Vollständige algebraische Varietät
Eine vollständige algebraische Varietät ist in der algebraischen Geometrie das Analogon zu einer kompakten Mannigfaltigkeit in der Differentialgeometrie. Eine algebraische Varietät ist also vollständig, wenn sie gewisse „kompakte“ Eigenschaften hat.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sei eine algebraische Varietät, sodass für alle Varietäten die Projektion bezüglich der Zariski-Topologie eine abgeschlossene Abbildung ist, das heißt für eine Zariski-abgeschlossene Teilmenge ist auch abgeschlossen. Dann heißt vollständig.[1][2]
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das wichtigste Beispiel vollständiger Varietäten sind projektive Varietäten.[3][4] Affine Varietäten sind hingegen nur dann vollständig, wenn sie endlich sind.[5][6] Mit größerem Aufwand lassen sich auch Beispiele von nicht projektiven vollständigen Varietäten konstruieren. Beispiele sind etwa singuläre nicht-projektive vollständige Flächen[7][8] oder glatte vollständige nicht-projektive dreidimensionale Varietäten.[9][10][11]
Vererbung der Vollständigkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Eigenschaft der Vollständigkeit bleibt unter gewissen Konstruktionen erhalten. So gilt etwa:
- Abgeschlossene Untervarietäten vollständiger Varietäten sind vollständig.
- Vollständige Untervarietäten von Varietäten sind abgeschlossen.
- Produkte vollständiger Varietäten sind vollständig.
- Bilder von vollständigen Varietäten unter Morphismen sind abgeschlossen und vollständig.[12][13]
Eigenschaften vollständiger Varietäten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Reguläre Funktionen vollständiger Varietäten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die regulären Funktionen zusammenhängender vollständiger Varietäten sind gerade die konstanten Funktionen.[14]
Vollständigkeit erzwingt teilweise Projektivität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vollständige quasiprojektive Varietäten, vollständige Kurven und glatte vollständige Flächen sind projektive Varietäten.[15][16][17]
Satz von Nagata
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auf Masayoshi Nagata geht das folgende Einbettungsresultat zurück:
Jede Varietät kann als offene Teilmenge dicht in eine vollständige Varietät eingebettet werden.[18][19]
Borelscher Fixpunktsatz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für die Theorie algebraischer Gruppen ist der folgende Fixpunktsatz relevant:
Operiert eine zusammenhängende auflösbare algebraische Gruppe auf einer vollständigen nichtleeren Varietät über einem algebraisch abgeschlossenen Körper, so existiert ein Fixpunkt.[20][21]
Ähnliche Begriffe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zusammenhang mit Kompaktheit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit der folgenden Charakterisierung der Kompaktheit eines Hausdorffraums wird der Zusammenhang zur Vollständigkeit einer algebraischen Varietät deutlich:
Ein Hausdorffraum ist genau dann kompakt, wenn für alle topologischen Räume die Projektion bezüglich der Produkttopologie auf eine abgeschlossene Abbildung ist.[22]
Zusammenhang mit eigentlichen Morphismen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die den vollständigen Varietäten entsprechenden Morphismen sind die eigentlichen Morphismen.[23] Daher werden vollständige Varietäten zum Teil auch als eigentliche Varietäten bezeichnet.[24] So ist jeder Morphismus, der auf einer vollständigen Varietät definiert ist, ein eigentlicher Morphismus und eine Varietät ist gerade dann vollständig, wenn der konstante Morphismus von der Varietät auf einen Punkt ein eigentlicher Morphismus ist.[25]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- James E. Humphreys: Linear Algebraic Groups. Springer, New York 1975, ISBN 978-1-4684-9445-7, 6. Complete Varieties.
- Robin Hartshorne: Algebraic Geometry. Springer, New York 1977, ISBN 978-1-4419-2807-8, II.4 Separated and Proper Morphisms.
- Karl-Heinz Fieseler, Ludger Kaup: Algebraische Geometrie. Heldermann Verlag, Lemgo 2005, ISBN 3-88538-113-3, 5. Projektiv algebraische Varietäten.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Fieseler, Kaup: Algebraische Geometrie. 2005, 5.14 Definition
- ↑ Humphreys: Linear Algebraic Groups. 1975, 6.1
- ↑ Fieseler, Kaup: Algebraische Geometrie. 2005, 5.25 Korollar
- ↑ Humphreys: Linear Algebraic Groups. 1975, 6.2 Theorem
- ↑ Fieseler, Kaup: Algebraische Geometrie. 2005, 5.19 Korollar
- ↑ Humphreys: Linear Algebraic Groups. 1975, 6.1 Proposition, (e)
- ↑ Masayoshi Nagata: On the imbeddings of abstract surfaces in projective varieties. Mem. College Sci. Univ. Kyoto Ser. A Math. 30 (1957), no. 3, 231--235.
- ↑ Hartshorne: Algebraic Geometry. 1977, Ex. II.7.13, Ex. III.5.9
- ↑ Heisuke Hironaka: On the theory of birational blowing-up. Harvard 1960.
- ↑ Masayoshi Nagata: Existence theorems for nonprojective complete algebraic varieties. Illinois J. Math. 2 (1958) 490–498.
- ↑ Hartshorne: Algebraic Geometry. 1977, Appendix B, Example 3.4.1
- ↑ Fieseler, Kaup: Algebraische Geometrie. 2005, 5.17 Lemma
- ↑ Humphreys: Linear Algebraic Groups. 1975, 6.1 Proposition
- ↑ Fieseler, Kaup: Algebraische Geometrie. 2005, 5.19 Korollar, 1)
- ↑ Humphreys: Linear Algebraic Groups. 1975, 6.1 Proposition (f)
- ↑ Hartshorne: Algebraic Geometry. 1977, Ex. III.5.8
- ↑ Oscar Zariski: Introduction to the Problem of Minimal Models in the Theory of Algebraic Surfaces. American Journal of Mathematics Vol. 80, No. 1 (Jan., 1958), 146-184
- ↑ Masayoshi Nagata: Imbedding of an abstract variety in a complete variety. Journal of Mathematics of Kyoto University (2) 1962, 1-10.
- ↑ Masayoshi Nagata: A generalization of the imbedding problem of an abstract variety in a complete variety. Journal of Mathematics of Kyoto University (3) 1963, 89-102.
- ↑ Humphreys: Linear Algebraic Groups. 1975, 21.2 Fixed Point Theorem
- ↑ Armand Borel: Groupes Lineaires Algebriques. Annals of Mathematics, Second Series, Vol. 64, No. 1 (Jul., 1956), 20-82
- ↑ Nicolas Bourbaki: General Topology I. 10.2, Corollary 1 zu Theorem 1
- ↑ Fieseler, Kaup: Algebraische Geometrie. 2005, 13 Einleitung
- ↑ Hartshorne: Algebraic Geometry. 1977, S. 105 Definition
- ↑ Fieseler, Kaup: Algebraische Geometrie. 2005, 13.4 Bemerkung