Theaterfabrik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Theaterfabrik in den Optimolwerken

Die Theaterfabrik war eine zur Veranstaltungshalle umfunktionierte Backsteinhalle im Münchener Vorort Unterföhring. Die Lokalität war vor allem in der Independent-Szene der 1980er Jahre wegen ihrer Veranstaltungen auch außerhalb Bayerns bekannt. Der „Hallenmogul“ Wolfgang Nöth gründete später auf dem Optimolgelände am Münchener Ostbahnhof eine weitere Theaterfabrik, ehe der Name in 2022 erneut, diesmal durch Nöths Tochter Laila, auf eine neue Veranstaltungshalle in München-Bogenhausen übertragen wurde.

Die ursprüngliche Theaterfabrik befand sich etwas östlich der S-Bahn-Station Unterföhring nordöstlich von München. Es handelte sich um einen etwas heruntergekommenen Backsteinbau auf einem ehemaligen Firmengelände. Die 1. Münchener Nachfolgerin befand sich auf dem Gelände der früheren Optimolwerke, einer ehemaligen Schmierölherstellerfabrik.

Theaterfabrik Unterföhring (1983–1992)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Münchner Gastronom Wolfgang Nöth erkannte, dass in München mit seinen damals sehr streng überwachten Sperrstunden eine Halle für Konzerte fehlte, kaufte 1983 mit Herbert Frey die leerstehende Halle in Unterföhring und investierte in Veranstaltungstechnik.[1] Die Halle fasste rund 1000 Besucher. Die erfolgreiche Lokalität war Nöths Einstieg in seine Karriere als „Hallenmogul“. Die Halle existiert noch unverändert und wird genutzt, seit 1992 allerdings nicht mehr als Veranstaltungsort.[2]

Berühmt wurde die Location vorwiegend durch zahlreiche Konzerte prominenter Musiker wie den Red Hot Chili Peppers, Blondie, Billy Bragg, The Kinks, The Damned, Carl Perkins, Ben E. King, The B-52s, Les Rita Mitsouko, The Jesus and Mary Chain, Heinz Rudolf Kunze, Roy Buchanan, Bad Religion, Beastie Boys, Toy Dolls, Einstürzende Neubauten, Dan Reed Network, Wanda Jackson, das Trio Erika Pluhar, António Victorino de Almeida & Peter Marinoff. Auch als Jazz-Veranstaltungsort erlangte die Theaterfabrik Bekanntheit. Hier fand 1989 auch das einzige jemals gespielte Konzert von Jean-Jacques Goldman in München statt.

In der Theaterfabrik entstanden einige Konzertaufnahmen, zum Beispiel das Album No Material Live In Munich Germany von Ginger Baker (1987), Teile von Axel Zwingenbergers Album Boogie woogie live (1987) oder 1989 ein Live-Doppelalbum von Melissa Etheridge.[3][4][5]

Die freitägliche „disco orange“, veranstaltet von Jürgen Birr aka „Anurakta“ (Sannyas-Name), dem Initiator des Theatron-Festivals und Betreiber des Clubs Pulverturm auf dem ehemaligen Alabama-Depot-Gelände, war weit um München herum bekannt.[6][7] Die „disco orange“ bildete auch das finanzielle Rückgrat der Theaterfabrik.[8]

Die Idee für die Disco-Veranstaltungsreihe wurde bereits 1981 auf dem Bhagwan’s Bavarian Buddhafield geboren, bei dem rund 1500 aus Pune (Poona) expatriierte Sannyasin-Jünger sich zu einem Zwei-Tage-Konvent im Reitstall Gut Eicherloh in Finsing trafen.[9][10]

Charakteristisch war für die Disco-Veranstaltungen, dass über längere Zeiträume regelmäßig die gleichen Lieder in meist gleicher Abfolge gespielt wurden, darunter: AerosmithRag Doll (Rockapella Mix), Anne ClarkOur Darkness, Frank ZappaBobby Brown (Goes Down), INXSMystify, Joachim WittGoldener Reiter, Melissa Etheridge – Like The Way I Do, The Mamas and the PapasDream a Little Dream of Me, Simple MindsDon’t You (Forget About Me) und StretchWhy did you do it (Maxi-Version).

Wegen des Erfolges ließ sich Birr im Nachhinein von Februar 1995 bis einschließlich März 1996 den Namen der Veranstaltungsreihe als Wortmarke schützen.[11]

International Rock ’n’ Roll / Rockabilly Meeting

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1985 fand in der Halle erstmals das „International Rock ’n’ Roll / Rockabilly Meeting“ statt, bei dem sich Bands der internationalen Szene einfanden.[12][13] Das Treffen, das weit über Bayern hinaus bekannt war, fand dann jährlich statt und war jahrelang der größte Szenentreff auf dem europäischen Kontinent.[14][15][16] Nach Schließung der Theaterfabrik fand das Meeting 1993 einmalig in Nöths Kulturzentrum Riem, statt. Ab 1994 wurde es in der neuen Alabama-Halle in der ehemaligen Münchener Funkkaserne, dann im Theaterzelt Das Schloss ausgetragen. Das Festival fand bis 2004 insgesamt neunzehnmal statt.[17][18][19]

Einmal jährlich fand ein Blues-Festival statt.[20]

Schwarze Weihnacht 1985

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ebenfalls bekannt wurde die 1985 veranstaltete „Schwarze Weihnacht“, eine Gegenveranstaltung zu den klassischen Heilig-Abend-Veranstaltungen, mit teilweise blutigen Performances und Konzerten für das Publikum der Independent-Szene.[21][22]

Theaterfabrik München (2009–2018)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mai 2009 eröffnete Nöth zusammen mit Mathias Scheffel auf dem gemeinsam seit Januar 2003 gepachteten Gelände der Optimolwerke in München (näheres siehe im Artikel Kultfabrik) erneut eine Veranstaltungshalle mit dem Namen Theaterfabrik.[23] Die Halle wurde komplett entkernt, modernisiert und auf den neusten Stand der Sound- und Lichttechnik gebracht.[24] Neben Konzerten internationaler Größen verschiedenster Musikrichtungen fanden auch hier wieder regelmäßige DJ-Partys statt.[25] Unter anderem legte hier Enrico Ostendorf auf.[24][26][27] Die Halle und der anliegende Club nahmen je nach Veranstaltungsart zwischen 500 und 1000 Gäste auf.[28] Auch die Karnevalsszene der Umgebung hatte hier ihre Heimat gefunden.[29]

Neue Theaterfabrik in München-Bogenhausen (seit 2022)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im September 2022 hat Laila Nöth, die Tochter des verstorbenen „Theaterfabrik-Gründers“ Wolfgang Nöth, eine neue Halle mit dem Namen Theaterfabrik in der Musenbergstraße 40 in München-Bogenhausen eröffnet.[30]

Commons: Theaterfabrik München – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. UP Medien-Entwicklungs-GmbH, Handelsregistereintrag
  2. Reterior Fabrik Second Hand Einrichtungshaus | München - Startseite. Abgerufen am 21. April 2022 (deutsch).
  3. Ginger Baker – No Material Live In Munich Germany 1987 bei Discogs (englisch)
  4. Axel Zwingenberger: Boogie woogie live. DNB 351898190
  5. Bootlegs E–K (Memento vom 2. Dezember 2013 im Internet Archive)
  6. Als Kurt Cobain noch in der Dorfdisko spielte: Nichts los in München – wild, punkig und unabhängig war es nur in Clubs wie dem Circus Gammelsdorf oder dem Ballroom Esterhofen. Süddeutsche Zeitung, Jugendseite, 29. Woche 2006.
  7. Nöth lässt Theaterfabrik auferstehen (Memento des Originals vom 24. Oktober 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tz-online.de, tz-online, 27. Januar 2009.
  8. Wolfgang Nöth: A Hund is a scho. (PDF; 485 kB) freshguide.de, 12/2008, S. 30.
  9. And Here the Munich MedMob 2013! Osho News Online Magazine, 29. September 2013, S. 8.
  10. Und morgen die ganze Welt? In: Der Spiegel. Nr. 41, 1981 (online).
  11. Informationen zur Marke DISCO ORANGE (DPMA)
  12. Bandbiographie (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive), The Continentals.
  13. The Continentals History 1980–2011 (Memento des Originals vom 3. März 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.the-continentals.de, The Continentals.
  14. Eintrittskarte 2. International Rockabilly / Rock ’n’ Roll Meeting 1986
  15. 5. Int. Rock ’n’ Roll / Rockabilly Meeting in der Theaterfabrik. In: Rockin’Fifties – Das Musikmagazin für Sammler und Fans. 1989.
  16. Highlights vom Int. Rock ’n' Roll Meeting in der Theaterfabrik Unterföhring; in Rockin´Fifties - Das Musikmagazin für Sammler und Fans. 1992.
  17. Eintrittskarte 1992
  18. Eintrittskarte 1993
  19. Eintrittskarte 1994
  20. Vaudeville Blues (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive): Scarlet Andrews & Christian Christl, kultmuenchen.de.
  21. Jürgen Tonkel: Frau Müller träumt: Schwarze Nacht. In: Zeit Magazin, Nr. 52/2012.
  22. Vita. Heinz-Josef Braun.
  23. Nöth lässt Theaterfabrik auferstehen, tz, 27. Januar 2009.
  24. a b Theaterfabrik (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive), Isarszene, abgerufen am 28. November 2011.
  25. Logbuch der DeepSpaceNight - Sternzeit 070209 - Eintrag von DJ LXR (Memento vom 10. Februar 2009 im Internet Archive), DeepSpaceNight.de.
  26. Programm. (Memento vom 4. November 2013 im Internet Archive) Theaterfabrik.
  27. Theaterfabrik Munich. Youtube-Suche
  28. Theaterfabrik, muenchen.de.
  29. Umziehen für den Beruf: Die neue Heimat war ein Schock. Spiegel Online, 27. Dezember 2012.
  30. [1] Facebook-Post vom 6. September 2022

Koordinaten: 48° 11′ 17″ N, 11° 38′ 46″ O