Volkmar Herntrich
Volkmar Herntrich (* 8. Dezember 1908 in Flensburg; † 14. September 1958 in Lietzow bei Nauen) war ein evangelisch-lutherischer Theologe. Zuletzt war er Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Hamburgischen Staate.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Da Herntrich aus einer alten Pastorenfamilie stammte, war der Studiengang Evangelische Theologie für ihn vorgezeichnet. So schrieb er sich 1927 an der Eberhard-Karls-Universität ein, wo er 1928 im Corps Borussia Tübingen recipiert wurde.[1] Später studierte er in Berlin bei Reinhold Seeberg und an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. 1930 legte er sein Examen ab. Mit einer Doktorarbeit bei Ernst Sellin wurde er 1931 in Berlin zum Dr. theol. promoviert.[2]
Er gehörte zu den Begründern des Pfarrernotbundes in Schleswig-Holstein und war einer der Köpfe der Bekennenden Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus. Bereits kurz nach seiner Habilitation wurde ihm im Jahre 1935 die Lehrbefugnis entzogen[3]. Er wurde Dozent an der theologischen Hochschule in Bethel und hielt von 1934 bis 1939 zahlreiche Gastvorträge gegen die völkische Religiosität und die Ablehnung des Alten Testaments in der Bibel. Verhöre durch die Geheime Staatspolizei, Verhaftungen und Gefängnisaufenthalt waren die Folge. In dieser Zeit entwickelte er eine enge Beziehung zu Friedrich von Bodelschwingh, dem Leiter der Betheler Anstalten. Dieser gehörte mit Emil Wacker und Theophil Wurm zu den Theologen, die den prägendsten Eindruck auf Herntrich machten.
Ab 1940 war er in Berlin-Dahlem als Direktor des Evangelischen Reichsverbandes weiblicher Jugend, des Burckhardthauses, tätig. 1942 wurde er zum Hauptpastor der St.-Katharinenkirche (Hamburg) gewählt.
Als seine besondere Leistung gilt die organisatorische Erneuerung der Kirche durch seine Arbeit für die Zusammenführung von Evangelischem Hilfswerk und Innerer Mission. Beiden Werken stand er als Vorsitzender des Diakonischen Rates vor. Weitere Verdienste erwarb er sich durch den Wiederaufbau der Alsterdorfer Anstalten[4] und der Katharinenkirche, die durch die Operation Gomorrha zerstört worden waren.
1945 wurde Herntrich von der Militärregierung als Nachfolger von Landesbischof Franz Tügel gehandelt. Tügel setzte sich aber mit seinem Vorschlag für Simon Schöffel durch. Herntrich wurde neben Simon Schöffel und Theodor Knolle im Herbst 1945 in die vorläufige Kirchenregierung berufen.[5]
1946 gab es Überlegungen in der schleswig-holsteinischen Landeskirche, besonders im Bruderrat der Bekennenden Kirche, Herntrich in eines der beiden geplanten Bischofsämter zu berufen. Diese Pläne zerschlugen sich.[6]
Im Jahr 1948 wurde er Oberkirchenrat und stellvertretender Landesbischof. In den zwölfköpfigen Rat der EKD wurde er 1949 berufen. In der Zeit setzte er sich stark für die Neugründung der Kirchlichen Hochschule Hamburg ein, der späteren Theologischen Fakultät der Universität Hamburg. Hier wurde er Rektor und Professor für alttestamentliche Exegese.
Noch vor seinem 50. Geburtstag wurde er 1956 zum Bischof der Hamburgischen Landeskirche gewählt und war damit der jüngste der deutschen evangelischen Bischöfe. Im weiteren Verlauf wurde er Mitglied der Weltdienstkommission des Lutherischen Weltbundes und steuerte Hilfseinsätze in Notgebieten. 1958 verhinderte Herntrich den Versuch des Geistlichen Ministeriums, die Frauenordination in der Hamburgischen Landeskirche einzuführen.[7] Auf dem Weg zu einer Konferenz über Fragen der europäischen Minderheitenkirchen in Gdynia erlitt er bei Nauen einen tödlichen Autounfall.[8]
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dr. phil. h. c. der Christian-Albrechts-Universität (1950)
- Ehrendoktor der Capital University, Columbus, Ohio (1954)
Schriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ezechielprobleme (= Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, Heft 61), Gießen 1933.
- Die Psalmen als Kraftquelle Luthers. Ein Beitrag zur Frage nach dem lutherischen Bekenntnis heute, Gütersloh 1934.
- Die Kirche Jesu Christi und das Wort Gottes. Zur Frage nach der „sichtbaren“ und „unsichtbaren“ Kirche (= Bekennende Kirche, Heft 35), München 1935.
- Das Glaubenszeugnis des Alten Testaments und das Bekenntnis zu Jesus Christus, Gütersloh 1935.
- Neuheidentum und Christusglaube, Gütersloh 1935.
- als Herausgeber: Ihr sollt meine Zeugen sein. Andachtsbuch der Bekennenden Kirche, Gütersloh 1935.
- Jeremia der Prophet und sein Volk. Eine Einführung in die Botschaft des Jeremia, Gütersloh 1938.
- Theologische Auslegung des Alten Testaments? Zum Gespräch mit Wilhelm Vischer, Göttingen 1938.
- Wie liest der Christ das Alte Testament? Der biblische Schöpfungsbericht der Gemeinde ausgelegt, Göttingen 1939.
- Das Loblied der Gemeinde. Psalmenpredigten (= Theologische Existenz heute 73), München 1940.
- Das Geheimnis der Gottesherrschaft. Eine Einführung in das Markus-Evangelium. Teil I, Berlin 1940.
- Amos der Prophet Gottes, Göttingen 1941.
- Halt uns bei festem Glauben. Tägliche Andachten, Berlin 1941.
- Die biblische Geschichte in der kirchlichen Unterweisung. 100 ausgeführte katechetische Besprechungen, Hamburg 1946.
- als Herausgeber mit Theodor Knolle: Schrift und Bekenntnis. Zeugnisse lutherischer Theologie, Hamburg 1950.
- Der Prophet Jesaja. Kap. 1-12 (Das Alte Testament Deutsch 17), Göttingen ³1957.
- Und das Meer ist nicht mehr. Predigten über Texte der Offenbarung, Hamburg 1963.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hans-Volker Herntrich (Hrsg.): Volkmar Herntrich 1908–1958. Ein diakonischer Bischof, Berlin 1968 (Schriften für Diakonie und Gemeindebildung).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Volkmar Herntrich im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Nachruf Evangelisch-Lutherische Kirche Hamburg
- Portraitfoto von Volkmar Herntrich im Hamburger Kirchenkalender 1959
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Kösener Corpslisten 1960, 126/542.
- ↑ Dissertation: Geschichte der Auslegung des Buches Ezechiel bis zu Kittels Geschichte des Volkes Israel.
- ↑ Vertriebene Gelehrte. 21. März 2024, abgerufen am 21. März 2024 (deutsch).
- ↑ Volkmar-Herntrich-Haus – Straße der Inklusion. Abgerufen am 27. September 2022.
- ↑ Kurt Meier: Der Evangelische Kirchenkampf. Band 3: Im Zeichen des zweiten Weltkrieges. Halle (Saale) 1984, S. 396 f. und 670.
- ↑ Hans Treplin: Persönlicher Brief [an die Amtsbrüder] vom August 1946 (Vervielfältigung).
- ↑ Frauen auf der Kanzel? Die Auseinandersetzungen um Frauenordination und Gleichberechtigung der Theologinnen in der Hamburger Landeskirche - PDF. Abgerufen am 4. Juni 2018.
- ↑ VOLKMAR HERNTRICH 08.XII.1908 - 14.IX.1958. In: Der Spiegel. 23. September 1958, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 27. September 2022]).
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Karl Dubbels | Hauptpastor an St. Katharinen zu Hamburg 1942–1958 | Hartmut Sierig |
Theodor Knolle | Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Hamburgischen Staate 1956–1958 | Karl Witte |
Personendaten | |
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NAME | Herntrich, Volkmar |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher evangelischer Theologe, Landesbischof in Hamburg |
GEBURTSDATUM | 8. Dezember 1908 |
GEBURTSORT | Flensburg |
STERBEDATUM | 14. September 1958 |
STERBEORT | Lietzow (Nauen) |
- Lutherischer Theologe (20. Jahrhundert)
- Lutherischer Bischof (20. Jahrhundert)
- Person der Bekennenden Kirche
- Hochschullehrer (KiHo Wuppertal/Bethel, Standort Bielefeld)
- Hochschullehrer (Kirchliche Hochschule Hamburg)
- Lutherischer Bischof (Hamburg)
- Person (Evangelische Kirche in Deutschland)
- Alttestamentler
- Ehrendoktor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
- Ehrendoktor einer Universität in den Vereinigten Staaten
- Hauptpastor (Hamburg)
- Corpsstudent (20. Jahrhundert)
- Deutscher
- Person (Diakonie)
- Geboren 1908
- Gestorben 1958
- Mann
- Rektor einer Hochschule in Deutschland