Versicherheitlichung

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Versicherheitlichung (englisch Securitization, manchmal auch Sekurisation genannt) ist ein Konzept in der politikwissenschaftlichen Teildisziplin Internationale Beziehungen. Der Begriff beschreibt, dass ein Sachverhalt als Sicherheitsproblem wahrgenommen oder zu einem gemacht wird. Dieses „auf die Sicherheitsagenda setzen“ kann dazu führen oder mit dem Ziel verfolgt werden, einen größeren Handlungsspielraum bei der Bearbeitung dieses Sachverhalts zu erlangen und weiterreichende Maßnahmen politisch durchsetzen zu können.

Das Konzept wurde von Vertretern der Copenhagen School of Security StudiesBarry Buzan, Ole Wæver und Jaap de Wilde – in ihrem Buch „Security. A New Framework for Analysis“ (1998) geprägt.

Die Wahrnehmung von Sicherheit oder Gefahr und Bedrohung bleibt dabei in einen Kontext gebunden, der von immateriellen, idealistischen oder subjektiven Faktoren beeinflusst wird. Erfolgreiche Versicherheitlichungen müssen vom relevanten Publikum akzeptiert werden, ansonsten bleibt es beim Versuch der Versicherheitlichung.

Buzan und Wæver sowie diverse andere Autoren sehen Versicherheitlichung von einer normativen Perspektive aus als negativ an, da sie zum Brechen etablierter politischer Regeln, etwa der Aushandlung und demokratischen Mitbestimmung, führen können.[1]

Bereiche der Versicherheitlichung

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In ihrem Buch nennen Buzan, Weaver, de Wilde fünf Sektoren, in denen Aspekte der Versicherheitlichung, deren Praktikabilität und politische und gesellschaftliche Auswirkung diskutiert werden. Dabei wird auch die Frage gestellt, inwieweit Sicherheitsaspekte, bzw. der Vorgang der Versicherheitlichung für politisches oder militärisches Handeln instrumentalisiert werden könnten.

Militär

Diskutiert werden Gründe und Risiken in Bezug auf militärische Interventionen, Zugang zu strategischen Ressourcen.[2]

Politik

Weaver definiert die Versicherheitlichung insofern als Problem, als sie die etablierte politische Ordnung untergraben könnte, die Prämissen für alle anderen Fragen verändern und insgesamt die Souveränität einer staatlichen bzw. politischen Einheit bedrohen könnte. Zugespitzt geht es in diesem Kontext um das Überleben einer politischen Einheit als souveränem Staat.

Wirtschaft, Finanzen
Gesellschaft – Problem der Migration, Fragen von Identität

Es geht z. B. um die Frage, ob und wie Migration nach Europa als Sicherheitsproblem wahrgenommen wird, und ob die Migrationsbewegungen Auswirkungen auf den europäischen Einigungsprozess haben. Teilnehmer an der Debatte sind außer Politikern, politischen Parteien und Technokraten, auch soziale Bewegungen, social media, Nichtregierungsorganisationen.[3]

Umwelt – Klimawandel

verstanden nicht nur als Bedrohungsszenarium intakter Naturräume, sondern deren Auswirkung auf die Nationalstaatlichkeit und politische Unabhängigkeit[4][5]
Die Versicherheitlichung des Klimawandels als akute Bedrohung der nationalen und internationalen Sicherheit kann beispielsweise militärische Gegenmaßnahmen (z. B. Grenzschutz, Interventionen) legitimieren und den Blick auf notwendige Vermeidungen von CO2-Emission verstellen.[6][7]

  • Thierry Balzacq: Securitization Theory: How Security Problems Emerge and Dissolve. Oxon: Routledge 2011.
  • Thierry Balzacq, Stefano Guzzini u. a.: What Theory – If Any – Is Securitization? International Relations, 2015. 29. 1, S. 96–136.
  • Barry Buzan, Ole Wæver, Jaap de Wilde: Security. A New Framework for Analysis. Lynne Rienner, Boulder 1998. ISBN 978-1-55587-784-2.
  • Thomas Diez, Franziskus von Lucke, Zehra Wellmann: The Securitisation of Climate Change. Actors, Processes and Consequences. 2016. ISBN 978-1-138-95635-3.
  • Susanne Fischer, Philipp Klüfers, Carlo Masala, Katrin Wagner: (Un)Sicherheitswahrnehmung und Sicherheitsmaßnahmen im internationalen Vergleich. Freie Universität Berlin, Forschungsforum Öffentliche Sicherheit. Hrsg. Jochen Schiller. (Schriftenreihe Sicherheit. Nr. 14.) Berlin 2014. ISBN 978-3-944675-04-6.
  • Julia Grauvogel, Thomas Diez: Framing und Versicherheitlichung. Die diskursive Konstruktion des Klimawandels. In: Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung (ZeFKo). Jg. 3. 2014, Nr. 2 S. 203–232.
  • Michael C. Williams: Words, Images, Enemies: Securitization and International Politics. In: International Studies Quarterly. Jg. 47. Nr. 4. 2003 S. 511–531.

Einzelnachweise

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  1. Claudia Aradau, Rens Van Munster: Governing Terrorism Through Risk: Taking Precautions, (un)Knowing the Future. In: European Journal of International Relations. Band 13, Nr. 1, 1. März 2007, ISSN 1354-0661, S. 89–115 (sagepub.com [abgerufen am 1. Juni 2017]).
  2. Matt McDonald: Securitization and the Construction of Security, in: European Journal of International Relations, 1. Dezember 2008.
  3. Marc Schuilenburg; The Securitization of Society: Crime, Risk, and Social Order, With an Introduction of David Garland. New York University Press 2015.
  4. The European Union and the Securitization of Migration. 2000 JCMS (Journal of the Common Market Studie), Band 39. Nr. 5. S. 677–933.
  5. Golo M. Bartsch: Klimawandel und Sicherheit in der Arktis: Hintergründe, Perspektiven, Strategien. Wiesbaden: Springer 2016. darin: Zur „Versicherheitlichung“ des Klimawandels. S. 69–74.
  6. Michael Brzoska: The Securitization of Climate Change and the Power of Conceptions of Security. In: Sicherheit & Frieden. Band 27, Nr. 3, 2009, S. 137–145 (nomos.de [PDF]).
  7. Delf Rothe: Versicherheitlichung. In: Tobias Ide (Hrsg.): Friedens- und Konfliktforschung. Leverkusen, Barbara Budrich 2017, ISBN 978-3-8252-8699-6, S. 35–67.