Wikipedia:Bücher/Unsere Türken L-Z/Einleitung
Für Thilo Sarrazin
Die unsachliche und diskriminierende Diskussion, die die von vielen verurteilten, von vielen aber auch dankbar aufgenommenen Äußerungen Thilo Sarrazins um eine türkische Einwanderergesellschaft aus „Obst- und Gemüsehändlern“ und „Kopftuchmädchen“ im Oktober 2009 losgetreten hat, hat dieses Personenlexikon, von dem nun auch die noch unvollständig bearbeitete Erstfassung des zweiten Bandes vorliegt, mit dem saloppen Titel „Unsere Türken“ (der Untertitel wird dann wissenschaftlicher) inspiriert, aber auch das rasche Erscheinen notwendig gemacht. Es soll sich in seiner Gesamtheit zunächst einmal um einen Bestandsaufnahme der deutschen Wikipedia handeln – möglich aber, dass selbst noch zahlreiche bereits vohandene Biografien fehlen, von den bislang ungeschriebenen ganz zu schweigen. Die Mängel werden aber nach und nach behoben werden. Hierbei bauen wir auch auf ihre Mithilfe.
Die zweibändige Publikation ist zwar als Nachschlagewerk konzipiert, doch wird es dem Leser sicher auch ein aufregendes Lesebuch sein können, in welchem bisher Fehlendes nicht so stark ins Gewicht fällt. In Band L-Z sind weitere vielleicht wenig bekannte Fakten zu erfahren, wie zum Beispiel
- dass ein Deutschtürke dem Sänger Tom Jones im Jahr 2000 zu einem Riesencomeback verhalf,
- dass bereits eine ganze Reihe von Personen mit Einwanderungsgeschichte aus der Türkei mit einem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurden und
- der letzte große Erfolg Deutschlands beim Eurovision Song Contest einer Gruppe aus jungen Türken zu verdanken ist, aber auch, dass
- die Heiligenskulpturen vor dem Bonner Münster, vor der St. Benno-Kirche München sowie vor der St. Gereon-Kirche in Köln von einem seit seiner Kindheit in Deutschland lebenden türkischen Bildhauer stammen,
- Türkeistämmige zu den bedeutendsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren gehören und
- dass ein deutsch-türkischer Journalist in den letzten Jahren mit die wichtigsten Erkenntnisse über die islamistische Szenerie in Deutschland geliefert hat.
Kurz also: dass Menschen türkischer Herkunft und ihre Nachfahren im deutschsprachigen Raum bis heute nicht nur in der Arbeitswelt, sondern in allen Bereichen der Gesellschaft, sei es Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Sport oder Kultur Großes, ja Enzyklopädiewürdiges geleistet haben, was sich in der deutschsprachigen Wikipedia und diesem eben aus ihr destillierten Nachschlagewerk widerspiegelt. Und jene Enzyklopädiewürdigen (Band 1 beinhaltet bereits über 400 Biografien) sind letztendlich nur die Spitze des Eisbergs, wenn wir uns einmal genau in unserer Gesellschaft umsehen, in der türkischstämmige Polizisten oder Krankenpfleger längst selbstverständlich sind - ebenso wie etwa der Arzt, Rechtsanwalt oder Vorstandsvorsitzende mit türkischem Migrationshintergrund. Von der Mehrheitsgesellschaft entweder als Deutsche oder Ausnahmetürken (letzteres ist wohl in erster Linie einer jahrelang unausgewogenen Berichterstattung in deutschen Medien und subjektiver Wahrnehmung zu verdanken) empfunden, trugen sie in der Vergangenheit aber leider nur wenig zum in der deutschen Öffentlichkeit gefühlten Grad der Integrationsbereitschaft „ihrer“ Türken bei.
Dabei soll das Werk keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass es ebenso wie in der deutschen Mehrheitsgesellschaft auch Problemfamilien unter ursprünglich aus der Türkei eingewanderten Familien gibt, sicherlich auch mit spezifischen Problemen, die mit mangelnder Integration zusammenhängen. Doch ist es sein Anliegen zu helfen, den Blick nicht immer nur auf diese Probleme zu lenken, um von einem aufgeregten endlich zu einem sachlichen Ton in der Debatte zu kommen. Solange nämlich eine Gesellschaft die Erfolge seiner Einwanderer aus welchen Gründen auch immer nicht angemessen (aner)kennt, wird dieser wohl kaum möglich sein.