Wanen
Die Wanen (abgeleitet vom altnordischen Vanir – „die Glänzenden“, auch Vanen geschrieben) bilden neben den Asen das ältere der beiden Göttergeschlechter in der nordischen Mythologie. Sie wohnen in Wanenheim. Als Gottheiten u. a. des Herdfeuers und Ackerbaus werden ihnen Eigenschaften wie Fruchtbarkeit, Erdverbundenheit und Wohlstand zugeschrieben.
Nach einem mythologischen Kampf (dem Wanenkrieg) gegen die Asen überlassen die Wanen den Asen als Zeichen des Friedens und zu dessen Sicherung den Meeresgott Njörðr und dessen Kinder, die Zwillinge Freya und Freyr, als Geiseln. Im Gegenzug erhalten die Wanen den Asen Hönir sowie den weisen Riesen Mimir.
Dreiteilige Götterwelt der Germanen: Riesen, Wanen und Asen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Götterwelt der frühen Skandinavier begründet sich auf drei Geschlechter, die alle aus dem Urchaos und einem Urrind hervorgingen.
Riesen und Ungeheuer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das älteste Geschlecht ist das der Riesen und Ungeheuer, zu denen praktisch alle bösen Wesen gehören, die auch für Naturkatastrophen verantwortlich gemacht werden. Dieses Geschlecht hat die Macht, die Welt zu vernichten. Damit dies nicht passiert, werden die Wanen geschaffen. Die Wanen leben ewig, sie sind weise, mutig und gerecht. Sie halten alles im Gleichgewicht. Aber sie sind keine Kämpfer und unfähig, sich der Riesen und Ungeheuer zu erwehren. Also wird mit den Asen ein kräftiges Kriegergeschlecht geschaffen, dem begrenzte Macht gegeben wird. Bald übernehmen diese die Macht und schließen einen Bund mit den Wanen, die sie brauchen, um ihr Leben zu verlängern. Im Ragnarök erfüllt sich das Schicksal der Götter zuletzt aber doch.
Wanen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das zweitälteste Geschlecht sind die Wanen, die als äußerst geschickt, erdgebunden (bäuerliche Fruchtbarkeitsgottheiten) und weise verehrt wurden und ewig leben konnten, es sei denn, sie wurden erschlagen. Die Verantwortung der Wanen liegt im Bereich der Flora und Fauna. Ihre Verehrung fand daher oft in heiligen Hainen statt.
Snorri bezeichnet Njörðr, Freyr und Freyja, die nach dem Wanenkrieg als Geiseln bei den Asen wohnen, in der Ynglingasaga als Wanen.
„Fengu Vanir sína hina ágæstu menn, Njörð hinn auðga og son hans Frey. … Dóttir Njarðar var Freyja. Hún var blótgyðja. Hún kenndi fyrst með Ásum seið sem Vönum var títt. Þá er Njörður var með Vönum þá hafði hann átta systur sína því að það voru þar lög. Voru þeirra börn Freyr og Freyja. En það var bannað með Ásum að byggja svo náið að frændsemi.“
„Die Vanen gaben ihre vornehmsten Männer heraus, Njörd den Reichen und seinen Sohn Frey. … Die Tochter des Njörd war Freyja. Sie war Tempelpriesterin. Sie lehrte zuerst die Asen den Zauber, wie er bei den Wanen üblich war. Solange Njörd bei den Vanen war, hatte er seine Schwester zur Frau gehabt, denn dort war dies so rechtens, und ihre Kinder hießen Freyr und Freyja. Aber unter den Asen war es verboten, in so nahe Verwandtschaft zu heiraten.[1]“
In Gylfaginning, sagt er, sie seien Asen.
„Inn þriði áss er sá, er kallaðr er Njörðr. … Hann var upp fæddr í Vanaheimi … Njörðr í Nóatúnum gat síðan tvau börn. Hét annat Freyr, en dóttir Freyja. Þau váru fögr álitum ok máttug. Freyr er inn ágætasti af ásum. Hann ræðr fyrir regni ok skini sólar ok þar með ávexti jarðar, ok á hann er gott at heita til árs ok friðar. Hann ræðr ok fésælu manna. En Freyja er ágætust af ásynjum.“
„Der dritte Ase ist Niördr genannt. … Er war in Wanaheim erzogen. … Niörd in Noatun zeugte seitdem zwei Kinder. Der Sohn hieß Freyr und die Tochter Freyja. Sie waren schön von Antlitz und mächtig. Freyr ist der trefflichste unter den Asen. Er herrscht über den Regen und Sonnenschein und das Wachstum der Erde, und ihn soll man anrufen um Fruchtbarkeit und Frieden. Freyja ist die herrlichste der Asinnen.[2]“
Auch in der Skáldskaparmál zählt er in Kap. 1 Njörð und Freyr unter den Asen auf. Die übrigen Wanen kommen nur als Kollektiv vor. Nach dem Friedensschluss am Ende des Wanenkrieges hört man von den Wanen nichts mehr.
Asen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Siehe Artikel Asen.
Wanenkrieg und seine Auswirkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Sage nach reizten Wanengöttinnen durch verbotene und feige Hexenkünste die kriegerischen Asen, wodurch es zum Wanenkrieg kam. Die Wanen gingen als Sieger hervor, gaben sich als Sieger aber mit der Gleichberechtigung mit den Asen zufrieden. Asen und Wanen tauschten als Zeichen des Friedens Geiseln aus und vermischten sich dadurch. Der Krieg war beigelegt.
Deutung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Theorie besagt, dass der Wanenkrieg die Auseinandersetzungen zwischen den beiden wahrscheinlichen Vorgängerkulturen der Germanen, den Indogermanen und den Trägern der sog. Megalithkultur, schildert. Diese Ansicht geht auf Publikationen von Gustav Schwantes aus den 1930er Jahren und dem Sprachwissenschaftler Hermann Güntert zurück und wird auch heute noch vertreten. Ein anderer Ansatz ist, dass der Krieg eine frühe geistesgeschichtliche Auseinandersetzung zwischen zwei Kulturidealen war: auf der einen Seite die alte bäuerlich-handfeste Göttervorstellung, auf der anderen Seite eine kultiviertere, transzendente Auffassung von den Göttern. In der Muttergöttin Freyja (einer Wanin) und Frigga (einer Asin) überschneiden sich die Vorstellungen anschaulich.
Die von Snorri Sturluson verfasste euhemeristische Erzählung Heimskringla beschreibt in der Ynglingasaga die Wanen als ursprünglich aus dem nördlichen Schwarzmeergebiet stammende Geiseln aus der Region um die Mündung des Tanais (Don). Im Zuge eines Verhandlungsfriedens, der den Krieg zwischen Asen und Wanen nach der Zerstörung Asgards beendete, wurden dabei vornehme Asen an die Wanen und vornehme Wanen an die Asen ausgeliefert, wobei Letztere anschließend nach Norden wanderten.
Siehe auch: Nordgermanische Religion.
Aufzählung einiger Wanen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]nordgermanisch | westgermanische (althochdeutsche) Namensform |
Bedeutung |
---|---|---|
Njörðr | -- | Gott des Meeres, der Navigation und der Seefahrt |
Freyr | -- | Gott des Himmelslichtes, der Wärme, des Friedens und der Fruchtbarkeit[3] |
Freyja | -- | Göttin der Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit[3] |
Gullveig | Heidi, Heid | Hüterin der Schätze und Seherin der Runenmagie |
Kvasir | -- | Gott des Wissens, hat auf jede Frage eine Antwort |
Stammbaum der nordischen Gottheiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die folgende Übersicht zeigt die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den bekanntesten nordischen Gottheiten aus den Geschlechtern der Wanen und Asen:
Stammbaum der Asen und Wanen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Buri | Bölthorn | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Delling | Nott | Börr | Bestla | Fjörgyn | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||
∞ | ∞ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Dagr | 2. | Jörd | Vili | Vé | Odin | 1. | Frigg | Ivaldi | |||||||||||||||||||||||||||||||||
∞ | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
∞ | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Thjazi | Sif | Thor | Nanna | Baldr | Hödr | Hermodr | Bragi | ∞ | Idun | ||||||||||||||||||||||||||||||||
∞ | ∞ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Nerthus | Njördr | Skadi | ∞ | Ullr | Thrud | Forseti | |||||||||||||||||||||||||||||||||||
∞ | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Gerda | Freyr | ∞ | Freyja | 4. | Grid | Odin | 3. | Rinda | |||||||||||||||||||||||||||||||||
∞ | ∞ | ∞ | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Fjölnir | Vidar | Vali | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X.