Die Wiener-Chaos-Zerlegung bezeichnet in der Stochastik die orthogonale Zerlegung des L2-Raumes eines gaußschen Wahrscheinlichkeitsraum. Sie spielt eine wichtige Rolle im Malliavin-Kalkül. Die orthogonalen Räume der Hilbert-Summe sind Eigenräume eines Differentialoperators und werden Wiener-Chaos genannt.
Die Wiener-Chaos-Zerlegung trägt den Namen Norbert Wieners, welcher 1938 eine solche Zerlegung für den L2-Raum
fand, wobei der klassische Wiener-Raum ist.[1]
Im Falle eines gaußschen Raumes spielen verallgemeinerte hermitesche Polynome eine zentrale Rolle, welche eine Orthogonalbasis bilden. Solche Zerlegungen lassen sich aber auch für allgemeinere Räume und Maße konstruieren und man spricht dann von polynomialen Chaos. Wiener selbst nannte seine Zerlegung homogenes Chaos.
Itō Kiyoshi zeigte 1951, dass die Elemente des Wiener-Chaos als multiple stochastische Integrale interpretiert werden können, man spricht in diesem Fall von der Wiener-Itō-Chaos-Zerlegung.[2]
Sei ein separabler Hilbert-Raum und ein kompakter, selbstadjungierter Operator darauf. Nach dem Spektralsatz für kompakte Operatoren existiert nun eine Hilbert-Basis in Form von Eigenvektoren von . Für mit Lebesgue-Maß und den Laplace-Operator ist eine solch Orthonormalbasis durch mit Eigenwerten gegeben.
Die Kompaktheit von ist entscheidend; betrachten wir stattdessen , so sind die Eigenfunktionen des Laplace-Operators nicht mehr integrierbar. Eine Lösung finden wir, wenn wir vom Lebesgue-Maß zum kanonischen Gauß-Maß
wechseln, dann existiert eine solche Spektralzerlegung in die Eigenräume des infinitesimalen Generators des Ornstein-Uhlenbeck-Prozesses.
Sei der Ableitungsoperator (auch Vernichtungsoperator) und der Erzeugungsoperator
Der Erzeugungsoperator ist der adjungierte Operator des Ableitungsoperators bezüglich des -Skalarproduktes
und es gilt die heisenbergsche Relation
Sei der Besetzungszahloperator, dies ist der Differentialoperator
Nun definieren wir die hermitschen Polynome mit Hilfe dieser Operatoren und den Beziehungen
das heißt , , , usw.
Die hermiteschen Polynome sind die Eigenfunktionen des Operators . Weiter gilt aus den oberen Beziehungen
und daraus folgt, dass die normalisierten hermitschen Polynome eine Orthonormalbasis von bilden.
Sei nun mit für alle , dann gilt die Darstellung
Weiter ist die erzeugende Funktion gegeben durch[3]
Betrachte nun , wobei . Beachte, dass zwar kein Banach-Raum, aber ein separabler Fréchet-Raum ist.
Sei eine Standardbasis von und für ein sei die Projektion auf die -te Komponente. Definiere die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren in die entsprechende Richtung
sowie den Ornstein-Uhlenbeck-Generator
- .
Für eine Abbildung definiere und sowie den Raum . Wir interpretieren als Multiindex, dann ist der Raum der Multiindizes mit einer endlichen Anzahl von Null verschiedener Werte.
Für ein definiere die verallgemeinerten hermitschen Polynome
- ;
es gilt wieder die Beziehung
Die sind Eigenfunktionen des Ornstein-Uhlenbeck-Generators , es gilt
Die bilden eine Orthonormalbasis von und die lineare Hülle von ist eine dichte Menge in für . Wir haben somit eine orthogonale Zerlegung
- ,
wobei und für alle .
Sei nun , dann existiert eine Darstellung der Form
sofern die alle existieren.[4]
Als letzten Schritt kann man nun eine solche Zerlegung für allgemeine gaußsche Wahrscheinlichkeitsräume herleiten. Seien ein separabler Hilbertraum, ein isonormaler Gauß-Prozess und ein irreduzibler gaußscher Wahrscheinlichkeitsraum. Weiter sei eine Basis von ; definiere für die verallgemeinerten hermitschen Funktionen
Die Menge bildet eine Orthonormalbasis des -ten Wiener-Chaos definiert durch
- für
und . Es gilt für .
Es existiert nun die Wiener-Chaos-Zerlegung
welche unabhängig von der Wahl der Basis ist. Die bilden eine Orthonormalbasis von .[5][6]
Es lässt sich zeigen, dass die verallgemeinerten hermiteschen Funktionen Eigenfunktionen des Generators einer stark stetige Halbgruppe von Kontraktionen genannt Ornstein-Uhlenbeck-Halbgruppe ist.
- ↑ Norbert Wiener: The Homogeneous Chaos. In: The Johns Hopkins University Press (Hrsg.): American Journal of Mathematics. Band 60, Nr. 4, 1938, S. 897–936, doi:10.2307/2371268.
- ↑ Kiyoshi Itô: Multiple Wiener integral. In: J. Math. Soc. Japan. Band 3, 1951, S. 157–169.
- ↑ Paul Malliavin: Stochastic Analysis. Hrsg.: Springer. Berlin, Heidelberg 1997, ISBN 3-540-57024-1, S. 5–9, doi:10.1007/978-3-642-15074-6.
- ↑ Paul Malliavin: Stochastic Analysis. Hrsg.: Springer. Berlin, Heidelberg 1997, ISBN 3-540-57024-1, S. 9–13, doi:10.1007/978-3-642-15074-6.
- ↑ Paul Malliavin: Stochastic Analysis. Hrsg.: Springer. Berlin, Heidelberg 1997, ISBN 3-540-57024-1, S. 17–18, doi:10.1007/978-3-642-15074-6.
- ↑ David Nualart: The Malliavin Calculus and Related Topics. Hrsg.: Springer Berlin, Heidelberg. 2006, S. 4–8, doi:10.1007/3-540-28329-3.