Thévenin-Theorem
Das Thévenin-Theorem (nach Léon Charles Thévenin; auch: Helmholtz-Thévenin-Theorem oder Helmholtz-Satz) besagt in der Theorie linearer elektrischer Netzwerke, dass jede mögliche Kombination von linearen Spannungsquellen, Stromquellen und Widerständen bezüglich zweier Klemmen elektrisch äquivalent zu einer Reihenschaltung aus einer Spannungsquelle und einem ohmschen Widerstand ist.[1][2] Äquivalenz bedeutet, dass sich bei gleicher äußerer Belastung gleiches Verhalten von Spannung und Stromstärke einstellt.[3]
Diese Ersatzschaltung wird Thévenin-Äquivalent oder Ersatzspannungsquelle genannt. Dieses Theorem wird zum Beispiel zur Vereinfachung in der Schaltungsanalyse verwendet.
Berechnung des Thévenin-Äquivalents
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Thévenin-Äquivalent besteht aus einem ohmschen Widerstand und einer Spannungsquelle mit der Leerlaufspannung . Um die zwei Unbekannten und zu bestimmen, werden zwei Gleichungen benötigt. Diese Gleichungen können auf verschiedene Art und Weise aufgestellt werden.
Wenn sich die Schaltung nicht wie eine ideale Stromquelle verhält, gilt für :
- Die Ausgangsspannung bei offenen Klemmen A–B ist die Leerlaufspannung und zugleich .
Für gibt es verschiedene Methoden:
- Im Schaltbild werden alle Spannungsquellen durch Kurzschlüsse und alle Stromquellen durch Unterbrechungen ersetzt.[4] Die Innenwiderstände der Quellen verbleiben jedoch in der Schaltung. Damit wird der Ersatzwiderstand berechnet. Dieser ist gleich dem Thévenin-Äquivalentwiderstand.
- Ist ein Kurzschluss von A nach B zulässig und der Kurzschlussstrom bekannt, wird das Ohmsche Gesetz benutzt
- Ein bekannter Widerstand wird an A–B angeschlossen und die Spannung gemessen. Mit Hilfe des Spannungsteilergesetzes kann dann bestimmt werden.
- Eine geläufige Variante dieser Methode ist die der Halb-Spannung: Der Widerstand an A–B ist so veränderlich, dass die Hälfte der Leerlaufspannung über A–B abfällt. Der veränderliche Widerstand ist dann gleich .
Der Beweis des Thévenin-Theorems basiert auf dem Superpositionsprinzip.
Umwandlung zwischen Norton- und Thévenin-Äquivalent
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Thévenin-Äquivalent (lineare Spannungsquelle) und ein Norton-Äquivalent (lineare Stromquelle) sind gegenseitig äquivalente Quellen. Eine Austauschbarkeit ist unter folgenden zwei Festlegungen gegeben:[3]
- Das ist in beiden nebenstehend gezeigten Schaltungen dasselbe (wobei sein muss)
Gleichwohl gibt es im Wirkungsgrad einen Unterschied zwischen der Ersatzspannungsquelle und der Ersatzstromquelle, siehe Wirkungsgrad der Stromquelle. Wo immer es auf die Erzielung eines hohen Wirkungsgrades ankommt, sind die Ersatzschaltungen nicht austauschbar. Die unterschiedlichen Wirkungsgrade ergeben sich aus den inneren Verlusten. In den Grenzfällen Kurzschluss und Leerlauf sind sie besonders ausgeprägt.
Bei Kurzschluss () |
In der Stromquelle fließt kein Strom im Innenwiderstand. So entsteht wie im idealen Modell intern kein Verlust. In der Spannungsquelle liegt die Spannung vollständig am Innenwiderstand. Er wird bei maximalem Strom „geheizt“. |
Bei Leerlauf () |
In der Stromquelle fließt der Strom vollständig im Innenwiderstand. Er wird bei maximaler Spannung „geheizt“. In der Spannungsquelle liegt keine Spannung am Innenwiderstand. So entsteht wie im idealen Modell intern kein Verlust. |
Erweiterung für Wechselstrom
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Thévenin-Theorem kann auch auf harmonische Wechselstromsysteme verallgemeinert werden, indem elektrische Impedanzen statt der ohmschen Widerstände verwendet werden. Bei Anwendung im Wechselstrombereich ergeben sich jedoch auch Quellen mit frequenzabhängiger Amplitude und Phase. Daher ist eine praktische Anwendung für Wechselstromersatzschaltungen eher selten, oder sie ist auf eine Frequenz beschränkt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Thévenin-Theorem wurde zuerst vom deutschen Wissenschaftler Hermann von Helmholtz 1853 entdeckt. Es wurde dann 1883 vom französischen Ingenieur Léon Charles Thévenin (1857–1926) wiederentdeckt.[5]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Karl Küpfmüller, W. Mathis, A. Reibiger: Theoretische Elektrotechnik. Springer, Berlin, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-29290-X.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Marlene Marinescu, Nicolae Marinescu: Elektrotechnik für Studium und Praxis: Gleich-, Wechsel- und Drehstrom, Schalt- und nichtsinusförmige Vorgänge. Springer Vieweg, 2016, S. 61 ff
- ↑ Heinz Josef Bauckholt: Grundlagen und Bauelemente der Elektrotechnik. Hanser, 7. Aufl., 2013, S. 82–88
- ↑ a b Peter Kurzweil (Hrsg.), Bernhard Frenzel, Florian Gebhard: Physik Formelsammlung: Mit Erläuterungen und Beispielen aus der Praxis für Ingenieure und Naturwissenschaftler. Vieweg + Teubner, 2. Aufl., 2009, S. 223
- ↑ Wilfried Weißgerber: Elektrotechnik für Ingenieure 1: Gleichstromtechnik und Elektromagnetisches Feld. Springer Vieweg, 11. Aufl., 2018, S. 47
- ↑ Johnson, D. H. (2003). Origins of the equivalent circuit concept: the voltage-source equivalent. Proceedings of the IEEE, 91(4), 636–640. doi:10.1109/JPROC.2003.811716.