Velofahren in Bern

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Velofahrerin und Velofahrer vor Zytglogge
Berner Polizisten auf Velos bei einer Klimademo in der Nägeligasse

Velofahren in Bern ist eine wichtige Art der Fortbewegung innerhalb von Bern, der grössten Stadt des Kantons Bern und Bundesstadt der Schweiz. Der Veloverkehr in Bern hatte 2021 einen Anteil von rund 19 % am Modalsplit,[1][2] gemessen als Anteil der Wege als Hauptverkehrsmittel. Der Veloverkehr in Bern wächst stetig und wird aktiv gefördert, Bern soll zur «Velohauptstadt» der Schweiz werden.[3] Im Jahr 2022 wurde Bern beim Prix Velostädte mit dem zweiten Rang der velofreundlichsten Grossstädte von Pro Velo Schweiz ausgezeichnet.[4]

Förderung des Veloverkehrs

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Per 1. Januar 2001 wurde das von den Stimmberechtigten genehmigte «Reglement zur Förderung des Fuss- und Veloverkehrs» (RFFV) in Kraft gesetzt.[5] Im selben Jahr wurde die Fachstelle für Fuss- und Veloverkehr geschaffen.[6] Regierung, Parlament und Verwaltung der Stadt Bern versuchen seit 2014, mit einer sogenannten Velo-Offensive, das Velofahren aktiv zu fördern. Ziel ist ein Gesamtverkehrsanteil von rund 20 Prozent im Jahr 2030, wobei dieser Anteil zuvor bei rund 11 Prozent stagnierte. Von der Förderung des Veloverkehrs und des öffentlichen Verkehrs erhofft sich die Stadt die Verhinderung einer Zunahme des motorisierten Individualverkehrs (MIV).[7]

Neben verwaltungsinternen Reformen enthält die Velo-Offensive ein Bündel von Massnahmen mit diversen Schwerpunkten. Bezüglich Infrastruktur ist die Einrichtung eines sternförmigen Netzes von Velohauptrouten bis in die Agglomeration geplant. Diese verfügen über einen gehobenen Ausbaustandard gegenüber den Mindestanforderungen der Verkehrsnormen. Die Parkierung für Velos in der Innenstadt, insbesondere beim Bahnhof, soll verbessert werden. Mit diversen weiteren Fördermassnahmen wird zudem versucht, eine Velokultur zu etablieren. Dies beinhaltet zum Beispiel diverse Anlässe rund um das Velo, eine Werbekampagne zur Förderung des Veloverkehrs und die Einrichtung von Velo-Freizeitanlagen bei Schulen und Spielplätzen.

Die Stadtberner Velo-Offensive wurde 2020 mit dem «Prix Velo Infrastruktur» geehrt. Mit dem Prix Velo honoriert Pro Velo Schweiz vierjährlich modellhafte Projekte oder Planungsmassnahmen.[8] Mit dem Preisgeld wurde, zur Veloförderung bei Kindern und Jugendlichen, ein Veloverleih für Kinder als Pilotversuch im Tscharnergut finanziert.[9]

Zur Weiterentwicklung des Veloverkehrs soll der Masterplan Veloinfrastruktur überarbeitet werden, die Vernehmlassung dazu dauert noch bis zum 30. April 2024.[10]

Im Jahr 2000 wurde die Velostation Schanzenbrücke eröffnet,[11] 2003 die Velostation Bollwerk und 2007 die Velostation Milchgässli.[12] Zudem gibt es die Velostationen PostParc, vonRoll Hochschulzentrum Länggasse und Waisenhausplatz. Letztere wird von der Metro Autopark AG betrieben.[13]

Wirtschaftsverkehr

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Bestattervelo im Rosengarten Bern

Auch im Wirtschaftsverkehr ist eine zunehmende Bedeutung des Velos festzustellen, dies nachdem die Massenmotorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg das Velo als Nutzfahrzeug marginalisiert hatte. Der erste moderne Velokurierdienst der Stadt nahm 1988 den Betrieb auf. Diese selbstverwaltete Genossenschaft existiert noch heute als 'Velokurier Bern' und beschäftigt 60 Mitarbeitende im Kurierdienst.[14] Velokurier Bern bietet in einer Kooperation mit diversen Restaurants unter dem Namen 'Schnellerteller' einen Lieferservice an. Mittlerweile sind auch andere Velokurierdienste und -lieferservices in der Stadt aktiv, zum Beispiel just-eat.ch. Gewisse Restaurants beschäftigen zudem eigene Kuriere.[15]

Die Stadt Bern versucht mit dem Programm 'Mir sattlä um' (Berndeutsch für 'wir satteln um') den Einsatz von Lastenrädern in Unternehmen zu fördern. Dabei wurden zwischen 2016 und 2018 in zwei Ausgaben 19 kleinen und mittleren Unternehmen Cargo- und eCargobikes zur Verfügung gestellt. Nach einer wissenschaftlich begleiteten Testphase erhielten die Unternehmen die Möglichkeit die Velos vergünstigt zu übernehmen. Im Auswertungsbericht wird ein positives Fazit gezogen, 14 der beteiligten Firmen haben von der Übernahmemöglichkeit Gebrauch gemacht, ein weiteres Unternehmen benötigte eine Sonderanfertigung und wird ebenfalls weiterhin auf das Lastenrad setzen. In einer späteren Projektphase ab 2018 wurde Unternehmen und Privatpersonen der Kauf eines Cargobikes mit CHF 2000.- unterstützt.[16]

Im Mai 2021 erfuhr das Bestattungsunternehmen 'Aurora Bestattungen' eine schweizweite mediale Rezeption, als es ein Bestattungsvelo in Betrieb nahm. Es handelt sich um ein speziell angefertigtes eCargovelo, mit dem der Leichentransport in der Stadt Bern und seiner näheren Umgebung angeboten wird.[17][18]

Veloverleihsysteme

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Publibikestation in der Länggasse

Unter dem Namen «Velo Bern» betreibt Publibike in Bern ein stationsgebundenes Veloverleihsystem. Dieses stellt neben Velos auch Elektrovelos zur Nutzung bereit und ist auf Kurzzeitmiete ausgelegt.[19] Publibike hat sich nach der Eröffnung 2018 schrittweise auch in mehreren Agglomerationsgemeinden etabliert. Seit 2019 gibt es Stationen in Köniz[20] , 2020 wurde in Zollikofen eine zweite Station eröffnet.[21] 2021 folgten drei Stationen in Muri-Gümligen, wovon eine im Rahmen einer Firmenpartnerschaft betrieben wird.[22]

An über 20 Standorten lassen sich zudem Cargovelos von carvelo2go mieten.[19]

Zwischen 2018 und 2020 betrieb zudem Bond Mobility ein Verleihsystem für E-Bikes, zuerst unter dem Firmennamen Smide. Das Angebot wurde eingestellt, weil es sich um ein Verlustgeschäft gehandelt habe.[23]

Ab Anfang 2021 starteten Tier Mobility und VOI den Betrieb von Verleihsystemen für E-Trottinette zu Beginn mit 125 (Tier) und 60 (Voi) E-Trottinetten. Nur zwei von fünf Anbietern, die ein Gesuch gestellt hatten, wurde eine Bewilligung erteilt. Der Betrieb der Systeme wurde durch die städtischen Behörden an vergleichsweise strenge Auflagen geknüpft, so wird z. B. die Geschwindigkeit der Fahrzeuge in der Altstadt automatisch auf 5 km/h gedrosselt. Die Trottinette dürfen zudem nur auf dem Velostreifen oder auf der Strasse fahren, damit auf den Trottoirs niemand gefährdet wird.[24] Per 1. Mai 2024 wurde VOI als einziger Anbieter zugelassen und die maximale Flottengrösse von 350 auf 300 reduziert.[25]

Die Standorte sämtlicher Fahrzeuge werden in Echtzeit im Online-Kartendienst von Swisstopo veröffentlicht.[26]

Besondere Routen

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Velohauptrouten

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Velohauptroute Bern-Wankdorf vor Lorrainebrücke

Die Velohauptrouten sind Hauptbestandteil der Velo-Offensive. Sie werden wenn möglich mit einer Breite von 2,50 Metern errichtet und sollen im Endausbau ein sternförmiges Netz von der Innenstadt in die Agglomerationen bilden. Auf den Velohauptrouten wird die Steuerung der Lichtsignalanlagen für eine flüssige Passage der Velos optimiert.[27] Stand 2020 sind die Velohauptrouten Bern-Wankdorf und Bern-Köniz realisiert. Auf weiteren Velohauptrouten konnten bereits Abschnitte umgesetzt werden.[28] Beschwerden führten teilweise zu Verzögerungen beim Bau, etwa wegen der Aufhebung von Autoparkplätzen.[29]

Radwanderrouten

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Mehrere Radwanderrouten führen durch, starten oder enden in Bern, zum Beispiel die Aare-Route, die nationale Veloroute 8.

Mountainbikerouten

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Bern ist Start- respektive Endpunkt der regionalen Mountainbikeroute Napf Bike von Mountainbikeland Schweiz. Sie verbindet Bern und Luzern und führt durch das Napfgebiet.

Downhill Trails

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In Stadtnähe befinden sich mehrere Downhill Trails. So wird auf dem Berner Hausberg Gurten, Gemeinde Köniz, von trailnet eine Downhill-Strecke betrieben. Dabei kann das Bike mit der Gurtenbahn bis zur Bergstation mitgenommen werden. Die Strecke ist ganzjährig geöffnet.[30]

Am Ulmizberg (siehe Aussichtsturm Ulmizberg) befindet sich eine weitere beliebte Downhillstrecke, dort ist aber keine offizielle Trägerschaft vorhanden. Die Waldeigentümer kritisieren die Nutzung durch die Biker und stellen seit 2013 regelmässig Verbotsschilder auf.[31]

Die Gemeinde Muri plant die Einrichtung eines Trails im Ostermundigenwald (Stand 2018).[32]

Velofreizeitanlagen

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Von den geplanten 30 Velofreizeitanlagen der Stadt Bern sind derzeit zehn umgesetzt. Es handelt sich um Pumptracks, Rollparks, Velo-Spielplätze und einen Verkehrspark beim Weyermannshaus.[33][34]

2019 wurde in Oberried (Köniz) der Swiss Bike Park eröffnet. Der rund 30’000 m2 umfassende Park bietet eine kostenlose Nutzung von Singletrails, Uphill Rampen, Drops, Jumplines, Trick Jumps ins Luftkissen, zwei Pumptracks und ein Velodrom. Der Park wurde durch Thomas Binggeli initiiert, dem Gründer der Thömus AG.[35]

Zahlen und Statistiken

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In der Stadt Bern waren seit 2001 einige permanente Velomessstellen in Betrieb, welche aber 2013, aufgrund von Erhebungslücken und einer grossen Fehlerquote in der langjährigen Datenreihe, ausser Betrieb genommen wurden. Gleichzeitig wurde mit dem Neuaufbau eines Messstellennetzes begonnen. Bis 2015 wurde wieder an insgesamt vierzehn Standorten der Veloverkehr gezählt, danach erfolgt eine schrittweise Erweiterung auf sechzehn Standorte bis 2020. Zum Vergleich: Auf dem Stadtgebiet befinden sich 166 Autozählstellen. Seit 2017 weisen drei Zählstellen zudem sogenannte Velobarometer auf, welche die Zählungen auf einem Bildschirm live anzeigen.

Die Eckdaten zum Veloverkehr werden in verschiedenen Berichten veröffentlicht.[36] Für den Zeitraum des ersten Messstellennetzes zwischen 2001 und 2013 ist ein zwischenzeitlicher Rückgang bis 2004 und danach eine Zunahme des Veloverkehrs auf 160 % des Werts von 2001 dokumentiert. Zwischen 2014 und 2017 wurde eine Zunahme des Veloverkehrs um 35 Prozent registriert.[37] Zwischen 2018 und 2019 wurde ein Wachstum um 6,6 % gemessen. In der darauffolgenden Periode bis Ende 2020 beträgt das weitere Wachstum 6,9 %. Dies obwohl während mehrerer Lockdowns in Folge der COVID-19-Pandemie in der Schweiz die Verkehrszahlen signifikant zurückgingen.

Vereine, Initiativen

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  • «Pro Velo Bern», ehemals «IG Velo»[38]
  • «Velostadtbern»[39]
  • «trailnet», Interessenvertretung der Bike-Gemeinschaft[40]
  • BeCycling organisiert unter anderem die Kidical Mass
Commons: Velofahren in Bern – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Jede fünfte Fahrt mit dem Velo ist nicht genug. Der Bund. 24. Mai 2023
  2. Mobilität in der Region Bern-Mittelland Mikrozensus 2015 zum Verkehrsverhalten. Stadt Bern Verkehrsplanung und Regionalkonferenz Bern_Mittelland RKBM, 15. März 2018, S. 45;.
  3. Bern soll zur Velohauptstadt werden. Berner Zeitung. 7. Dezember 2015.
  4. Schweizweite Umfrage «Prix Velo» – Die Romandie holt auf! In: pro-velo.ch. 9. Mai 2022, abgerufen am 9. Mai 2022.
  5. Massnahmen zur Förderung von Fuss- und Veloverkehr gehen weiter. In: bern.ch. 3. Dezember 2020, abgerufen am 3. Dezember 2020.
  6. Zehn Jahre Fuss- und Veloverkehrsförderung: Bilanz und Ausblick. In: bern.ch. 22. September 2011, abgerufen am 17. Dezember 2020.
  7. Stadt Bern, Gemeinderat bereitet Velo-Offensive vor.
  8. Velo-Offensive der Stadt Bern mit Prix Velo geehrt. Der Bund. 19. Mai 2020
  9. Pilotprojekt im Tscharnergut: Veloverleih für Kinder eröffnet. In: bern.ch. 13. Mai 2022, abgerufen am 15. Mai 2022.
  10. Neue Standards für Fuss- und Veloverkehr in der Stadt Bern. In: bern.ch. 10. Januar 2024, abgerufen am 11. Januar 2024.
  11. Velostation an der Schanzenbrücke wird ausgebaut. In: bernerzeitung.ch. 19. August 2016, abgerufen am 25. September 2022.
  12. Velostation Milchgässli. In: igvelobern.ch. Abgerufen am 25. September 2022.
  13. Bern (6). In: velostation.ch. Abgerufen am 25. September 2022.
  14. Das Erbe der Berner 80er-Bewegung. In: derbund.ch. 28. Mai 2020, abgerufen am 5. Mai 2021.
  15. Café Viktoria wird asiatisch Berner Zeitung. 3. März 2021.
  16. Cargovelos. In: bern.ch. 9. Mai 2018, abgerufen am 6. Mai 2021.
  17. Ein Velo für die letzte Fahrt – Berner Bestatter mit neuem Angebot der Bund. 4. Mai 2021.
  18. Wenn der Bestatter mit dem Velo kommt Berner Zeitung. 5. Mai 2021.
  19. a b Stadt Bern, Velo ausleihen.
  20. Neue Veloverleihstationen in Köniz eröffnet. In: Gemeinde Köniz. 15. März 2009, abgerufen am 9. Mai 2021.
  21. PubliBike am Bahnhof Zollikofen. In: Gemeinde Zollikofen. 7. Juli 2021, abgerufen am 9. Mai 2021.
  22. PubliBike startet in Muri bei Bern. In: Bauverwaltung Muri bei Bern. 22. April 2021, abgerufen am 9. Mai 2021.
  23. E-Bike-Verleiher stellt Betrieb in Bern ein. Berner Zeitung. 5. August 2020.
  24. Neue Player im Strassenverkehr E-Trottinetts rollen nun auch in Bern der Bund. 2. Februar 2021.
  25. E-Trottinett-Anbieter VOI erhält Bewilligung für fünf Jahre. In: bern.ch. 8. Dezember 2023, abgerufen am 9. Dezember 2023.
  26. sharedmobility.ch
  27. Velohauptrouten. In: bern.ch. Abgerufen am 14. November 2022.
  28. Neue Velohauptroute nach Bümpliz und Niederwangen geplant. In: bern.ch. 29. Oktober 2020, abgerufen am 14. November 2022.
  29. Sicherer mit dem Velo durch die Länggasse. In: bern.ch. 14. Oktober 2022, abgerufen am 15. Oktober 2022.
  30. Downhill Gurtenpark.ch, Informationen zur Downhillstrecke am Gurten.
  31. Streit um Bikestrecke am Ulmizberg. Der Bund. 9. Mai 2013.
  32. Biker sollen im Ostermundigenwald ihre eigene Piste erhalten. Berner Zeitung. 3. September 2018.
  33. Massnahmen zur Förderung von Fuss- und Veloverkehr gehen weiter. In: bern.ch. 26. April 2021, abgerufen am 26. April 2021.
  34. Pumptracks trotz Pandemie Der Bund. 22. April 2020.
  35. Swiss Bike Park. Abgerufen am 22. September 2020.
  36. Stadt Bern, Basisdaten und Erhebungen, 7. Juli 2021
  37. Stadt Bern, Zunahme des Veloverkehrs um 35 Prozent, 23. April 2018
  38. Pro Velo Bern
  39. Velostadtbern (private Website)
  40. trailnet das Bikenetzwerk