Volksentscheid zur Auflösung des preußischen Landtages

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Foto des Original-Stimmzettels, der beim Volksentscheid zur Auflösung des preußischen Landtags vom 9. August 1931 verwendet wurde.

Der Volksentscheid zur Auflösung des preußischen Landtags vom 9. August 1931 wurde durch ein im Frühjahr des gleichen Jahres vom republikfeindlichen Stahlhelm gestartetes Volksbegehren ausgelöst. Unterstützt wurde die Organisation dabei von mehreren Rechtsparteien, der NSDAP und der KPD. Das Vorhaben scheiterte im Volksentscheid bei 93,93 % Ja-Stimmen und einer Beteiligung von 39,21 % unecht am Quorum, das eine Mindestbeteiligung von 50 % der Wahlberechtigten vorsah.

Preußen galt nach den Reichstagswahlen von 1930 als Bollwerk der Demokratie in Deutschland. Aus diesem Grund verstärkten sich seither die Angriffe gegen die Regierung von Otto Braun. Auf Druck von Heinrich Brüning und Joseph Wirth wurde nach einem vorangegangenen Verbot der Stahlhelm im Sommer 1930 in Preußen wieder zugelassen. Auf dem „Reichsfrontsoldatentag“ am 4. Oktober in Koblenz, an dem über 100.000 Anhänger teilnahmen, griff der Führer des Stahlhelms Franz Seldte die „marxistische“ preußische Regierung scharf an. Er kündigte ein Volksbegehren zur vorzeitigen Auflösung des preußischen Landtages an.

Ein entsprechender Antrag wurde am 4. März 1931 vom preußischen Innenminister Carl Severing genehmigt. Unterstützt wurde das Volksbegehren von der DNVP, der DVP und verschiedenen kleinen Parteien. Kurz vor Beginn der Eintragungsfrist rief auch Adolf Hitler im Namen der NSDAP zur Unterstützung auf.

Nach Ablauf der Eintragungsfrist hatten sich 5,96 Millionen Stimmberechtigte für das Volksbegehren ausgesprochen. Das waren nur wenig mehr als die notwendigen 20 % (5,27 Millionen). Das Ergebnis war für die Initiatoren insofern enttäuschend, weil sie damit deutlich unterhalb ihres Ergebnisses der Reichstagswahl von 1930 in Preußen blieben.

Der preußische Landtag debattierte am 8. und 9. Juli 1931 über das Volksbegehren. Die beantragte Landtagsauflösung lehnten die Koalitionsparteien SPD, Zentrum und Deutsche Staatspartei (229 Stimmen) gegen die Stimmen der NSDAP, DNVP, KPD, DVP, der Deutschen Fraktion, der Wirtschaftspartei und dem Christlich-Sozialer Volksdienst (zusammen 190 Stimmen) ab. Damit wurde ein Volksentscheid zu dem Thema für den 9. August angesetzt.

Unterstützung durch die KPD

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die KPD erklärte sich nach der Ankündigung des Volksbegehrens durch den Stahlhelm im Oktober 1930 zunächst nicht zu einer Unterstützung bereit. Dies, obwohl nach Dokumenten der Komintern bereits lange vor dem Sommer 1931 unabhängig von Vorgaben Moskaus die Option diskutiert wurde, das sozialdemokratische Kabinett Braun per Referendum zu stürzen, und Exekutivkomitee-Mitglied Hermann Remmele auf einer KPD-Führungssitzung im Januar 1931 vorschlug, nun den rechten Parteien mit einem eigenen Referendum zur Landtagsauflösung zuvorzukommen.[1] Der Grund für die zögernde Haltung lag in der mangelnden Unterstützung durch die KPD-Bezirkssekretäre, die Rücksicht auf die sozialdemokratische Arbeiterschaft nehmen wollten.[2] Angesichts der relativ geringen Beteiligung beim Volksbegehren konnten die republikanischen Kräfte dem Volksentscheid relativ zuversichtlich entgegensehen. Dies änderte sich am 22. Juli 1931, als auch die KPD nun doch ihre Unterstützung ankündigte. Diese Entscheidung spiegelt die damalige Priorität der Kommunisten für den Kampf gegen die als „sozialfaschistisch“ geschmähte SPD wider. Dies entsprach ganz der Linie, die das Exekutivkomitee der Komintern im Frühjahr 1931 vorgegeben hatte. Hinter der Entscheidung der KPD standen der damalige Vorsitzende Heinz Neumann, die Komintern und Stalin, die auch erheblichen Einfluss auf die Entscheidung nahmen.

Am 6. August 1931, kurz vor der Abstimmung, wandte sich die preußische Regierung an die Öffentlichkeit: „Wer ein Sowjet-Preußen oder ein faschistisches Preußen und damit den Bruderkrieg im eigenen Land wolle, der solle beim Volksentscheid mit Ja stimmen; wer dagegen für den sozialen und demokratischen Ausbau der deutschen Republik und des Freistaates Preußen sei, der möge sich vom Volksentscheid fernhalten.“

Der Volksentscheid vom 9. August 1931 scheiterte. Die Auszählung ergab 9,8 Millionen Stimmen dafür. Dies entsprach 37,1 % der Stimmberechtigten. Notwendig gewesen wären 13,4 Millionen Stimmen oder mehr als 50 % der Stimmberechtigten. Insbesondere zahlreiche kommunistische Wähler hatten sich nicht an der Abstimmung beteiligt. Der voraussehbare Misserfolg veranlasste die Berliner Parteiführung der KPD, am Abend des 9. August während eines Auflaufs ihrer Anhängerschaft vor ihrer Zentrale am Bülowplatz zur Ermordung der Polizeioffiziere Paul Anlauf und Franz Lenck, um eine neue politische Situation zu schaffen.[3]

Das demokratische Lager feierte das Scheitern des Volksentscheids als Erfolg für die Republik.

Im Nachhinein hat die offizielle Geschichtsschreibung des ZK der SED 1966 die Beteiligung der KPD als folgenschweren Fehler bezeichnet.

  • Wilhelm Ribhegge: Preußen im Westen. Kampf um den Parlamentarismus in Rheinland und Westfalen. Münster, 2008 (Sonderausgabe für die Landeszentrale für politische Bildung NRW) S. 488–491
  • Heinrich August Winkler: Der Weg in die Katastrophe. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1930 bis 1933. Bonn, 1990. ISBN 3-8012-0095-7, S. 385–391

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Hoppe, Bert (2007): In Stalins Gefolgschaft. Moskau und die KPD 1928 - 1933. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. S. 206
  2. Hoppe, Bert (2007): In Stalins Gefolgschaft. Moskau und die KPD 1928 - 1933. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. S. 206
  3. Heinrich August Winkler: Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. Beck, München 1998, ISBN 3-406-43884-9, S. 424.