Tidjane Thiam

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Tidjane Thiam (2015)

Tidjane Cheick Thiam (* 29. Juli 1962 in Abidjan) ist ein ivorisch-französischer Manager und ehemaliger Minister der Elfenbeinküste. Von 2015 bis 2020 war er Vorsitzender der Geschäftsleitung (Group CEO) der Credit Suisse.

Tidjane Thiam ist ein Nachkomme von Yamousso, einer Herrscherin der Baule, nach der die ivorische Hauptstadt Yamoussoukro benannt ist. Seine Mutter Marietou Thiam war eine Nichte von Félix Houphouët-Boigny, dem ersten Staatspräsidenten der Elfenbeinküste. Sein Vater Amadou Thiam (1923–2009) war ein aus dem Senegal emigrierter Journalist, Diplomat und Politiker, ausgezeichnet als Grand Officier der Légion d’honneur. Thiams Onkel Habib war über zehn Jahre Premierminister des Senegal.

Thiam absolvierte von 1982 bis 1984 die École polytechnique in Paris und graduierte 1986 als einer der Besten an der Mines ParisTech. Danach wurde ihm ein Praktikum bei McKinsey angeboten. Im Rahmen des Praktikums nahm er erfolgreich an einem einjährigen MBA-Programm an der Insead teil.

1994 kehrte Thiam in die Elfenbeinküste zurück. Bis 1998 leitete er das Bureau National d'Études Techniques et de Développement (Nationales Büro für technische Studien und Entwicklung). Von 1998 bis 1999 gehörte er als Minister für Planung und Entwicklung einer Regierung unter Premierminister Daniel Kablan Duncan an.[1] Als Robert Guéï Weihnachten 1999 einen Militärputsch anführte, befand sich Thiam in Paris auf Urlaub. Bei seiner Rückkehr wurde er kurz unter Hausarrest gestellt, aber bald wieder entlassen, worauf er das Land verließ.[2]

Danach war er bis 2002 Partner für McKinsey in Paris.[1] Bis 2008 bekleidete er eine leitende Funktion bei Aviva, dem fünftgrößten Versicherer der Welt. 2008 wurde er CFO beim Versicherungskonzern Prudential plc in London, 2009 Group Chief Executive.

2015 verließ er Prudential. Obwohl er über keinerlei praktische Erfahrung in einer Bank oder überhaupt der dortigen Unternehmenskultur verfügte, wurde er am 1. Juli 2015 zum Nachfolger von Brady W. Dougan als Vorsitzender der Geschäftsleitung (CEO) der Credit-Suisse-Gruppe gewählt.[3][4] Am 7. Februar 2020 kündigte er seinen Rücktritt zum 14. Februar an, nachdem eine Affäre um die Beschattung zweier ausgetretener Geschäftsleitungsmitglieder (Iqbal Khan, Leiter des Bereichs Internationale Vermögensverwaltung, sowie Personalchef Peter Goerke) zu einem Reputationsschaden der Bank geführt hatte. Auch sein Konkurrent, Iqbal Khan, war ohne zuvor je in einer Bank gearbeitet zu haben, 2013 Finanzchef der Vermögensverwaltung der Credit Suisse geworden.[5] Er lebte als Nachbar von Thiam in Herrliberg.[6] Nach einer bankinternen Untersuchung wurde Thiam als vollständig entlastet bezeichnet: er und der Verwaltungsrat hätten nichts von den Beschattungen gewusst, die in einem Fall von Pierre-Olivier Bouée, einem ehemaligen Mitglied der Konzernleitung, in Auftrag gegeben worden sei. Thiams Nachfolger als Group CEO wurde Thomas Gottstein, der bis dahin der CS-Schweiz-Chef war.[7] In den knapp fünf Jahren, die Thiam bei der Credit Suisse tätig gewesen war, hatte er – trotz Milliardenverlusten der Bank in dieser Zeit – über 62 Millionen Franken verdient. Das exorbitante Einkommen verdankte sich auch den pervertierten Boni, die während seiner Amtszeit bei der Bank durch Korrekturen des für den Bonus von Managern maßgeblichen „Gewinns“ um 9,5 Milliarden Franken nach oben zustande gekommen waren: „Die Buchgewinne lösten sich später in Luft auf.“[8]

2022 kehrte er in die Elfenbeinküste zurück und wurde am 22. Dezember 2023 zum Vorsitzenden der rechtsliberalen Demokratischen Partei der Elfenbeinküste gewählt. Hier werden ihm Aspirationen für die 2025 anstehenden Präsidentschaftswahlen nachgesagt.[9] Im August 2024 steht vor dem Bezirksgericht Meilen ein Prozess gegen eine rumänische Hausangestellte an, die Thiam während seines Aufenthalts in der Schweiz um mehr als eine halbe Million Franken zu erpressen versucht haben soll.[10]

Thiam ist geschieden, Vater von zwei Söhnen und wohnte während seiner Zeit bei der Credit Suisse in Herrliberg.[11][12] Während Thiam selbst wiederholt mit Leibwächtern in der Öffentlichkeit auftrat, soll in seinem Auftrag auch seine private Villa rund um die Uhr von einer Sicherheitsfirma bewacht worden sein.[13]

Sonstige Aktivitäten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Commons: Tidjane Thiam – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Tidjane Thiam Chief Executive Officer
  2. Tidjane Thiam: the man from the Pru's beginnings in Ivory Coast
  3. Samuel Gerber: Tidjane Thiam braucht einen Konter gegen den «UBS-Pitch». In: finews.ch vom 30. Juni 2015.
  4. Michael Ferber: Neuer Konzernchef bei der CS. Dougan hinterlässt Baustellen. In: Neue Zürcher Zeitung vom 10. März 2015, abgerufen am 11. März 2015.
  5. Entlassen, beschattet, verklagt – das CS-Drama in 7 Akten. Abgerufen am 24. Juli 2024.
  6. Thomas Schlittler: Topbanker wurden unfreiwillig zu Goldküste-Nachbarn «Khan und Thiam sind unabhängig voneinander zu ihren Häusern in Herrliberg gekommen». In: Blick. 29. September 2019.
  7. Credit-Suisse-Konzernchef Thiam tritt zurück. SRF.ch, 7. Februar 2020
  8. Muss Tidjane Thiam seinen Bonus zurückgeben? 27. Mai 2023, abgerufen am 24. Juli 2024.
  9. Nach unrühmlichem Abgang in Zürich: Ex-CS-Chef will Präsident der Elfenbeinküste werden. Abgerufen am 24. Juli 2024.
  10. Schweizerische Depeschenagentur: Rumänische Hausangestellte fordert halbe Million von Thiam. In: Blick. 24. Juli 2024.
  11. Christian Dorer, Guido Schätti: «Ich bin nicht interessiert an guten Nachrichten». In: SonntagsBlick vom 2. Juni 2019.
  12. Roman Schenkel: Adieu Herrliberg! Ex-CS Chef Tidjane Thiam verkauft seine Villa. In: luzernerzeitung.ch vom 8. Januar 2021.
  13. Thomas Schlittler: Leibwächter für den CEO, E-Mail-Überwachung für die Angestellten Der Sicherheitswahn der Credit Suisse. In: Blick. 5. Oktober 2019.
  14. Bilderberg Participants 2019. Abgerufen am 1. Juni 2020 (englisch).