Testament der Erminethrudis

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Testament der Erminethrudis in der Ausstellung Le trésor de Notre-Dame de Paris im Museum des Louvre in Paris

Das Testament der Erminethrudis ist das älteste Dokument, das im französischen Nationalarchiv (Archives nationales) aufbewahrt wird. Es wurde vermutlich zwischen 567 und 584 verfasst und ist in einer Abschrift aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts erhalten. Es das einzige erhaltene Testament einer Frau aus merowingischer Zeit.

Vom 18. Oktober 2023 bis zum 29. Januar 2024 wird das Testament im Rahmen der Ausstellung Le trésor de Notre-Dame de Paris (Der Kirchenschatz der Kathedrale Notre-Dame) im Louvre in Paris gezeigt.[1]

Der Text der erhaltenen Kopie ist mit Tinte auf Papyrus geschrieben. Aufgerollt hat das Dokument eine Länge von 1,50 Meter. Die Verfasserin des Testaments, Erminethrudis (oder Ermentrude/Ermintrude), gehörte vermutlich der hohen merowingischen Aristokratie an.

Das Dokument wurde bis 1793 in der Abtei Saint-Denis aufbewahrt. Dass das Testament erhalten blieb, ist weniger der Bedeutung zu verdanken, die die Mönche dem Schriftstück zuwiesen, sondern der Wiederverwendung des Papyrus, den die Mönche von Saint-Denis dazu benutzten, um ihn auf der Rückseite erneut zu beschreiben und damit ein gefälschtes Dokument zu erzeugen. Nach der Auflösung der Abtei im Zuge der Französischen Revolution wurde das Testament in das Nationalarchiv gebracht, wo es sich seitdem befindet.

Datierung des Testaments

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Frage der Datierung wurden der Aufbau und die verwendeten Formulierungen mit Testamenten wie dem Testament de saint Rémi aus der Zeit um 533[2] und anderen Dokumenten aus merowingischer Zeit verglichen.[3]

Für die zeitliche Einordnung des Testaments wurden auch die damaligen Besitzverhältnisse der Güter herangezogen, über die im Testament verfügt wird. So wird ein Landgut („villa“) bei Lagny-sur-Marne („Latiniaco, sita in territuri[o] Meldinse“[4]) erwähnt, das als väterliches Erbe in den Besitz von Deorovaldus, dem früh verstorbenen Sohn von Erminethrudis, gelangt war. Dieses Landgut vermachte Erminethrudis in ihrem Testament auf Wunsch („ex demandacione bonae“) ihres Sohnes Deorovaldus der Kirche Saint-Symphorien („baselicae Sancti Sinfuriani“), in der dieser bestattet ist:

l.43: „...Item, pro remedium anemae meae vel ex demandacione bonae“

l.44: „recordationis fili mei Deorovaldi, villam, cui vocabulum est Latiniaco, sita in territuri[o]“

l.45: „Meldinse, cum campis, colonecis ad eadem pertinentes, cum pratis, pascuis, silvis, vel in“

l.46: „[o]mni jure et termino suo, quia in portione supramemorati filii mei Derovaldi obvenit, cum“

l.47: „omni integritate baselicae Sancti Sinfuriani, ubi saepultura habere dinuscitur, pro requiem“

l.48: „ejus dari praecipio...“[4]

Vermutlich durch Gütertausch gelangte das Landgut später in den Besitz des Königs Dagobert I., der es 636/637 durch eine Schenkung der Abtei Saint-Denis überließ, wie in den Gesta Dagoberti überliefert ist.

Im Text des Testamentes wird für den Fall des Verstoßes gegen den Willen der Erblasserin der Begriff anathimatus im Sinne von exkommuniziert in einer ähnlichen Formulierung verwendet wie im Beschluss des Konzils von Tours im Jahr 567, was für die Erstellung des Testamentes nach 567 spricht:

l.87: „etiam constitui, si qu[i]s contra hanc t[e]stamentum venire voluerit aut voluntatem meam“

l.88: „in aliquo corrumpere t[e]mptaverit, a c[o]mmunione omnium sanctorum et a liminebus ecclisia[rum]“

l.89: „efficeatur extraneus et insuper [an]te tribunal Christi anathimatus permaneat.“[4]

Einer der Unterzeichner des Testaments, Mummolus, der im Testament als comes bezeichnet wird (l.91: „Signum [croix] Ermineth[r]udiae, testatric[is]. [croix] Mummolus, comes, rogante et praesente“[4]), könnte mit dem bei Gregor von Tours in Geschichte der Franken als praefectus bezeichneten Mummolus († 584) – nicht zu verwechseln mit Mummolus († 585) – identisch sein, der im Jahr 584[5] zu Tode kam. Das Testament müsste dann vor 584 verfasst worden sein.

Datierung der Abschrift

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 17. Jahrhundert wurde die Abschrift von dem Benediktinermönch Jean Mabillon als Original eingestuft und um 700 datiert. Erst im 20. Jahrhundert wurde diese Datierung in Frage gestellt. In ihrer Publikation Chartae latinae antiquiores von 1982 identifizierten der Diplomatiker Hartmut Atsma und der Kodikologe und Paläograf Jean Vezin die Abschrift als Kopie und nahmen eine frühere Entstehung an.[6] Der Epigrafiker Jean-Pierre Laporte schlug in seinem 1986 erschienenen Aufsatz Pour une nouvelle datation du testament d’Ermentrude die Zeitspanne von 590 bis 630/645 vor.[7]

Da sich ab 670 Pergament als Beschreibstoff durchsetzte, könnte auch die Verwendung von Papyrus für eine Datierung der Abschrift in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts sprechen. Auch weist der Stil der Kursive große Ähnlichkeiten mit merowingischen Dokumenten aus der Zeit um 625/650 auf, was für eine Datierung der Kopie vor 650 bzw. um 625 spricht.

Der Text ist nicht vollständig erhalten. Einige Angaben zu den eingesetzten Erben und den zu vererbenden Gütern wie auch das Datum, an dem das Testament erstellt wurde, fehlen. Zu dem Vermächtnis gehören die zwischen Paris und Meaux gelegenen Güter der Erblasserin, ein Landgut in Lagny-sur-Marne, Weinberge bei Noisy-le-Sec, bei Thorigny-sur-Marne und an anderen Orten, Mobiliar, Sklaven, Vieh, ein Pferd, zwei Kutschen mit Geschirr, Decken, Bettzeug, Werkzeuge, Gold-, Silber- und Bronzeschmuck.

In ihrem Testament setzt Erminethrudis ihre Enkel, die namentlich genannt werden, und andere Mitglieder ihrer Familie als Erben ein. Es werden auch ein Mädchen namens Sunnechilde und eine Magd, Lueria, mit ihrem Sohn Leudino bedacht:

l.22: „… et puella, nomine“

l.23: „Sunnechilde, et ancilla, nomine Lueria, cum filio Leudino, …“[4]

Erwähnt werden außerdem die Kirchen „baselicae Sancti Petri“, „baselicae Domnae Mariae“, „baselicae Domni Stefani“, „baselicae Domni Gervasi“, „ecclisiae vici Bonisiacinsis“, „Baselicae Sancte Cruces vel Domni Vincenti“, „baselicae Sancti Dionisi“, „baselicae Sancti Martini Ciperente“[4] und klösterliche Gemeinschaften in Paris und der Umgebung.

Der Kathedrale Notre-Dame auf der Île de la Cité in Paris wird eine große Silberschale im Wert von 50 solidos zugesprochen:

l.39: „...Sacrosancte ecclesiae civitatis Parisiorum, missu[rio] argenteo, valente solidos“ l.40: „quinquaginta, …“[4]

Das Testament enthält somit erste Belege für die in der Kathedrale Notre-Dame aufbewahrten Kunstgegenstände und gibt einen Einblick in das Bestreben der Testamentsverfasserin, durch ihre Schenkungen ihr Seelenheil zu erlangen und der Nachwelt im Gedächtnis zu bleiben.

Neben Erminethrudis haben das Dokument vier Zeugen unterzeichnet: Mummolus, Scupilio, Munegiselus, Baudacharius.

l.90: „Actum Parisiu[s], s[u]b die et tempore [su]prascripto.“

l.91: „Signum [croix] Ermineth[r]udiae, testatric[is]. [croix] Mummolus, comes, rogante et praesente“

l.92: „Ermenethrude, h[u]nc testamentum subscripsi. Scupilio, spatarius, rogante Erminethru[di]ae,“

l.93: „huic testamentum subternotavi, die et a[n]no quibus supra. Munegiselus, rogante et praesente Ermmine-“

l.94: „-thrude, hunc testamentum testis [su]bternotavi, die et anno quibus supra. Bauducharius, defensor, subs[cripsi].“[4]

Abschrift des Testaments

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Jean-Pierre Laporte: Pour une nouvelle datation du testament d’Ermentrude. In: Francia Band 14, 1986, S. 574–577 (Digitalisat).
  • Josiane Barbier: Le testament d’Ermentrude, un acte de la fin du VIe siècle? In: Bulletin de la Société Nationale des Antiquaires de France 2003 [2009], S. 130–144 (Digitalisat).

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Les Archives nationales hors les murs. Le trésor de Notre-Dame de Paris. Des origines à Viollet-Le-Duc. Musée du Louvre, Paris. Ausstellung im Louvre in Paris vom 18. Oktober 2023 bis zum 29. Januar 2024.
  2. Le Testament de saint Rémi. Salve Regina.
  3. Ulrich Nonn: Merowingische Testamente. Studien zum Fortleben einer römischen Urkundenform im Frankenreich. In: Archiv für Diplomatik Band 18, 1972, S. 1–129.
  4. a b c d e f g h i Cédric Giraud, Jean-Baptiste Renault, Benoît-Michel Tock (Hrsg.): Acte n°4495 dans Chartes originales antérieures à 1121 conservées en France. Telma, Centre de Médiévistique Jean Schneider, Nancy, Institut de Recherche et d’Histoire des Textes, Orléans 2010.
  5. Josiane Barbier: Le testament d’Ermentrude, un acte de la fin du VIe siècle? In: Bulletin de la Société Nationale des Antiquaires de France 2003 [2009], S. 140.
  6. Hartmut Atsma, Jean Vezin (Hrsg.): Chartae latinae antiquiores: Facsimile-edition of the latin charters prior to the ninth century. Band 14: France II. Urs Graf Verlag, Dietikon-Zurich 1982, ISBN 978-3-85951-138-5, S. 72.
  7. Jean-Pierre Laporte: Pour une nouvelle datation du testament d’Ermentrude. In: Francia Band 14, 1986, S. 574–577.