Thibault Damour
Thibault Damour (* 7. Februar 1951 in Lyon)[1] ist ein französischer theoretischer Physiker, der sich mit Allgemeiner Relativitätstheorie, Astrophysik und Stringtheorie beschäftigt.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Damour studierte 1970 bis 1974 an der École normale supérieure, mit einem Abschluss als Diplom-Physiker 1974 an der Universität Paris VI (Diplomarbeit über die Theorie der Renormierung in der Quantenfeldtheorie). Gleichzeitig war er 1973/4 am Institut Henri Poincaré in Paris und 1974 bis 1976 an der Princeton University (als ESA Fellow). 1979 promovierte er an der Universität Pierre und Marie Curie (Universität Paris VI.) über die Theorie Schwarzer Löcher[2]. 1977 bis 1981 war er als Wissenschaftler des CNRS an der Gruppe für theoretische Astrophysik am Observatorium in Meudon. Er blieb auch bis 1992 weiter beim CNRS, seit 1989 als permanenter Professor am IHES in Bures-sur-Yvette bei Paris.
Damour beschäftigte sich u. a. mit der theoretischen Analyse von Tests zur Allgemeinen Relativitätstheorie (AR), u. a. als Leiter des Theorie-Teams beim Satelliten-Experiment Satellite Test of the Equivalence Principle (STEP) des Äquivalenzprinzips 1991 bis 1996. Er war auch Mitglied der Beratungsgremien für Grundlagenforschung bei der ESA und der französischen Raumfahrtbehörde.
Er untersuchte z. B. das Zweikörperproblem in der AR mit Abstrahlung von Gravitationswellen, wichtig im ersten Nachweis dieser Wellen in Doppelsternsystemen mit Pulsaren. Mit Alessandra Buonanno entwickelte er 1999 den Effective One Body Formalism für die analytische Lösung Schwarzer Löcher auf dem Weg zur Verschmelzung.[3] Dies war später genau der Fall einer Quelle, an der Gravitationswellen im Ligo-Projekt 2015 erstmals direkt beobachtet wurden. Außerdem beschäftigte er sich mit kosmologischen Aspekten der Stringtheorie. Mit Bernard Julia, Hermann Nicolai und Marc Henneaux zeigte er, dass das Verschwinden des chaotischen Verhaltens der BKL-Singularitäten (nach Jewgeni Lifschitz, Wladimir Alexejewitsch Belinski, Issaak Chalatnikow) in der Allgemeinen Relativitätstheorie (mit Verallgemeinerung in Kaluza-Klein-Theorien aus effektiven Stringtheorien) in mehr als 10 Raum-Zeit-Dimensionen mit der Nicht-Existenz hyperbolischer Kac-Moody-Algebren in diesen höheren Dimensionen zusammenhängt, die für das oszillierende chaotische Verhalten verantwortlich sind.
Preise und Mitgliedschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1980 Bronzemedaille des CNRS
- 1984 Paul-Langevin-Preis der französischen physikalischen Gesellschaft
- 1990 Prix Mergier-Bourdeix der Academie des Sciences
- 1994 Erster Preis der Gravity Research Foundation
- 1996 Albert-Einstein-Medaille
- 2005 Cecil F. Powell Memorial Medal der European Physical Society
- 2010 Amaldi-Medaille
- 2017 Médaille d’or du CNRS
- 2017 Wissensbuch des Jahres für Das Geheimnis der Quantenwelt (zusammen mit Mathieu Burniat)
- 2021 Dirac-Medaille des ICTP
- 2021 Balzan-Preis für Gravitation: physikalische und astrophysikalische Aspekte (gemeinsam mit Alessandra Buonanno)[4]
Seit 1994 ist er korrespondierendes und seit 1999 volles Mitglied der Académie des Sciences in Paris. 2010 wurde er als ordentliches Mitglied in die Academia Europaea aufgenommen.[5] 2016 wurde er zum Mitglied der American Academy of Arts and Sciences gewählt.[6]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- als Autor
- Once upon Einstein („Si Einstein m'était conté“). Peters Press, Wellesley 2006, ISBN 1-56881-289-2.
- Entretiens sur la Multitude du Monde. Editions Odile Jacob, Paris 2002, ISBN 2-7381-1077-0 (zusammen mit Jean-Claude Carrière).
- Einstein 1905–2005 (Poincaré Seminar; 2005). Birkhäuser Verlag, Basel 2006, ISBN 978-3-7643-7435-8 (zusammen mit Olivier Darrigol, Bertrand Duplantier und Vincent Rivasseau).
- mit Mathieu Burniat: Das Geheimnis der Quantenwelt, Knesebeck Verlag 2017, ISBN 3-95728-050-8 (französisches Original: Le mystère du monde quantique, Éditions Dargaud 2016)
- als Herausgeber
- Einstein Aujourd´hui. EDP Sciences/CNRS Editions. Les Ulis 2005, ISBN 2-271-06311-6 (zusammen mit Alain Aspect u. a.).
- mit Bertrand Duplantier, Vincent Rivasseau: Gravitation and Experiment, Poincaré Seminar 2006, Birkhäuser Verlag, Basel 2007.
Öffentliche wissenschaftliche Kontroverse mit Jean-Pierre Petit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 4. Januar 2019 veröffentlichte Damour, mit Nathalie Deruelle und Luc Blanchet, auf seiner IHES-Seite eine ausführliche 7-seitige Darstellung seiner Kritik der Feldgleichungen des Jean-Pierre Petit's kosmologischem Janus-Modells (genauer gesagt Kritik an 3 Publikationen von Petit von 2014[7][8] und 2016[9]), als Antwort auf ein Schreiben vom 7. Dezember 2018 von Petit[10].
Am 13. März 2019 veröffentlichte Petit einen 54-seitigen wissenschaftlichen Anhang, der die Kritik an Damour, Blanchet und Deruelle analysiert.[11] Das Janus-Modell wird spezifiziert: Es entwickelt sich leicht weiter, um die Identitäten von Bianchi zu respektieren. Nun wird das Janus-Modell als von einer Aktion nach der Variationsmethode abgeleitet beschrieben. Es hat eine neue Lagrange-Ableitung. Diese in der Physik üblichen Verfeinerungen des Modells stellen die bisher erzielten Ergebnisse in Bezug auf astronomische Beobachtungen nicht in Frage. Diese Aktualisierung des Janus-Modells wird durch eine neue wissenschaftliche Veröffentlichung bestätigt.[12][13]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Webseite am IHES
- Thibault Damour. Academie des Sciences (französisch).
- Videos von Thibault Damour (englisch) im AV-Portal der Technischen Informationsbibliothek
Verweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Who's Who in France 2014. Qui est qui en France. Dictionaire biographique. Vol. 45. Levallois-Perret 2013, S. 658
- ↑ Erschienen als Damour „Mechanical, electrodynamical and thermodynamical properties of black holes“, in C. Edwards (Herausgeber) „Gravitational Radiation, collapsed objects and exact solutions“, Springer, Lecture Notes in Physics, Bd. 124, 1980
- ↑ Thibault Damour, Introductory lectures on the Effective One Body formalism, Int. J. Mod. Phys. A, Band 23, 2008, S. 1130–1148
- ↑ Alessandra Buonanno und Thibault Damour. Fondazione Internazionale Premio Balzan, abgerufen am 16. September 2023.
- ↑ Mitgliederverzeichnis: Thibault Damour. Academia Europaea, abgerufen am 1. September 2017 (englisch).
- ↑ American Academy of Arts and Sciences: Newly Elected Fellows. In: amacad.org. Abgerufen am 22. April 2016.
- ↑ J. P. Petit, G. D'Agostini: Cosmological bimetric model with interacting positive and negative masses and two different speeds of light, in agreement with the observed acceleration of the Universe. In: Modern Physics Letters A. Band 29, Nr. 34, 27. Oktober 2014, ISSN 0217-7323, S. 1450182, doi:10.1142/S021773231450182X (worldscientific.com [abgerufen am 28. Januar 2019]).
- ↑ J. P. Petit, G. d’Agostini: Negative mass hypothesis in cosmology and the nature of dark energy. In: Astrophysics and Space Science. Band 354, Nr. 2, 1. Dezember 2014, ISSN 1572-946X, S. 611–615, doi:10.1007/s10509-014-2106-5.
- ↑ https://www.researchgate.net/profile/Bruno_Paul/project/Cosmology-45/attachment/5c26456ccfe4a764550c3d5e/AS:708839905193986@1546012011304/download/le_modele_cosmologique_janus-nov2016.pdf?context=ProjectUpdatesLog
- ↑ http://www.ihes.fr/~damour/publications/JanusJanvier2019-1.pdf
- ↑ http://www.jp-petit.org/papers/cosmo/2019-janus-27.pdf
- ↑ Jean-Pierre PETIT: JANUS 27 : Notion d'action. Analyse de l'article de Damour et Kogan sur le bimétrique auf YouTube, 12. März 2019, abgerufen am 25. Februar 2024 (Laufzeit: 61:02 min).
- ↑ J.P.Petit, G.D’Agostini, and N.Debergh: Physical and mathematical consistency of the Janus Cosmological Model (JCM). In: Progress in Physics. Band 15, Nr. 1, 1. Februar 2019 (jp-petit.org [PDF]).
Personendaten | |
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NAME | Damour, Thibault |
KURZBESCHREIBUNG | französischer theoretischer Physiker |
GEBURTSDATUM | 7. Februar 1951 |
GEBURTSORT | Lyon |