Temu (Online-Marktplatz)
Temu | |
---|---|
Rechtsform | irische Limited |
Gründung | 2022 |
Sitz | Boston |
Branche | Onlineshopping |
Website | www.temu.com |
Temu ist ein Online-Marktplatz, der 2022 als Tochter der PDD Holdings Inc. mit Sitz in Shanghai gegründet wurde.[1]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Temu wurde 2022 in Boston, Massachusetts, von einer Gruppe ehemaliger Mitarbeiter von Pinduoduo gegründet, um US-amerikanischen Verbrauchern Zugang zu Produkten aus der Volksrepublik China zu bieten. Die Aktie wird in den Vereinigten Staaten am Nasdaq gehandelt.[2] Im September 2022 startete Temu in den USA und erweiterte im Frühjahr 2023 seine Dienste in die europäischen Länder Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Vereinigtes Königreich und Niederlande.[3] Auch in der Schweiz wurden ab März 2023 bis zum Jahresende laut Schätzungen 350 Millionen Franken Umsatz erzielt. Der Schweizer Konsumentenschutz rief dazu auf, «auf Käufe von sensiblen Sachen wie Spielzeug oder elektronischen Produkten zu verzichten».[4]
Zur Jahresmitte 2023 war Temu eine der in den Monaten zuvor am häufigsten heruntergeladenen kostenlosen Apps in den iPhone- und Android-Appstores.[5][6][7] Laut Europäische Kommission hat der chinesische Discount-Onlineshop mehr als 45 Millionen Nutzer monatlich (Stand Frühjahr 2024) in der EU mit steigender Tendenz.[8][9]
Geschäftsmodell
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Temu ist ähnlich wie AliExpress ein Online-Marktplatz, der als Vermittler zwischen Verkäufern (hauptsächlich aus der Volksrepublik China) und Käufern fungiert. Das Unternehmen führt kein eigenes Warenlager. Über Temu werden hauptsächlich Mode, Elektronik, Haushaltswaren, Schönheitsprodukte, Spielzeug und Nonfood-Haustierbedarf angeboten. Die Versandkosten sind bei Temu im Kaufpreis enthalten. Potentielle Käufer eines Produkts werden animiert, weitere Käufer zu finden, um Rabatte zu erhalten (Social Commerce).
Temu lockt mit schriller Werbung und niedrigen Preisen und bewirbt ein Einkaufserlebnis „wie für Milliardäre“.[10] Die App bietet eine breite Palette von Produkten zu niedrigen Preisen an und konkurriert mit anderen bekannten E-Commerce-Plattformen wie Amazon, Shein und Walmart.[11] Die App setzt auf Gamification, um die Kunden anzusprechen.[12]
Temu erwirtschaftete Mitte 2023 Verluste in Höhe von mehreren Millionen US-Dollar, kann jedoch seinen Marktanteil erhöhen.[13]
Kritik und Kontroversen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Temu steht im Mittelpunkt verschiedener Kontroversen rund um mögliche unlautere Geschäftspraktiken,[14][15] die NZZ fasste im Mai 2024 zusammen, Temu verkaufe massenhaft Produkte mit schlechter Qualität und ohne Rücksicht auf die Umwelt.[4]
Im Oktober 2024 leitete die EU-Kommission ein formelles Verfahren gegen Temu ein; die Behörde verdächtigt Temu, gegen das Gesetz über digitale Dienste zu verstoßen. Bestimmte unseriöse Händler würden wieder auf der Plattform auftauchen, nachdem sie gesperrt worden seien. Das Verfahren soll prüfen, ob Temu ausreichend gegen den Verkauf illegaler Produkte vorgeht.[16][17]
Mangelhafte Qualität und Sicherheit elektronischer Güter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von Temu angebotene elektronische Waren haben mitunter keine oder gefälschte CE-Kennzeichnungen.[18][19] Bei der Prüfung von bei Temu angebotenen Produkten stellten südkoreanische Gesundheitsbehörden eine Überschreitung der erlaubten Schadstoffwerte (z. B. Formaldehyd und Phthalate) über dem Hundertfachen fest. Temu erklärte in Reaktion auf die Vorwürfe, man habe die betreffenden Produkte aus dem Angebot genommen und versuche, den Händlern bei Temu die Einhaltung von Sicherheitsstandards und gesetzlichen Vorschriften zu ermöglichen.[20]
Mangelhafte Qualität und Sicherheit von Spielwaren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Viele von Temu gelieferte Spielwaren sind gesundheitsgefährdend. Im Herbst 2023 testete der Schweizer Spielwarenverband und fand Gifte, was im Ausland bestätigt wurde. Im Februar 2024 meldete der Verband Toy Industries of Europe, dass 18 von 19 bei Temu bestellte Spielwaren die Gesundheit gefährden. Das Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) schrieb auf Linkedin: «Wenn dir Sicherheit wichtig ist, dann kaufe Kinderspielzeug in Schweizer Onlineshops.»[21]
Betrugsvorwürfe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aufgrund der unrealistisch niedrigen Preisgestaltung entstand der Vorwurf, durch betrügerische Aktivitäten die Preise künstlich zu drücken. Ein Mittel soll der systematische Zollbetrug sein, bei dem der Wert der importierten Ware auf den Einfuhrpapieren stark untertrieben wird, um keine Steuern zu bezahlen. Lieferungen bis 150 € sind als „Sendungen von geringem Wert“ in der EU zollfrei.[22]
Umgang mit persönlichen Daten und Zugriff auf Geräte von Temu-Kunden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Temu kann laut seiner Datenschutzerklärung jederzeit auf Bankdaten, Kamera, Bilder und Tonaufnahmen auf den Geräten der Nutzer zugreifen. Des Weiteren warnt die Verbraucherzentrale, dass Temu sogar öffentlich kommuniziere, die persönlichen Daten der Benutzer zu sammeln und für kommerzielle Zwecke an Dritte zu vermarkten. Auch die chinesische Eigentümerschaft und die allgemein undurchsichtige Unternehmensstruktur seien in diesem Kontext bedenklich.[23]
Haftung und Versicherung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für außereuropäische Waren übernehmen Importeure in der EU die Produkthaftung. Bei Temu geht die Produkthaftung auf den Kunden über, da dieser per Definition zum Importeur wird bzw. Temu nicht als Verkäufer auftritt. Somit haften Temu-Kunden, wenn über Temu erworbene Produkte Schaden verursachen.[18][24]
Umweltaspekte und Nachhaltigkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bemängelt wurde auch, dass der Versand über den Luftweg erfolgt, um kurze Lieferzeiten einzuhalten – mit fragwürdigen Umweltauswirkungen.[25][19] Laut René Itten von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften beträgt der Treibstoffverbrauch für den Versand der Produkte per Flugzeug im Vergleich zu jenem per Schiff das fünfzigfache.[26] Temu räumt selbst ein, in Sachen Nachhaltigkeit noch am Anfang zu stehen.[27] Temu kooperiert daher mit der Organisation Trees for the Future, die Bäume in Afrika pflanzt. Die Bäume können von den Kunden für einen geringen Betrag zusätzlich zu deren Bestellung gekauft werden. Nach Angabe von Temu sind bislang über 13 Millionen Bäume gepflanzt worden (Stand: Juli 2023).[28][29] Aufgrund der fehlenden Umstrukturierung der internen Prozesse im Unternehmen, wird dies jedoch unter anderem von der Deutschen Umwelthilfe als Greenwashing angesehen.[30]
In Frankreich wurden für Anbieter wie Temu 2024 Umweltschutz-Auflagen in Sachen beschlossen, z. B. Aufschläge für nicht recyclingfähige Waren.[4]
Verkaufsförderung und Kundenbindung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Laut der Initiative Schau hin! verwendet Temu mit Fokus auf junge Kunden Gutscheine, Rabattcodes und Dark Patterns, die zum übermäßigen Konsum motivieren und Kunden an die Temu-App binden sollen.[31]
Links
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Maximilian Hertel: Neuer Billig-Shop Temu: Verbraucherzentrale warnt vor versteckten Kostenfallen In: Frankfurter Rundschau. 13. Oktober 2023.
- Zu schön, um wahr zu sein? Ein Einblick in die Schnäppchen-App Temu. In: Finanzen.net. 11. Juli 2023.
- Onlineschnäppchen: Was hinter der Temu-App steckt. In: NDR Markt. 10. Juli 2023 (Video 8 Minuten).
- Peter Zellinger: Temu ist so, wie wenn man Aliexpress bei Wish bestellt. In: Der Standard. 8. Juli 2023.
- Die Spur: Der Temu-Hype. Die Strategie des Shopping-Giganten aus China. TV-Dokumentation des ZDF, Erstausstrahlung am 17. Januar 2024. (hier online)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Arjun Kharpal: Tech giant PDD Holdings, parent of Pinduoduo and Temu, moves headquarters from China to Ireland. 4. Mai 2023, abgerufen am 13. Juli 2023 (englisch).
- ↑ PDD Dividend History. nasdaq, abgerufen am 13. Juli 2023 (englisch).
- ↑ Arjun Kharpal: China's e-commerce giant Pinduoduo quietly launches U.S. shopping site in Amazon challenge. 2. September 2022, abgerufen am 15. Juli 2023 (englisch).
- ↑ a b c Janique Weder: Schlechte Produkte, aggressive Werbung: Die Kritik an der Shopping-App Temu wächst. In: Neue Zürcher Zeitung. 8. Mai 2024, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 3. Oktober 2024]).
- ↑ Werben & Verkaufen: Temu: Warnung vor der Nummer-1-App (1) | W&V. 26. Juni 2023, abgerufen am 29. August 2023.
- ↑ Susanne Gillner: Temu: Weltweit mehr iOS-Downloads als jede andere Shopping-App. Abgerufen am 29. August 2023 (deutsch).
- ↑ Hype-App Temu stürmt in Deutschland die Charts. Aber wie seriös ist der Shop? 6. Juni 2023, abgerufen am 29. August 2023.
- ↑ Katja Evers: Klimakiller Temu. In: cleverreach.com. Mitteldeutscher Rundfunk, abgerufen am 19. August 2024.
- ↑ https://www.trtdeutsch.com/wirtschaft-welt/eu-kommission-strengere-regeln-fur-chinesischen-onlinehandler-temu-18168437: EU-Kommission: Strengere Regeln für chinesischen Onlinehändler Temu. Abgerufen am 19. August 2024 (deutsch).
- ↑ Johanna Apel: Temu: Was steckt hinter der chinesischen Shopping-App? | Digitales. 26. Juni 2023, abgerufen am 15. Juli 2023.
- ↑ Was ist TEMU und wie können TEMU App und PDD Ihr Online-Geschäft ankurbeln? Abgerufen am 15. Juli 2023.
- ↑ Wie Temu den E-Commerce umkrempeln will. LinkedIn, abgerufen am 15. Juli 2023.
- ↑ Eva Gabriel: Absurd billig: App aus China erobert Europa. In: Kleine Zeitung Print, 19. August 2023.
- ↑ Is Temu Shopping App a Communist China-Based Scam That Spies on Users? 5. Juni 2023, abgerufen am 15. Juli 2023 (englisch).
- ↑ The Truth About Temu, the Most Downloaded New App in America. The Time, 29. Dezember 2022, abgerufen am 15. Juli 2023 (englisch).
- ↑ Commission opens formal proceedings against Temu under the Digital Services Act | Shaping Europe’s digital future. In: digital-strategy.ec.europa.eu. EU-Kommission, 31. Oktober 2024, abgerufen am 1. November 2024 (englisch).
- ↑ EU-Kommission eröffnet Verfahren gegen Billig-Onlinehändler Temu. In: tagesschau.de. 31. Oktober 2024, abgerufen am 1. November 2024.
- ↑ a b mdr.de: Temu: Verbraucherzentrale warnt vor Einkauf | MDR.DE. Abgerufen am 17. Februar 2024.
- ↑ a b Schnäppchen-App Temu: Aufpassen beim Online-Shoppen! In: verbraucherzentrale.de. 4. Januar 2024, abgerufen am 17. Februar 2024.
- ↑ Produkte von Temu und Shein 229-mal giftiger als erlaubt. 18. August 2024, abgerufen am 18. August 2024.
- ↑ Bund warnt vor Spielzeug aus China, Tages-Anzeiger, 29. August, S. 6, Titel der Print-Ausgabe
- ↑ Julian Gräfe: Wie chinesische Onlinehändler den europäischen Zoll austricksen. In: Tagesschau. SWR, abgerufen am 16. Februar 2024.
- ↑ Schnäppchen-App Temu: Aufpassen beim Online-Shoppen! Verbraucherzentrale, 4. Januar 2024, abgerufen am 16. Februar 2024.
- ↑ Temu: Unfassbar günstig - aber auch gut? In: rbb-online.de. 25. September 2023, abgerufen am 17. Februar 2024.
- ↑ Schnäppchenjagd bei Temu - aber zu welchem Preis? In: rbb24.de. 16. Februar 2024, abgerufen am 17. Februar 2024.
- ↑ Produkte von Temu und Shein 229-mal giftiger als erlaubt. 18. August 2024, abgerufen am 18. August 2024.
- ↑ Temu: E-Commerce-Star oder systematischer Missbrauch? Abgerufen am 15. August 2024.
- ↑ Temus Baumpflanz-Programm. Abgerufen am 15. August 2024.
- ↑ Temu: E-Commerce-Star oder systematischer Missbrauch? Abgerufen am 15. August 2024.
- ↑ „Versenden Produkte nur, wenn sie gekauft wurden“ – Wie sich Temu preist und was Experten dazu sagen. 21. Mai 2024, abgerufen am 15. August 2024.
- ↑ Produkte von Temu und Shein 229-mal giftiger als erlaubt. 18. August 2024, abgerufen am 18. August 2024.