Viktor Rogy
Viktor Rogy (* 27. Juli 1924 in Gailitz/Ziljica bei Arnoldstein in Kärnten;[1] † 23. Jänner 2004 in Klagenfurt) war ein österreichischer Lyriker, Bildhauer, Multimedia-, Aktions- und Performancekünstler.
Viktor Rogy zählt zu den radikalsten Vertretern der internationalen Tendenz des Minimalismus in der Kunst nach 1945. Der Autodidakt lebte drei Jahrzehnte in der ehemaligen Waschküche der Gartenvilla der Malerin Maria Lassnig in Klagenfurt und erregte in den 1980er-Jahren mit seinen Protestaktionen für den Ensembleschutz Aufsehen, bevor er sich dem Design von Lokalen, der künstlerischen Strategie der Designation und dem kalligrafischen Freewriting zuwandte.
Leben und Werk
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Viktor Rogy wuchs als Kind einer Eisenbahnerfamilie in Gailitz bei Arnoldstein in Kärnten auf und erlernte in Leoben in der Steiermark das Maurerhandwerk[2]. Sein Vater Peter Rogy[3] engagierte sich bis 1934 im sozialdemokratischen, danach im kommunistischen Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur und kam am 14. April 1944 in der Haftanstalt Krems-Stein gewaltsam zu Tode.[4] Viktor Rogy simulierte als Wehrmachtssoldat an der West-, Süd- und Ostfront erfolgreich Verletzungen und Krankheiten.
Nach dem Krieg verkehrte Rogy im Literaturzirkel des Villacher Architekten, Lyrikers und Grafikers Hans Leb. Unter dem Einfluss des deutschen Dichtermalers und Mystikers Bô Yin Râ begann er zu schreiben, zog 1959 mit dem Maler und Bildhauer Hans Bischoffshausen nach Paris und später als Stuckateur und Ateliergehilfe durch die Kärntner Schlösser Saager[5], Ehrenhausen und Damtschach[6]. In den 1960er-Jahren heiratete Rogy in erster Ehe die Kärntner Malerin Caroline[7], befreundete sich mit dem Maler Giselbert Hoke, wandte sich der minimalistischen Bildhauerei zu und nahm an internationalen Bildhauersymposien in Vermont/USA[8] und im Krastal/Kärnten[9] teil.
In den 1970er-Jahren ging Rogy zur Fund- und Konzeptkunst über, wie sie von Lawrence Weiner in der Declation of Intend (1968) definiert wird. Der Künstler imaginierte Ausstellungen und Kunstorte, erweiterte das Readymade um Gedrucktes und Gebautes und kalligrafierte am Wirtshausblock Einwortgedichte, die er zum Teil in Leuchtschrift ausführen ließ. Rogy parodierte künstlerische Fotografie durch magisches Sammeln und gestaltete mit Hilfe privater Mäzene drei Klagenfurter Innenstadt-Lokale[10]. In den Jahren 1985 und 1988 setzte er spektakuläre Aktionen für den Ensembleschutz in Villach[11] und Klagenfurt[12], die zu gerichtlichen Verurteilungen führten. Das »bankrotte Genie«[13] polemisierte gegen den kommerziellen Kunstbetrieb sowie gegen Lokal-, Regional- und Bundespolitiker, insbesondere mit internationalem Medienecho[14] gegen die Angelobung der österreichischen ÖVP-FPÖ-Regierung am 4. Februar 2000.
Die legendäre Kärntner Galerie Hildebrand[15], der österreichische Architekturkritiker Friedrich Achleitner, der Kunsthistoriker Arnulf Rohsmann[16], der Publizist Wolfgang Koch sowie die Literaturwissenschaftler Jozej »Pepo« Strutz[17] und Friedbert Aspetsberger[18] warben für Rogys Anerkennung im Kulturbetrieb. Der Künstler verehrte in seiner Arbeit kultisch ein Dutzend Religionsstifter, Sportler, Künstler und Dichter, als deren jeweilige Reinkarnation er sich sah.[19] In den 1980er-Jahren integrierte er Formen des Spiritismus als »Ferntraining« und »Fernsprengung« in seine Aktionen. Der Zentralbegriff seiner reduktionistischen Interventionen im Raum hieß »Enttschatschelung« [Entkitschung][20]. Mit ihm fand der unberechenbare Außenseiter in der österreichischen Provinz eigenständig zu ästhetischen Positionen, die mit den Strömungen der Arte Povera, des Minimalismus und der Appropriation Art übereinstimmen.
Rogy stellte in Österreich, Slowenien, Italien, Deutschland und den USA aus. Sein Hauptwerk ist die im Jahr 2000 verspiegelte neogotische Evangelische Kirche im Stadtpark (Villach).[21] Rogy dokumentierte sein gesamtes Schaffen in zwei Künstlerbüchern und rund 700 gedruckten Künstlerpostkarten.[22] Er schuf in Kollaboration mit seiner zweiten Ehefrau, der Künstlerin Isabella Ban[23], Installationen, Tanzvideos, Vintage-Anzüge und Fantasiegerichte, und er performte als »lebende Skulptur« bis zur letzten Stunde am Sterbebett.
Rogys Lesungen und Performances wurden vom Dokumentaristen und Obmann des Musikforum Viktring Werner Überbacher gefilmt. Als Rogy-Schüler bezeichnen sich der Konzeptkünstler Werner Hofmeister, der Kärntner Faschingsintendant Reinhard Eberhart[24], der Datenstruktur-Künstler Wilfried Kofler[25] und der Antiquitätenhändler Klaus Oberhammer[26].
Viktor Rogy starb in Folge eines Adenokarzinoms des Pankreas. Sein Grab befindet sich am Alten Friedhof Gailitz/Arnoldstein. Rogy war Vater eines Sohnes.
Ausstellungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1978: K 45/Kunst nach 1945, Künstlerhaus Wien: Viktor Rogy, 16.–20. Feb. 1978
- 1978: Kunstverein Kärnten: Viktor Rogy, 12.–27. Mai 1978
- 1984: Galerie Hildebrand, Klagenfurt: Schlussausstellung, 21. Okt.–31. Dez. 1984
- 1995: Galerie Stadtpark, Krems: Objekte, 17. Sept.–14. Okt. 1995
- 1998: Kunsthalle Exnergasse: Fotoausstellung, 13. Mai–6. Jun. 1998
- 2007: Retrospektive im Stadttheater Klagenfurt: I love you, 6.–11. Aug. 2007
- 2019: Retrospektive, Galerie Freihausgasse, Villach: C’est la vie, 9. Mai–1. Juni 2019
Veröffentlichungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- R. Dreißig Gedichte im Miniaturformat, hrsg. von Hans Bischoffshausen, Druckerei Ripl, Villach 1959.
- genie 84. Ritter Verlag, Klagenfurt 1984.
- (5mal viktor) i love you/ PRIVATFILM. Werkbuch. Edition Selene, Wien 1998.
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1944: Eisernes Kreuz II. Klasse der Deutschen Wehrmacht
- 1998: Würdigungspreis für Architektur des Landes Kärnten
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Stadttheater Klagenfurt: Viktor Rogy – I love you, Kat. zur Ausstellung. Klagenfurt 2007.
- Wolfgang Koch: Jeden Tag Cowboy. Viktor Rogy. Der Kunstrebell vom Wörthersee. Hollitzer Verlag, Wien 2020, ISBN 978-3-99012-818-3.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Biographische Daten, Veranstaltungen und Rezensionen basis wien - Viktor Rogy. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- Ausstellungseröffnung im WUK / Kunsthalle Exnergasse 1998 Viktor Rogy. 3Fotoausstellung. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- Universitätskulturzentrum UNIKUM / Kulturni center univerze v Celovcu UNIKUM STUNK Parteitag der Kunst. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Geburts- und Taufschein der Pfarre Arnoldstein (IV.124) vom 1. April 1948
- ↑ Lehrbrief der Maurer-Innung, Graz, am 31. Juli 1942
- ↑ Dokumentation des Vereins Erinnern Opfer des NS Regimes. Peter Rogy. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Sterbeurkunde des Standesamtes Krems/ Donau Nr. 221/1944.
- ↑ Wehrbauten in Österreich. Schloss Saager. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Schloss Damtschach. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ geborene Heidemarie Karoline Moser, in zweiter Ehe Caroline Hudelist Caroline Biography. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Vermont International Sculpture Symposia Vermont's Sculpture on the Highway. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Symposion Krastal Künstler, die seit 1967 am Symposion krastal teilgenommen haben. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Vegetarisches Restaurant ›Gourmet zur Roten Lasche zum Gepäcksträger mit Zündschnur‹ (1981–1995), Villacher Straße 10, ›Café Geist‹ (1995–1996), Villacher Straße 18, ›Café OM‹ (1996–2006), Pernhartgasse 12
- ↑ ›Wolfgang Koch: Denkmalgeschützter Schiff-Bruch. Die Faschingsstadt als Realsatire, Falter 3/1986, S. 14.
- ↑ Wolfgang Koch: Schief ist englisch, und englisch ist modern. Architektonischer Schiffbruch in Kärnten, Falter 4/1988, S. 10.
- ↑ Walter Mayer: Im Narratorium. Die verrücktesten Österreicher, Basta, Nr. 6/1986, S. 44
- ↑ La Stampa, La Repubblica, NYT, The Guardian, Stern.
- ↑ Die drei Phasen der Galerie Hildebrand nach Harald Krejci, in: Mehr als Zero/ More than Zero, Kat. des Belvedere 2015: Galerie Wulfengasse 14 (1961–66), Galerie Heide Hildebrand (1966 71), Arbeitskreis Galerie Hildebrand (1973–84), beide in den Bärenlauben, Wiesbadener Straße 3.
- ↑ Arnulf Rohsmann. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Josef [auch: Jozej] Strutz. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Friedbert Aspektsberger: Rogy, Viktor: aber witzig, aberwitzig, Der Standard, 25. Feb. 2001. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Wolfgang Koch: Der Lehmstecher Gottes, Spektrum, Die Presse, 13. März 1993, S. III.
- ↑ Michael Huber: Der Eremit von gegenüber, Kurier, 22. November 2020, S. 40, Künstler Viktor Rogy: Der Eremit von gegenüber. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Die Kirche im Stadtpark von Villach. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Wolfgang Koch: Jeden Tag Cowboy. Viktor Rogy. Der Kunstrebell vom Wörthersee. Hollitzer, Wien 2020, S. 514.
- ↑ Isabella Ban-Rogy Bella Ban. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Reinhard Eberhart. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ Wilfried Kofler. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
- ↑ karnöl. Klaus Oberhammer. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
Personendaten | |
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NAME | Rogy, Viktor |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Lyriker, Bildhauer, Multimedia-, Aktions- und Performancekünstler |
GEBURTSDATUM | 27. Juli 1924 |
GEBURTSORT | Gailitz, Ziljica bei Arnoldstein, Kärnten |
STERBEDATUM | 23. Januar 2004 |
STERBEORT | Klagenfurt |