Thermenherrscher
Der Thermenherrscher ist eine hellenistische Großbronze in bestem Erhaltungszustand. Sie wurde in Rom unweit des 1885 entdeckten Faustkämpfers vom Quirinal gefunden. Die von den Füßen bis zum Scheitel 2,04 m hohe Skulptur befindet sich derzeit im Museo Nazionale Romano in Rom. Sie hat die Inventarnummer 1049. Beide Statuen wurden am Ende der Antike absichtlich vergraben und waren wohl einst Teil der statuarischen Ausstattung der Konstantinsthermen auf dem Quirinal. Die Datierung der Statue ist umstritten und schwankt zwischen der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts und der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr., mit Tendenz zur Datierung ins 2. Jahrhundert v. Chr.[1]
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach ihrer Auffindung war die Bronzestatue in den Diokletiansthermen aufgestellt, woher sie den Namen erhalten hatte. Es handelt sich um eine aufrechtstehende hellenistische Bronzestatue, die einen auf eine Lanze gestützten nackten Mann darstellt. Mit der rechten Hand des leicht hinter den Körper geführten Armes stützt er sich auf dem Gluteus ab. Das Gewicht liegt auf dem rechten Standbein. Das Standmotiv, insbesondere in seinen Proportionen, deutet auf die stilistische Nachfolge von Lysipp. Die Identifizierung des Dargestellten ist in der Forschung umstritten. Es ist offen, ob es sich um einen hellenistischen Herrscher, einen römischen Feldherrn, der militärische Erfolge im griechischsprachigen Osten zu verbuchen hatte, oder um eine mythologische Gestalt – etwa einen der Dioskuren – handelt. Wichtig hierbei ist das fehlende Diadem, das ihn eindeutig als Herrscher ausweisen würde. Sein kurzer, leicht ungepflegter Bart könnte als Bart eines im Feld stehenden Soldaten interpretiert werden.[2] Deshalb wird vermutet, dass der Dargestellte noch kein Herrscher, sondern ein Thronanwärter ist. Es gibt auch die Deutung, dass die im hellenistischen Stil gearbeiteten Statue eine Ehrenstatue für einen Römer sein könnte. So sehen es Stefan Lehmann, der die Identifizierung mit Quintus Caecilius Metellus Macedonicus vorschlägt, oder Detlev Kreikenbom, der sich z. B. auf die Studie über Augustus-Porträts des sogenannten Actium-Typus von Paul Zanker beruft.
Vinzenz Brinkmann und Ulrike Koch-Brinkmann ließen eine 1945 von Phyllis Williams Lehmann aufgestellte These wieder aufleben, nach der die Statue des Thermenherrscher den Dioskuren Polydeukes zeige, die mit dem Faustkämpfer vom Quirinal, die sie als den im Faustkampf besiegten bebrykischen König Amykos deutete, verbunden ist. Die Rekonstruktion als mythologische Gruppe wurde 2018 im Liebieghaus in Frankfurt/Main gezeigt und zur Diskussion gestellt. Gegen diese Rekonstruktion meldete Stefan Lehmann im Jahr 2019 Bedenken an.[3]
Ähnliche Statuen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Thermenherrscher gehört zu den sieben erhaltenen griechischen bzw. großgriechischen Bronzestatuen. Die anderen sind der Faustkämpfer vom Quirinal, der Wagenlenker von Delphi, der Poseidon vom Kap Artemision, der Reiter vom Kap Artemision und die Bronzestatuen von Riace. In diesem Zusammenhang ist auch noch das Fragment des sogenannten Chatsworth-Apoll zu nennen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Phyllis L. Williams: Amykos and the Dioskouroi. In: American Journal of Archaeology. Bd. 49, Nr. 3, 1945, S. 330–347, doi:10.2307/499627.
- Nikolaus Himmelmann: Herrscher und Athlet. Die Bronzen vom Quirinal. Olivetti, Mailand 1989, DNB 962711780, S. 126 ff. und S. 205 ff.
- Stefan Lehmann: Der Thermenherrscher und die Fußspuren der Attaliden. Zur olympischen Statuenbasis des Q. Caec. Metellus Macedonicus. In: Nürnberger Blätter zur Archäologie. Band 13, 1997, S. 107–130.
- Andreas Linfert: Bärtige Herrscher. In: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts. Band 91, 1976, S. 157–174 (Auszüge in der Google-Buchsuche).
- Ulrich Sinn: Einführung in die klassische Archäologie. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45401-1, S. 134–139 (Auszüge in der Google-Buchsuche).
- Detlev Kreikenbom: Griechische und römische Kolossalporträts bis zum späten ersten Jahrhundert nach Christus (= Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts. Ergänzungshefte. Band 27). Berlin 1992, ISBN 3-11-013253-2, S. 28. 52.
- Ulrich-Walter Gans: Attalidische Herrscherbildnisse. Studien zur hellenistischen Porträtplastik Pergamons (= Philippika. Band 15). Harrassowitz, Wiesbaden 2006, ISBN 3-447-05430-1, S. 48–55.
- Vinzenz Brinkmann: Zurück zur Klassik. In: Vinzenz Brinkmann (Hrsg.): Zurück zur Klassik. Ein neuer Blick auf das Alte Griechenland. Hirmer, München 2013, ISBN 978-3-7774-2008-0, S. 14–57.
- Vinzenz Brinkmann, Ulrike Koch-Brinkmann: Die sogenannten Quirinalsbronzen und der Faustkampf von Amykos mit dem Argonauten Polydeukes. Ein archäologisches Experiment. In: Vinzenz Brinkmann (Hrsg.): Medeas Liebe und die Jagd nach dem Goldenen Vlies. Ausstellungskatalog Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt 2018. Hirmer, München 2018, S. 80–97.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Ulrich-Walter Gans: Attalidische Herrscherbildnisse. Studien zur hellenistischen Porträtplastik Pergamons (= Philippika. Band 15). Harrassowitz, Wiesbaden 2006, ISBN 3-447-05430-1, S. 50.
- ↑ Stefan Lehmann: Der Thermenherrscher und die Fußspuren der Attaliden. Zur olympischen Statuenbasis des Q. Caec. Metellus Macedonicus. In: Nürnberger Blätter zur Archäologie. Band 13, 1997, S. 115.
- ↑ Stefan Lehmann: Die hellenistischen Bronzestatuen vom Quirinal in kolorierten Nachgüssen: Statuenrekonstruktion – Benennung – Experiment. In: Antike Welt. Band 50, 2019, S. 39–45 (Digitalisat).