Weckamine

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Als Weckamine (oder Weckmittel) werden bisweilen unscharf Amine mit stimulierender (aufweckender, kreislaufanregender) Wirkung bezeichnet.[1][2] Als Derivate des Ephedrins zählen sie zu den Phenylalkylaminen. Bekannte Vertreter dieser Gruppe von Psychopharmaka[3] sind Amphetamin, Methamphetamin, Phenmetrazin, Fenetyllin und Ephedrin selbst.[4] Die Bezeichnung Weckamin ist veraltet und findet in der aktuellen pharmakologischen Literatur keine Verwendung mehr.

Etymologie und Synonyme

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Etymologisch handelt es sich um ein Kunstwort (und zwar um einen Neologismus) aus den Wörtern wecken und Amin (Amine sind organische Ammoniak-Verbindungen).[5] Analog gibt es im Niederländischen die wekamine. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Euphorika und von Psychoanaleptika. Wegen ihrer raschen Toleranzentwicklung sind sie als Appetitzügler ungeeignet.[6] Weckamine zählen zu den Sympathomimetika[7] (Alphasympathikomimetika),[8] zu den Psychotonika, zu den Anregungsmitteln[9] und zu den Stimulantia (Stimulanzien). Damit sind die Weckmittel gewissermaßen die Gegenspieler der Schlafmittel (Hypnotika) oder auch der Sedativa. Pervitin und Crystal (Crystal Meth) sind andere Namen für Methamphetamin. Das Stichwort Weckamin findet sich im Klinischen Wörterbuch von Willibald Pschyrembel nur in den zwanzig Auflagen von 1951 bis 2011. Mitunter werden auch Koffein und Teein sowie das körpereigene Adrenalin unsystematisch zu den Weckaminen gezählt.

Ephedrin und Pseudoephedrin können als Grundstoff zur Synthese des Betäubungsmittels Methamphetamin (Crystal Meth) verwendet werden. Daher gelten sie in der Europäischen Union als überwachungsbedürftige Drogenausgangsstoffe.[10] Der Umgang mit ihnen ist daher in Deutschland durch das Grundstoffüberwachungsgesetz unter Strafandrohung stark eingeschränkt. Das Erzeugnis Metamfetamin ist in Deutschland in Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz erfasst, so dass ein Handeltreiben damit sowie jeder Besitz strafbar sind.[11]

Die Rote Liste 2020 nennt im Unterkapitel „andere Adrenozeptor-Agonisten“ im Kapitel 19 (Antihypotonika und Mittel zur Schocktherapie) zwei ephedrinhaltige Zubereitungen als intravenöse Injektion zur Behandlung einer arteriellen Hypotonie während einer Spinalanästhesie, während einer Periduralanästhesie oder auch während einer Allgemeinanästhesie mit Abfall der Herzfrequenz besonders im Rahmen chirurgischer oder geburtshilflicher Eingriffe.[12] Weitere Weckamine werden nicht gelistet.

Historische Handelsnamen

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Willibald Pschyrembel erwähnte in seinem Wörterbuch 1951 acht Weckamine mit den damaligen Handelsnamen Aktedron, Benzedrin, Elastonon, Isophen, Pervitin, Sympatol, Suprifen und das in Tropfenform erhältliche, von der Knoll AG als Mittel bei Kreislaufschwäche vermarktete,[13] Veritol.[14] In einem alten Lehrbuch für Hausärzte findet sich eine ähnliche Liste von Kreislaufmedikamenten: Tonhormon, Sympatol, Pentedrin, Veritol, Veriazol, Peripherin, Ephedrin, Ephetonin, Pervitin und Elastonon.[15] Ähnlich nennt Fritz Lange folgende Weckmittel: Sympatol, Suprifen, Veritol, Effortil, Hexeton, Cardiazol, Coramin, Koffein, Strychnin, Ephedrin und Ephetonin.[16]

Als „Weckamine“ stimulieren Amphetamin und Methamphetamin das Zentralnervensystem,[17] in das sie im Gegensatz zu den Katecholaminen gut einzudringen vermögen. Außerdem regen sie die Herztätigkeit und damit den Blutkreislauf an.[18] Sie setzen aus Speichern adrenerger Neurone Noradrenalin und Dopamin frei.[19] Auch hinsichtlich einer Euphorisierung wirken sie ähnlich wie Cocain. Als stimulierende Kreislaufmittel wirken die Weckamine der Müdigkeit, einer körperlich-geistigen Erschöpfung und einer Abspannung entgegen.[20]

Sie führen vorübergehend zu verminderter Müdigkeit und zu einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit, ferner zu einer Schlaflosigkeit, zu einer Euphorie, zur Anregung des Atemzentrums und zu einer Hemmung des Appetitzentrums. Wegen ihrer hohen Suchtgefahr ist ihre Verwendung auf wenige Indikationen beschränkt. Sie werden zum Beispiel bei einer Narkolepsie verordnet.[21]

Im Handbuch der inneren Medizin werden ausführlich Veränderungen bei der diagnostischen Hautoberflächenthermometrie als Folge der einzelnen Weckamine beschrieben. Genannt werden Adrenalin, Sympatol, Pervitin, Gynergen, Eupaverin, Pantopon, Novocain, Acetylcholin, Prostigmin, Doryl und Priscol. Außerdem werden die Indikationen der einzelnen Weckamine bei vegetativer Labilität genannt.[22]

Weckamine haben suchtfördernde Eigenschaften mit dem Prototyp der Pervitinsucht. Die Verschreibung von Weckaminen unterliegt deshalb den Bestimmungen des Opiumgesetzes.[23] Ein sofortiger Entzug (Entziehungserscheinungen[24]) führt zu einem längeren Schlaf, zu Mattigkeit und Abgeschlagenheit und eventuell auch zu psychotischen Erscheinungen.[25] Überdosierungen führen zu Rauschzuständen (sogenannte Horrortrips).[26] Eine vermehrte Müdigkeit als paradoxe Wirkung wird beschrieben.[27] Auch eine innere Unruhe, eine Unrast und ein mangelndes Konzentrationsvermögen zählen zu den unerwünschten Arzneimittel-Nebenwirkungen der Weckamine.[28] Chronische Intoxikationen mit Weckaminen führen zu Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Verstimmung, Leistungseinbußen, epileptischen Anfällen und zu deliranten Psychosen.[29]

Die Weckamine zählen zu den verbotenen Doping-Substanzen.[30]

Einzelnachweise

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  1. Erstmals im Duden in der 17. Auflage, Band 1: Die Rechtschreibung, Bibliographisches Institut, Mannheim / Wien / Zürich 1973, ISBN 3-411-00911-X, S. 750.
  2. Duden: Band 1: Die deutsche Rechtschreibung, 25. Auflage, Dudenverlag, Mannheim / Leipzig / Wien / Zürich 2009, ISBN 978-3-411-04015-5, S. 1162.
  3. Georg A. Narziß: Knaurs Wörterbuch der Medizin, Verlag Droemer Knaur, München 1985, ISBN 3-426-26361-0, S. 558.
  4. Eintrag zu Weckamine. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 15. Juni 2014.
  5. Duden: Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke, 4. Auflage, Bibliographisches Institut, Georg Thieme Verlag, Stuttgart / New York 1985, ISBN 3-411-02426-7, S. 731.
  6. Günter Thiele: Handlexikon der Medizin, Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Wien / Baltimore ohne Jahr [1980], Band IV (S–Z), S. 2655.
  7. Fachwörterbuch der Medizin, Verlag Manfred Pawlak, Herrsching 1984, ISBN 3-88199-163-8, S. 524.
  8. Maxim Zetkin, Herbert Schaldach: Lexikon der Medizin, 16. Auflage, Verlag Ullstein Medical, Wiesbaden 1999, ISBN 3-86126-126-X, S. 2172.
  9. Lingen Lexikon in 20 Bänden, Lingen-Verlag, Band 20, Köln 1976/77, S. 50.
  10. jeweils ein in Anhang I (Kategorie 1) der Verordnung (EG) Nr. 273/2004 des Europäische Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe erfasster Stoff, zum Zweck ihr Artikel 1.
  11. §§ 29 ff. Betäubungsmittelgesetz mit Anlage II zum BtMG, also nicht verschreibungsfähig.
  12. Rote Liste 2020, 60. Ausgabe, Frankfurt am Main 2020, ISBN 978-3-946057-52-9, S. 474 f.
  13. Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. LXXXV (Veritol-Tropfen 1%).
  14. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 85. – 99. Auflage, Verlag de Gruyter, Berlin 1951, S. 941.
  15. Georg Banzer: Arzneitherapie des praktischen Arztes, 4. Auflage, Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Berlin 1952, S. 31.
  16. Fritz Lange: Lehrbuch der Krankheiten des Herzens und der Blutstrombahn, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1953, S. 324.
  17. Dagobert Tutsch (Hrsg.): Lexikon der Medizin, Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Berlin / Wien 1975, ISBN 3-541-03012-7, S. 524.
  18. Deutsche Buchgemeinschaft: DBG-Handlexikon, Ullstein-Verlag, Frankfurt am Main / Berlin 1964, S. 960.
  19. Gustav Kuschinsky, Heinz Lüllmann: Kurzes Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie, 9. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart / New York 1981, ISBN 3-13-368509-0, S. 262.
  20. Die Zeit: Das Lexikon in 20 Bänden, Zeitverlag, Hamburg 2005, Band 19, ISBN 3-411-17560-5, S. 2619.
  21. Peter Reuter: Springer Klinisches Wörterbuch 2007/2008, Springer-Verlag, 1. Auflage, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-34601-2, S. 1981 f.
  22. Ernst Wollheim, Josef Zissler: Krankheiten der Gefäße, in: Handbuch der inneren Medizin, 5. Auflage, 9. Band, 6. Teil, Springer-Verlag, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1960, S. 83–87. Im 4. Teil (S. 855 ff.) werden die Indikationen der einzelnen Weckamine bei vegetativer Labilität beschrieben.
  23. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 123. – 153. Auflage, Verlag de Gruyter, Berlin 1959, S. 948.
  24. Gerhard Bonhof, Herbert Lewrenz: Über Weckamine (Pervitin und Benzedrin). Springer-Verlag, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1954, Sonderdruck ISBN 978-3-540-01831-5, ISBN 978-3-642-88547-1, S. 117.
  25. Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage, Verlag Urban & Fischer, München / Jena 2003, ISBN 3-437-15156-8, S. 1965.
  26. Consilium Cedip practicum 2006, 28. Auflage, JMS Verlag, ISBN 978-3-9810440-1-0. S. 128.
  27. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 251. Auflage, Verlag de Gruyter, Berlin / New York 1972, ISBN 3-11-003657-6, S. 1308.
  28. Lexikon Medizin, 4. Auflage, Verlag Naumann & Göbel, Köln ohne Jahr [2005], ISBN 3-625-10768-6, S. 1785.
  29. Joachim Finke: Neurologische Erkrankungen, in: Praxis der Allgemeinmedizin, Band 3, Verlag Urban & Schwarzenberg, München / Wien / Baltimore 1981, ISBN 3-541-09651-9, S. 71.
  30. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 251. Auflage, Verlag de Gruyter, Berlin / New York 1972, ISBN 3-11-003657-6, S. 1308.