte eine hebräische Grammatik, schrieb über die Kabbala und verteidigte den Talmud und die jüdischen Schriften im Streit mit Johannes Pfefferkorn.[15]

Der seit 1966 im Jüdischen Museum der Schweiz ausgestellte Talmud vereint Teile aus den ersten beiden Talmud-Drucken von Daniel Bomberg und Ambrosius Froben.[16]

Der Reformator Martin Luther forderte 1543 in seiner Schrift Von den Jüden vnd jren Lügen neben dem Verbrennen von Synagogen und jüdischen Häusern auch die Konfiszierung aller jüdischen Bücher einschließlich des Talmuds. Aber auch die katholische Kirche setzte in der Gegenreformation den Talmud 1559 auf den ersten Index verbotener Bücher.

Im 17. Jahrhundert gab es einige Humanisten und christliche Hebraisten, die den Talmud gegen den damaligen Antijudaismus in Schutz nahmen und versuchten, mit Hilfe des Talmuds und der rabbinischen Literatur das Neue Testament und das Christentum besser zu verstehen. Daniel Bomberg (1478/80–1549) verlegte als erster christlicher Drucker die Gesamtausgabe des Babylonischen Talmuds in Venedig. Ihm folgte Ambrosius Froben in Basel mit einer Ausgabe 1578.[17] Der Basler Theologe Johann Buxtorf der Jüngere übersetzte 1629 das religionsphilosophische Werk Führer der Unschlüssigen des mittelalterlichen jüdischen Gelehrten Maimonides und vollendete 1639 das von seinem Vater Johann Buxtorf dem Älteren begonnene Lexicon chaldaicum, talmudicum et rabbinicum.[18] Der anglikanische Theologe John Lightfoot stellte in Horae Hebraicae Talmudicae von 1685 erstmals die talmudischen Parallelen zum Neuen Testament zusammen.

Der antijüdische Autor Johann Andreas Eisenmenger sammelte die Textstellen aus der ihm bekannten rabbinischen Literatur, besonders des Talmuds, die geeignet waren, das Judentum zu diskreditieren und antijüdische Vorurteile zu bestärken, und veröffentlichte sie 1700 unter dem Titel Entdecktes Judenthum. Das Werk gilt als das populärste der zahlreichen von christlichen Autoren gegen die rabbinische Literatur verfassten Polemiken. Es diente auch für August Rohlings Hetzschrift Der Talmudjude als Quelle, später auch für viele weitere Vertreter des Antisemitismus.[19]

Die Praxis, den Talmud zur Verunglimpfung des Judentums und der Juden zu missbrauchen, ist auch heute im christlichen, muslimischen oder säkularen Antijudaismus/Antisemitismus verbreitet.[20]

Textausgaben und Übersetzungen

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Babylonischer Talmud

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  • Nivard Schlögl: Der babylonische Talmud. Burgverlag, Richter & Zöllner, Wien 1921.
  • Der babylonische Talmud. Ausgewählt, übersetzt und erklärt von Reinhold Mayer. Wilhelm Goldmann, München 1963 (etwa 600 Seiten)
    Babylonischer Talmud, moderne Ausgabe in 20 Bänden
  • Lazarus Goldschmidt (Übersetzer): Der Babylonische Talmud, 12 Bde., Berlin 1929–1936, Judaica Frankfurt
  • I. Epstein (Hrsg.): The Babylonian Talmud. Ins Englische übersetzt und mit Anmerkungen versehen. 35 Bände, London 1935–1952 (Nachdruck in 18 Bänden London 1961)
  • The Schottenstein Edition Talmud Bavli. English Edition. Mesorah Artscroll. New York
  • The Safra Edition Talmud Bavli. Französische Übersetzung aus dem Mesorah Artscroll Verlag. New York

Jerusalemer Talmud

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  • Chayim Yehoshua Kasovsky: Thesaurus Talmudis. Concordantiae Verborum quae in Talmude Babilonico reperiuntur, 41 Bände, Jerusalem 1954–1982
  • Biniamin Kosowsky: Thesaurus Nominum Quae in Talmude Babylonico Reperiuntur, Jerusalem 1976 ff.
  • Abraham Berliner: Censur und Confiscation hebräischer Bücher im Kirchenstaate. Auf Grund der Inquisitions Akten in der Vaticana und Vallicellana. Verlag Itzkowski, Berlin 1891
  • Raphael Rabbinovicz: Diqduqe Soferim. Variae Lectiones in Mischnam et in Talmud Babylonicum. Mayana-Hokma 1959/60 (16 Bde.; Nachdruck der Ausgabe München 1868–1886).
  • Jacob Neusner: The Formation of the Babylonian Talmud (Studia post-biblica; 17). Brill, Leiden 1970
  • Moshe Carmilly-Weinberger: Censorship and freedom of expression in Jewish history. Sepher-Hermon-Press, New York 1977, ISBN 0-87203-070-9.
  • Marc-Alain Ouaknin: Das verbrannte Buch. Den Talmud lesen. Edition Quadriga, Berlin 1990, ISBN 3-88679-182-3.
  • Samuel Singer: Sagengeschichtliche Parallelen aus dem babylonischen Talmud. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 2, 1892, S. 293–301.
  • Günter Stemberger: Einleitung in Talmud und Midrasch. 8. Aufl. Beck, München 1992, ISBN 3-406-36695-3.
  • Leo Prijis: Die Welt des Judentums. Religion, Geschichte, Lebensweise. 4. Aufl. Beck, München 1996, ISBN 3-406-36733-X, S. 55 ff.
  • Barbara Beuys: Heimat und Hölle. Jüdisches Leben in Europa durch zwei Jahrtausende. Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-498-00590-1, S. 114 ff.
  • Hannelore Noack: „Unbelehrbar?“ Antijüdische Agitation mit entstellten Talmudzitaten; antisemitische Aufwiegelung durch Verteufelung der Juden. University Press, Paderborn 2001, ISBN 3-935023-99-5 (zugl. Dissertation, Universität Paderborn 1999).
  • Karl Heinrich Rengstorf, Siegfried von Kortzfleisch (Hrsg.): Kirche und Synagoge. Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Darstellung mit Quellen, Band 1, dtv/Klett-Cotta München 1988, ISBN 3-423-04478-0, S. 227–233.
  • Yaacov Zinvirt: Tor zum Talmud, Lit, Berlin 2010, ISBN 978-3-8258-1882-1.
Wiktionary: Talmud – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Babylonian Talmud – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Talmud – Zitate
Wikisource: Der babylonische Talmud – Quellen und Volltexte (hebräisch)

Einzelnachweise

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  1. Jakob Fromer: Grundlagen der jüdischen Religion: Die Geschichte des Talmud. HaGalil.com [1]
  2. Michael Guttmann: III. Zur Entstehung des Talmuds. In: Leo Baeck (Hrsg.): Entwicklungsstufen der jüdischen Religion. De Gruyter, Berlin / Boston 1927, S. 43–60.
  3. Die Bezeichnung Babylonien bzw. Babel (hebräisch und aramäisch בבל) überdauerte die Existenz des neubabylonischen Reiches, zunächst als Provinzname im Achämenidenreich (Satrapie Babylonien), später als Landschaftsname. Als (Provinz-)Hauptstadt war Babylon bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. zunächst durch Seleukia, später durch Ktesiphon abgelöst worden.
  4. römischen Provinz Syria Palaestina
  5. Günter Stemberger: Einleitung in Talmud und Midrasch.
  6. Michael Krupp: Der Talmud / Eine Einführung in die Grundschrift des Judentums mit ausgewählten Texten, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 1995, S. 64.
  7. Jakob Fromer: Der Talmud / Geschichte, Wesen und Zukunft, Verlag P. Cassirer, 1920, S. 296.
  8. a b Gerald Beyrodt: Talmud auf Deutsch online. Igor Itkin im Gespräch. (mp3-Audio; 11,4 MB; 12:31 Minuten) In: Deutschlandfunk-Kultur-Sendung „Aus der jüdischen Welt“. 8. Oktober 2021, abgerufen am 9. Oktober 2021.
  9. Die Enzyklopädie der Diaspora Neu aufgelegt: der Babylonische Talmud auf Deutsch. In: Neue Zürcher Zeitung Nr. 20, 25./26. Januar 2003, S. 35.
  10. Michael Krupp: Der Talmud – Eine Einführung in die Grundschrift des Judentums mit ausgewählten Texten, GTB Sachbuch, Gütersloh, 1995, S. 97.
  11. Willehad Paul Eckert: Drittes Kap., in: Karl Heinrich Rengstorf, Siegfried von Kortzfleisch (Hrsg.): Kirche und Synagoge. Band 1, S. 229–231.
  12. Günter Stemberger: Der Talmud: Einführung, Texte, Erläuterungen, Seite 304. ISBN 978-3-406-08354-9 online, abgefragt am 11. August 2011.
  13. Christian Blendinger: Kirchliche Wurzeln des Antisemitismus (Rezension zu: Hannelore Noack: Unbelehrbar?) (Memento vom 29. September 2008 im Internet Archive); in: Sonntagsblatt Bayern, 27/2001. Blendinger schreibt dort: „Gegenstand der Untersuchung ist der Umgang der Christen mit dem Talmud […] Entstellte Talmudzitate aus den Jahren 1848 – 1932 zum Zweck der Aufwiegelung gegen Juden und Judentum […] Aber die Botschaft des Buches ist unüberhörbar: ‚Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch.‘ (B. Brecht) Für Christen immer neu erschreckend ist, dass dieser Schoß eben auch der ‚Schoß der Kirche‘ war, der zwar ihre Kinder mütterlich umfing, die ‚draußen‘ aber, vor allem die Juden, ausgrenzte und so den Massenmord im Hitlerreich zwar nicht verursachte, wohl aber emotional vorbereiten half.
  14. Verfälschte „Talmud-Zitate“ – Antisemitisch – antijudaistische Propaganda: Beispiele, Hintergründe, Texte.
  15. Richard S. Levy (Hrsg.): Antisemitism – A historical encyclopedia of prejudice and persecution, 2005, S. 599 ff.
  16. Catrina Langenegger ueber der Basler Talmud. Abgerufen am 19. Dezember 2022.
  17. Caspar Battegay, Naomi Lubrich: Jüdische Schweiz: 50 Objekte Erzählen Geschichte. Hrsg.: Jüdisches Museum der Schweiz. Christoph Merian, Basel 2018, ISBN 978-3-85616-847-6, S. 54–57.
  18. Günter Stemberger: Der Talmud, Einführung – Texte – Erläuterungen, C.H.Beck, München, 4. Aufl., 2008, S. 305.
  19. Gotthard DeutschEisenmenger, Johann Andreas. In: Isidore Singer (Hrsg.): Jewish Encyclopedia. Funk and Wagnalls, New York 1901–1906.
  20. Anti-Defamation League: The Talmud in Anti-Semitic Polemics (PDF; 204 kB). Februar 2003.