Waldwende

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Mit der Waldwende schlagen Fachleute, Wissenschaftler, Initiativen und Naturschutzverbände eine Bewirtschaftungsmethode vor, die auf die Selbstheilungskräfte des Waldes baut. Das Motto lautet „die Natur einfach in Ruhe lassen“[1] bzw. „je mehr wir die Natur machen lassen, desto gesünder ist der Wald.“[2]

Die traditionelle Forstwirtschaft verfolgt das Leitbild der multifunktionalen Waldbewirtschaftung,[3] indem sie neben ökonomische Zielen, zum Beispiel auch eine Erholungs-, Klima-, Wasserspeicher-, Bodenschutz- und Waldsicherungsfunktion wahrnimmt. Im Spannungsfeld dieser Vielfalt an Zielen ist unter den Fachleuten ein gewisser Unmut mit der staatlichen Forstpolitik aufgekommen.[4] So ist der prominenteste Vertreter der Waldwende Peter Wohlleben selbst ein ehemaliger Förster, der wegen Unzufriedenheit aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden ist. Der Sprecher der Initiative Waldwende-Jetzt! Volker Ziesling war zuvor leitender Forstdirektor, der die Politik seiner Vorgesetzten nicht mehr mittragen wollte.[5]

Bekannt wurde der Begriff Waldwende im Jahr 1994, als der Spiegel-Titel Fabelhafte Bäume erschien.[6] Im gleichen Jahr veröffentlichte Wilhelm Bode zusammen mit Martin Hohnhorst das Buch Waldwende. Vom Försterwald zum Naturwald. Ebenfalls im Jahr 1994 stellte Lutz Fähser das Lübecker Konzept der naturnahen Waldnutzung vor.[7]

An Stelle der multifunktionellen Ausrichtung der Waldwirtschaft soll eine Zielkaskade treten, in der Klimawandel und Grundwassersicherung ganz vorn stehen.[8] Durch Reduzierung des Verbisses durch Wildtiere soll nachwachsenden Bäumen auch ohne aufwändige Schutzmaßnahmen eine Chance gegeben werden.[9] Nährstoffe sollen im Wald verbleiben und die Entnahme von Holzhackschnitzeln und Brennholz sollte reduziert werden.[10][8] Gefordert wird eine schnelle Rückkehr zu naturnahen Wäldern,[11] in denen Bäume mehrerer Generationen nebeneinander stehen und ein dichtes Kronendach bilden. Entsprechend sollen Durchforstungen nur sehr zurückhaltend vorgenommen werden[10] und Auflichtungen nicht dazu führen, dass Bäume durch fehlende Nachbarn instabil werden.[12][13] Der Nationalen Biodiversitätsstrategie folgend, sollen nicht nur knapp 2 % der Bestände, so wie heute, sondern 10 % der Waldfläche aus der wirtschaftlichen Nutzung herausgenommen werden.[14][8]

Neben einem hohen Totholzanteil sollen abgestorbene, ausreichend alte Bäume als sogenannte Biothopbäume stehen gelassen werden.[15] Im Fall von Waldbränden und Sturmschäden sollen betroffene Flächen keinesfalls durch Kahlschlag für eine Aufforstung vorbereitet werden,[16] vielmehr sollen die toten Bäume stehen bleiben, um Schatten zu spenden, in dessen Schutz sich junge Bäume selbstständig ansiedeln können.[14] Von Borkenkäfern befallene Bäume sollen nur dann aus dem Bestand entnommen werden, wenn damit Bruterfolge der Käfer verhindert werden können.[12] Entwässerungsgräben sollen zurückgebaut werden, um das Wasser im Wald zu halten[17] und Rückegassen sollen nur in großem Abstand angelegt werden. Generell sei jede Bodenverdichtung zu vermeiden.[14][15]

Bevorzugte Baumarten

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Im Sinne der Waldwende soll der Wald aus Bäumen traditionell einheimischer Arten bestehen.[15] Demnach sollen Fichten bevorzugt in höheren Lagen stehen.[18][19] Der Buche wird eine hohe Überlebensfähigkeit bescheinigt, solange für ein dichtes Blätterdach gesorgt ist.[12] Teilweise wird für einen Mischwald mit hohem Laubanteil geworben,[20] teilweise für einen reinen Laubmischwald.[18] Die Anpflanzung von gebietsfremden Baumarten sollte nicht mehr gefördert werden.[8][12]

Ergänzung der universitäre Forstwirtschaft

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Initiiert von Peter Wohlleben, Pierre Ibisch, und dem Magazin GEO wurden an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde drei Stiftungsprofessuren ausgeschrieben. Ab 2024 soll dort der Bachelor-Studiengang Sozialökologische Waldbewirtschaftung angeboten werden.[21][22] Ziel ist die Ausbildung junger Forstwirte, die den Wald nicht mehr primär als Holzlieferanten betrachten.[21]

Der Leiter der Bayerischen Forstverwaltung, Hubertus Wörner, wendet ein, dass „wir nicht darauf warten können, dass sich der Wald alleine rettet, er wird es nicht tun.“ Vor allem sollten vermehrt Baumarten gepflanzt werden, die mit der Trockenheit besser zurechtkämen, als die einheimischen Arten. Eine Buche aus Italien sei weniger empfindlich als eine heimische Buche.[23]

Das Thünen-Institut plädiert dafür, heimische Baumarten aus Südost-Europäischen Ursprungsregionen ergänzend im Bestand zu pflanzen, die besser an trockenes und warmes Klima gewöhnt sind.[24]

Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) Jürgen Bauhus bezeichnet die Selbstheilungskräfte der Natur als „evidenzfreies Narrativ“.[25][26] Außerdem setzt er sich dafür ein, den Wald auszudünnen, damit die Konkurrenz um das wenige Wasser reduziert wird.[27]

Dem Argument, dass eine erfolgreiche Kultivierung der Douglasie über mehr als 100 Jahre keine ausreichende Sicherheit böte, dass dies auch in Zukunft so sei,[25] wird von Wilfried Stichmann entgegnet, dass der wirtschaftliche Aspekt beim Aufbau des Waldes der Zukunft ebenfalls berücksichtigt werden sollte.[28]

Einzelnachweise

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  1. Grüne in NRW wollen „Waldwende“ und Flächenzertifikate, Aachener Zeitung, 13. August 2023
  2. Interview mit Peter Wohlleben, von Geseko von Lüpke, Ethik heute, 10. Mai 2023
  3. Die Forsteinrichtung als Grundlage einer multifunktionalen Waldbewirtschaftung, Forstwirtschaft in Deutschland, abgerufen am 17. September 2023
  4. Die Waldwende: Der Umbau der Wälder beginnt, Ausgang unbekannt, in: Die Nachhaltigkeitstransformation in Deutschland, von Jörg Radtke, DOI:10.1007/978-3-658-35230-1, 2021
  5. Vom leitenden Forstdirektor zum "Forstrebell" - Kampf für die "Waldwende" - Volker Ziesling im Portrait, Speyer-Info, 7. Januar 2023
  6. Fabelhafte Bäume, Der Spiegel, 48/1994
  7. Das Lübecker Konzept der „Naturnahen Waldnutzung“ – Ökonomie durch Ökologie, von Karl-Friedrich Weber, Naturwald Akademie, 27. März 2021
  8. a b c d Positionspapier zum Zustand des Waldes und der Forstwirtschaft in Deutschland, Volker Ziesling, Waldwende-Jetzt!, 1. Dezember 2020
  9. Nationaler Waldgipfel – Waldkrise durch Klimakrise: Umweltorganisationen fordern ökologische Waldwende, BUND, 24. September 2019
  10. a b Manifest zum Wald in Deutschland, Bundesbürgerinitiative Waldschutz, abgerufen am 18. September 2023
  11. Regen reicht nicht: Wälder leiden weiter unter Dürrestress – Zukunftsweisende Bundeswaldgesetz-Novelle für ökologische Waldwende nötig, BUND, 10. August 2023
  12. a b c d BUND-Stellungnahme zum Referentenentwurf für eine Nationale Waldstrategie 2050, Greenpeace, 9. April 2021
  13. Waldwende in der Wald- und Klimakrise?, von Pierre L. Ibisch und Jeanette S. Blumröder Kritischer Agrarbericht, 2021
  14. a b c Forderungen von Natur- und Umweltschutzorganisationen im DNR zur Waldpolitik, Deutscher Naturschutzring, 10. Dezember 2021
  15. a b c Eckpunkte für einen Masterplan Waldwende NRW, BUND, Oktober 2019
  16. BUND will gesetzliche Vorgaben für ökologische Waldwende, Die Zeit, 10. August 2023
  17. Aufforstung in Deutschland: Gelingt der Umbau der Wälder?, von Jens Voss und mit Klaus Striepen, National Geographic, 14. April 2022
  18. a b Waldwende statt Waldsterben! - Neun BUND-Forderungen zu Deutschlands Wäldern in der Klimakrise, BUND, 23. April 2020
  19. Folgen der Forstwirtschaft – Warum wir eine Waldwende brauchen, Greenpeace, 16. November 2021
  20. Willst du den Wald vernichten, pflanze Fichten, Fichten nichts als Fichten, von Horst Schikorra, Waldwende-Jetzt!, 10. August 2022
  21. a b Studieren für die Waldwende, Greenpeace, abgerufen am 18. September 2023
  22. Drei Forstprofessuren für Eberswalde, von Oliver Gabriel, Forstpraxis.de, 1. Mai 2023
  23. Zu trocken: Wie der deutsche Wald gerettet werden soll, dpa, 17. März, 2023
  24. Waldschäden durch Trockenheit und Hitze, Thünen-Institut, 27. Mai 2022
  25. a b Waldwende in der Wald- und Klimakrise? - Warum viele Forstakteure das Ökosystem vor lauter Bäumen nicht sehen (wollen), von Pierre L. Ibisch, Jeanette S. Blumröder, 2014
  26. Peter Wohlleben im Gespräch mit Jakob Augstein: „Man kann Bäumen beim Trinken zuhören“, Der Freitag, Ausgabe 29/2023
  27. So stark leiden die deutschen Wälder, ZDF, 16. September 2023
  28. Die Douglasie und der Wald der Zukunft – Fehler künftig nicht wiederholen, von Wilfried Stichmann, 8. April 2020