Venjansmål
Venjansmål ist eine nordische sprachliche Varietät, die in der Siedlung (Tätort) Venjan gesprochen wird. Venjan liegt im westlichen Gebiet der Gemeinde Mora, die im nördlichen Teil der historischen Provinz Dalarna liegt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anwohnende der Dörfer Vinäs und Vika im westlichen Mora betrieben lange Fischerei und Heuernte im Gebiet um den See Venjanssjön (ca. 40 km westlich von Mora). Zu Beginn des 16. Jh. ließen sich einige von ihnen dauerhaft nieder und im Jahr 1607 wurde Venjan eine eigene Kirchengemeinde (församling)[1]. Die Bevölkerungsdichte in der Siedlung erreichte um das Jahr 1920 einen Höchststand (ca. 2000 Einwohnende)[2]. Im Jahr 2020 waren es ca. 600 Einwohnende[3].
Phonologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vokale
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vokale im Venjansmål (mit Schreibung) | |||
vorne | zentral | hinten | |
geschlossen | i | ʉ ⟨u⟩ | u ⟨o⟩ |
halbgeschlossen | e | ||
halboffen | ɛ ⟨ä⟩ œ ⟨ö⟩ | ɔ ⟨å⟩ | |
offen | ɑ ⟨a⟩ |
Venjansmål hat acht Monophthonge, die entweder kurz oder lang ausgesprochen werden: ⟨a e i o u å ä ö⟩. Darüber hinaus gibt es die zwei Dipgthonge ⟨åj⟩ und ⟨äj⟩.
Der ältere Vokal /y/ ist mit /i/ zusammengefallen: liffta (schwed. lyfta) ’erheben’, dindja (schwed. dynga) ’Dünger’. Die gleiche Veränderung ist auch im Orsamål und einigen anderen Varietäten des Moramål geschehen.
Konsonanten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Konsonanten im Venjansål | |||||||
bilabial | labiodental | alveolar | retroflex | palatal | velar | glottal | |
Plosive | p b | t d | k ɡ | ||||
Nasale | m | n | ŋ | ||||
Tremulanten | r | ||||||
Frikative | f (v) | s | h | ||||
Affrikate | tɕ dʑ | ||||||
Approximanten | w | j | |||||
Laterale | l | (ɽ) |
Das kurze /l/ wird am Silbenende und in Konsonantenclustern [ɽ] ausgesprochen (tjockt l), z. B. fugäl ‚Vogel‘ [ˈfʉːgɛɽ] und ölg ’Elch’ [œɽg]. /w/ wird nach Vokalen meist [v] ausgesprochen, z. B. ostiwör ‚ostwärts‘ [ˈuːstˌiːvœr].
/s/ wird weiter hinten und stärker apikal artikuliert als im Schwedischen und klingt daher stumpfer. Die Kombination /sl/ wird hingegen fast als [hl] ausgesprochen, z. B. sluken ‚erlöschen‘ [ˈhlʉːken], slättja ‚löschen, ausmachen‘ [ˈhlɛtːɕɑ].
Historische Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Gegensatz zu den anderen Ovansiljanmål ist /h/ im Venjanmål nicht weggefallen: håjs ‚Haus‘, håmmår ‚Hammer‘. In einigen wenigen Wörtern ist sogar ein nicht-etymologisches /h/ entstanden: hannlit ‚Wange‘, hårrka ‚vermögen, schaffen‘.[4]
Eine andere Bensonderheit gegenüber den anderen Ovansiljanmål ist, dass /l/ vor anderen Konsonanten erhalten geblieben ist, z. B. jölp(a) (schwed. hjälpa) ‚helfen‘ och fållk (schwed. folk) ‚Leute, Volk‘[5]. Dahingegen ist /r/ größtenteils weggefallen innerhalb von Konsonantenclustern: gad (schw. gård) ‚(Bauern-)Hof, swatt (schwed. svart ‚schwarz‘, fåsst (schwed. först) ‚zuerst‘, stjänna (schwed. stjärna) ‚Stern‘[6].
Die Konsonanten /g/ und /k/ wurden vor bestimmten Vokalen zu /tɕ/ und /dʑ/ palatalisiert[7]. Deshalb heißt es z. B. djet (schwed, get) ‚Ziege‘ und tjissta (schwed. kista) ‚Sarg, Truhe‘. Dies passiert selbst vor einigen Endungen, sodass hok zu hotjen (schwed. höken) ‚Habicht‘ wird und wägg zu wäddja (schwed. väggen) ‚die Wand‘.
Wenn /k/ innerhalb von /sk/ palatisiert wird, bleibt das einleitende /s/ erhalten: stjinn (schwed. skinn) ‚Haut, Leder‘ [stɕinː], stjed (schwed. sked) ‚Löffel‘ [stɕeːd].
Variation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es gibt einige deutliche Unterschiede in der Aussprache zwischen den verschiedenen Dörfern in Venjan, obwohl sie zusammengewachsen sind. Levander gibt als Beispiel an, dass die schwedischen Wörter lie ‚Sense‘ und ljus ‚Licht‘ in Knås als ljå bzw. ljos, in Stutt als liå bzw. los und in Västbygge als jå bzw. jos ausgesprochen werden[8].
Am Wortende und in vielen Endungen können die Vokale variieren: schwed. rödast ‚am rotesten‘ ist z. B. rodäst in Knås, rodöst in Stutt und rodest in Västbygge[9]. Die Plural Dativ Endung -um kommt auch als -äm und -öm und kabb(ö) ‚(Hau)-Klotz‘ steht auch als kabb(ä) in Wennbergs Wörterbuch.[10]
Grammatik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Morphologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Substantive
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Venjansmål unterscheidet genau wie Altschwedisch zwischen drei Genus: Maskulinum, Femininum und Neutrum. Substantive werden in Numerus (Singular/Plural), Kasus (Nominativ/Dativ) und Definitheit (nur im Nominativ) dekliniert.
Die gewöhnlichsten Substantivendungen | |||||
Singular | Plural | ||||
Genus | indef. | def. | indef. | def. | |
Nom. | Mask. | — | -(e)n | -är | |
Fem. | -ä, -a, -en | -är/ör | |||
Neutr. | -Ø | -ä | |||
Dat. | Mask. | -em/äm, -am | -um/äm/öm | ||
Fem. | -än/ön | ||||
Neutr. | -ä/e |
Bsp. Maskulinum: kabb(ö) ‚(Hau)-Klotz‘ | |||
Singular | Plural | ||
indef. | def. | ||
Nominativ | kabbö | kabbön | kabbär |
Dativ | kabbam | kabbum |
Adjektive
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Formen im Maskulinum und Femininum unterscheiden sich nicht, sondern sind beide z. B. grann (schwed. vacker) ‚schön, hübsch‘, während die Neutrumsform grannt und die Pluralform grannä ist. Die Endungen im Komparativ und Superlativ sind -är/ör bzw. -est/äst/öst.[11]
Pronomen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Personalpronomina[12] | |||||
Subjektform | Objektform | ||||
Person | Schw. | Ven. | Schw. | Ven. | |
Singular | 1. Person | jag | i | mig | mi, me |
2. Person | du | du | dig | di, de | |
3. Person | han | an | honom | an | |
hon | å | henne | ännä, ännö | ||
det | ä | det | ä | ||
Plural | 1. Person | vi | wur | oss | wåss |
2. Person | ni | ir, er | er | ir, er | |
3. Person | de | dåm | dem | dåm |
Demonstrativpronomina[12] | ||||||
nahe | entfernt | |||||
Genus | Schw. | Ven. | Schw. | Ven. | ||
Singular | Mask. | han/den här, denna | isn | han/den där | danan | |
Fem. | hon/den här, denna | isu, isö | hon/den där | don, doran/dodan | ||
Neutr. | det här, detta | ita | det där | äran/ädan | ||
Plural | alle | de här, dessa | isär (nom.)
isum (dat.) |
de där | dåmman |
Die Demonstrativpronomina können sowohl mit als auch ohne das Wort, auf das sich bezogen wird, angewendet werden.[13]
Syntax
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Besitzkonstruktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Besitz kann periphrastisch mit der Präposition a (schwed. åt) ‚zu‘ ausgedrückt werden:
äran ä wa kelindjä a Alfred das dort das war die Frau zu Alfred ... das dort, das war Alfreds Frau[14]
Negationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei Inversion steht die Negation (ä)nt ‚nicht‘ für gewöhnlich vor der dem Subjekt.
då kund änt an tjör iwör da konnte nicht man fahren rüber ... da konnte man nicht rüberfahren (Vanån)[15]
Diese Satzgliedfolge konnte in einer Untersuchung basierend auf einer Akzeptabilitätsbefragung mit zwei Informanten aus Venjan bestätigt werden:
I dag a ‘nt å nå tidär.
Heute hat nicht sie welche Zeit
Heute hat sie keine Zeit.
In der Untersuchung war im Zusammenhang mit der Negation (i)nt/(ä)nt nur die Satzgliedstellung Subjekt-Negation möglich. Dies gilt allerdings nicht für andere Satzadverbiale.
*I dag a å int å tidär.
Heute hat die nicht welche Zeiten.
Heute hat sie keine Zeit.
Literatur und Schreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Venjansmål hat keine Schrifttradition bis auf die Übersetzung von Kattkalln mormor aus dem Jahr 2008.[16] In Karin Wennbergs Wörterbuch gibt es mehrere transkribierte Tonaufnahmen aus den Jahren 1945–2006.[17]
In Karin Wennbergs Wörterbuch und in Kattkalln mormor wird das schwedische Alphabet ohne Sonderzeichen verwendet. Genau wie in vielen anderen Ovansiljanmål wird ⟨w⟩ für /w/ verwendet, wie auch ⟨tj⟩ und ⟨dj⟩ für die Affrikate /tɕ/ bzw. /dʑ/.
Sprachbeispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Venjansmål | Å då wur for frå hema. Wur ok tidet på mårgun frå hema, du wet ä e sju mil a Nåjsnes, å i ok minn hässt i. Å då i kamm på Kåsstensbärje, då tänkkt i, i sku åk lit fott jen, dä an fikk käjta. Å an ramlöt nid på kninä hässtn, så i tänkt, nä måtro an ska brot åv skaklär för me. Så i wa gote rittj upp an då så ä djikk då bra då.[18] |
Schwedisch | Och då vi for hemifrån. Vi åkte tidigt på morgonen hemifrån, du vet det är sju mil till Nusnäs, och jag åkte med häst jag. Och då jag kom på Korstensberget, då tänkte jag att jag skulle åka lite fort, så att han fick springa. Men han ramlade ned på knäna hästen, så jag tänkte, nej månntro han skall bryta av skaklarna för mig. Så jag lyckades rycka upp honom då, så det gick då bra då.[19] |
Deutsch | Und dann reisten wir von zu Hause aus. Wir reisten früh am Morgen von zu Hause, du weißt es sind 70 Kilometer bis Nusnäs, und ich bin mit Pferd gereist. Und als ich nach Korstensberget kam, da dachte ich, dass ich etwas zügig reisen sollte, sodass er laufen kann. Aber er, das Pferd, fiel auf die Knie, also dachte ich, nein man sollte glauben er wird die Deichsel vor mir durchbrechen. Dann schaffte ich es ihn hochzuziehen, sodass es dann gut ging. |
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Karin Wennberg: Wenjad: en ordbok. Orsa tryckeri, Orsa 2007, ISBN 978-91-633-0214-5, S. 16.
- ↑ Folkräkningen den 31 december 1920, I, Areal och folkmängd inom särskilda förvaltningsområden; Folkmängdens fördelning efter hushåll. Statistiska centralbyrån, Stockholm 1923, S. 65.
- ↑ Folkmängden per distrikt, landskap, landsdel eller riket efter kön. År 2015 - 2023. Abgerufen am 10. Juli 2024 (schwedisch).
- ↑ Lars Levander: Dalmålet. Beskrivning och historia. Band 1. Uppsala 1928, S. 31 f.
- ↑ Lars Levander: Dalmålet. Beskrivning och historia. Band 2. Uppsala 1928, S. 49–57.
- ↑ Lars Levander: Dalmålet. Beskrivning och historia. Band 2. Uppsla 1928, S. 77–83.
- ↑ Lars Levander: Dalmålet. Beskrivning och historia. Band 1. Uppsala 1925, S. 10.
- ↑ Lars Levander: Dalmålet. Beskrivning och historia. Band 1. Uppsala 1925, S. 28.
- ↑ Karin Wennberg: Wenjad: en ordbok. Orsa tryckeri, Orsa 2007, ISBN 978-91-633-0214-5, S. 15, 20.
- ↑ Karin Wennberg: Wenjad: en ordbok. Orsa tryckeri, Orsa 2007, ISBN 978-91-633-0214-5, S. 55, 157 f.
- ↑ Karin Wennberg: Wenjad: en ordbok. Orsa tryckeri, Orsa 2007, ISBN 978-91-633-0214-5, S. 20.
- ↑ a b Karin Wennberg: Wenjad: en ordbok. Orsa tryckeri, Orsa 2007, ISBN 978-91-633-0214-5, S. 21.
- ↑ Karin Wennberg: Wenjad: en ordbok. Orsa tryckeri, Orsa 2007, ISBN 978-91-633-0214-5, S. 154 f., 161 f.
- ↑ Rut Olsson, Hjalmar Larsson: Kattkalln mormor: på venjansmål. Hrsg.: Rut Olsson. Älvdalen 2008, S. 14.
- ↑ Karin Wennberg: Wenjad: en ordbok. Orsa tryckeri, Orsa 2007, ISBN 978-91-633-0214-5, S. 151.
- ↑ Rut Olsson, Hjalmar Larsson: Kattkalln mormor: på venjansmål. Hrsg.: Rut Olsson. Älvdalen 2008.
- ↑ Karin Wennberg: Wenjad: en ordbok. Orsa tryckeri, Orsa 2007, ISBN 978-91-633-0214-5, S. 142–169.
- ↑ Sus Svens laggarresa – Dalmålsakademin. Abgerufen am 10. Juli 2024 (sv-SE).
- ↑ Venjansmål. In: Wikipedia. 31. Mai 2024 (wikipedia.org [abgerufen am 10. Juli 2024]).