Wikipedia:Weihnachten/Alles, was ihr tut

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Alles, was ihr tut mit Worten oder Werken (BuxWV 4) ist ein geistliches Chorwerk von Dieterich Buxtehude.

Entstehungszeit und Anlass der Komposition ist nicht bekannt. Die Vermutung Max Seifferts, das Werk sei im Rahmen der seit 1668 in Lübeck von Buxtehude praktizierten Abendmusiken aufgeführt worden, wird heute kaum noch vertreten. Wenn das Werk in einem Gottesdienst erklang, wäre es dem Lesungstext nach dem 5. Sonntag nach Epiphanias zuzuordnen. Dieser Sonntag existierte nach der seinerzeit gültigen Perikopenordnung nur in Jahren, in denen der Ostersonntag auf ein Datum nach dem 14. April fiel, was zu Buxtehudes Wirkungszeit nur in den Jahren 1658, 1661, 1666, 1669, 1672, 1677, 1680, 1683, 1685, 1688, 1691, 1696, 1699, 1702 und 1707 eintrat.[1]

Kerala J. Snyder wies darauf hin, dass der Text des Werks (ebenso wie bei der Kantate Schwinget euch himmelan BuxWV 96) klar an die Bürgerschaft Lübecks gerichtet ist und in Teilen als Segen für den bürgerlichen Handel verstanden werden kann. Es dürfte auch musikalisch dem Geschmack der Lübecker Bürger entsprochen haben.[2] Vermutlich handelte es sich um das populärste Vokalwerk Buxtehudes zu seinen Lebzeiten, da es durch drei voneinander unabhängige Handschriften überliefert ist:[2] in der Lübecker Orgeltabulatur A 373,[3][4] in der Dübensammlung in Uppsala[5] und in der Österreich-Bokemeyer-Sammlung.[6]

Musikalische Form

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Aufführung von Alles, was ihr tut in typischer Besetzung (Kreuznacher-Diakonie-Kantorei)

Das Werk wird in modernen Notenausgaben als „Kantate“ bezeichnet, was eine retrospektive Gattungsbezeichnung darstellt, da es im 17. Jahrhundert noch keinen Kantatenbegriff in der deutschen evangelischen Kirchenmusik gab. Diese Bezeichnung setzte sich erst ab dem frühen 18. Jahrundert mit dem von Erdmann Neumeister im Zusammenwirken mit Georg Philipp Telemann entwickelten, opernhaften Kantatentyp durch. Auch Johann Sebastian Bach verwendete den Begriff „Kantate“ erst, nachdem er mit dem Neumeister-Typ in Berührung gekommen war, während frühere heute als Bachkantaten gezählte Werke gar nicht oder schlicht als „Kirchestück“ überschrieben sind. Der von Philipp Spitta postulierte „ältere Kantatentyp“[7] ist eine musikhistorische Fiktion, und bestenfalls als Sammelbegriff für verschiedene Formen von Kirchenmusik zu verstehen.[8][9]

In den handschriftlichen Quellen ist das Werk entweder gar nicht mit einer Gattungsbezeichnung überschrieben oder – wie im Barock nicht unüblich – mit der Bezeichnung des Kopfsatzes als „Sonata“. Die musikhistorische Forschung ordnet das Werk entweder als Spruchkantate mit Aria- und Choral-Einschüben und Arioso ein,[10][8] oder als „ältere gemischte Kantate“.[11]

Das Werk ist für neun Stimmen gesetzt: vier Gesangsstimmen (SATB), vier obligate Instrumentalstimmen (in einigen Quellen mit 2 Violinen und 2 Violen bezeichnet) und Basso continuo. Die Gesangsstimmen wurden original sicher solistisch besetzt, eine chorische Besetzung der Tutti-Sätze ist aber möglich und wird oft praktiziert. Die Instrumentalstimmen sind in manchen Quellen keinen konkreten Instrumenten zugewiesen. In einer neueren Einspielung des Werks durch die Capella de la Torre[12] wurden die Stimmen mit Blasinstrumenten besetzt, was die Musiker mit der variablen Aufführungspraxis der Barockzeit und der Verwurzelung Buxtehudes in der Stadtpfeifer-Tradition begründen.[13]

Aufbau
  1. Sonata adagio – allegro (instrumental)
  2. Concerto: „Alles, was ihr tut“ (SATB)
  3. Sonata (instrumental; Reprise von Nr. 1)
  4. Aria: „Dir, dir Höchster, dir alleine“ (SATB)
  5. Arioso: „Habe deine Lust am Herrn“ (Bass solo)
  6. Choral: „Gott will ich lassen raten“ (Cantus [Sopran] solo + SATB)
  7. Sonata adagio – allegro (instrumental)
  8. Concerto: „Alles, was ihr tut“ (SATB; verkürzte Reprise von Nr. 2)

Die Aufführungsdauer beträgt ca. 12–15 Minuten.

Nach einer einleitenden instrumentalen Sonata setzt das Werk vokal mit einem vierstimmigen Concerto über einen Bibelvers aus dem Kolosserbrief ein, das fast durchgehend homophon gesetzt ist. – Es folgt eine ebenfalls vierstimmige Aria. Der Verfasser des anspruchslosen, an Gelegenheitsdichtung erinnernden Textes konnte bislang nicht ermittelt werden. Die Möglichkeit, dass Buxtehude selber der Verfasser dieses Textes war, erscheint naheliegend.[14] – Das folgende Arioso auf einen Vers aus Psalm 37 ist in der Art der Vox Christi für Bass solo gesetzt. – Der folgende Choral hat die beiden letzten Strophen des Liedes Aus meines Herzens Grunde (EG 443) von Georg Niege zum Text, dessen erste Strophe vom Canto (Sopran) solo gesungen wird, die zweite von allen vier Gesangsstimmen. – Nach einer weiteren instrumentalen Sonata schließt das Werk mit einer verkürzten Wiederholung des Eingangschors.

Concerto
Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken,
das tut alles im Namen Jesu,
und danket Gott und dem Vater durch ihn.
          Kol 3,17 LUT

Aria
Dir, dir Höchster, dir alleine,
alles, Alleshöchster, dir,
Sinnen, Kräfte und Begier
ich nur aufzuopfern meine,
Alles sei nach aller Pflicht
nur zu deinem Preis gericht.

Helft mir spielen, jauchzen, singen,
hebt die Herzen himmelan,
jubele, was jubeln kann,
lasst all’ Instrumenten klingen.
Alles sei nach aller Pflicht
nur zu deinem Preis gericht.

Vater, hilf uns Jesu willen,
lass das Loben löblich sein
und zum Himmel dringen ein,
unser Wünschen zu erfüllen,
dass dein Herz nach Vaterspflicht
sei zu unserm Heil gericht.
          (Textdichter nicht ermittelt)

Arioso
Habe deine Lust am Herrn,
der wird dir geben,
was dein Herz wünscht.
          Ps 37,4 LUT

Choral
Gott will ich lassen raten,
denn er all’ Ding vermag,
er segne meine Taten,
mein Vornehmen und mein Sach’,
den ich’s ihm heimgestellt,
mein’ Leib, mein’ Seel, mein Leben,
und was er mir sonst geben:
er mach’s, wie’s ihm gefällt.

Darauf so sprech ich Amen,
und zweifle nicht daran,
Gott wird uns all’ zusammen
ihm wohlgefallen lan.
Drauf streck’ ich auf mein Hand,
greif an das Werk mit Freuden,
dazu mich Gott bescheiden
in mein’m Beruf und Stand.
          (Georg Niege)

Concerto
Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken,
das tut alles im Namen Jesu,
und danket Gott und dem Vater durch ihn.
          Kol 3,17 LUT

  • Friedrich Blume: Das Kantatenwerk Dietrich Buxtehudes. In: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters. Band 47, 1940 (1941), ISSN 2942-5107, S. 10–39.
  • Martin Geck: Die Vokalmusik Dietrich Buxtehudes und der frühe Pietismus (= Kieler Schriften zur Musikwissenschaft. Band 15). Bärenreiter, Kassel 1965, S. 165–167.
  • Georg Karstädt: Der Lübecker Kantatenband Dietrich Buxtehudes. Schmidt-Römhild, Lübeck 1971, ISBN 3-7950-0207-9, S. 37–40.
  • Georg Karstädt: Thematisch-systematisches Verzeichnis der musikalischen Werke von Dietrich Buxtehude: Buxtehude-Werke-Verzeichnis (BuxWV). 2. erweiterte und verbesserte Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1985, ISBN 3-7651-0065-X.
  • Ares Rolf: Alles, was ihr tut BuxWV 4. In: Hans Gebhard (Hrsg.): Harenberg Chormusikführer. Harenberg, Dortmund 1999, ISBN 3-611-00817-6, S. 186 f.
  • Kerala J. Snyder: Dieterich Buxtehude. Leben, Werk, Aufführungspraxis. Übersetzung der 2. Auflage. Bärenreiter, Kassel 2007, ISBN 978-3-7618-1836-7, S. 234 f.

Einzelnachweise

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  1. Das evangelische Kirchenjahr: 5. Sonntag nach Epiphanias, stilkunst.de, abgerufen am 8. Dezember 2024
  2. a b Kerala J. Snyder: Musik für den Kenner und den „gemeinen Bürger“. Stilistische Varianten in Buxtehudes Vokalmusik. In: Arnfried Edler, Friedhelm Krummacher (Hrsg.): Dietrich Buxtehude und die europäische Musik seiner Zeit. Bericht über das Lübecker Symposium 1987. Bärenreiter, Kassel 1990, ISBN 3-7618-0994-8, S. 108–122, hier S. 113.
  3. Georg Karstädt: Der Lübecker Kantatenband Dietrich Buxtehudes. Schmidt-Römhild, Lübeck 1971, ISBN 3-7950-0207-9, S. 37–40.
  4. RISM ID: 452517348, RISM ID: 452010854; urn:nbn:de:gbv:48-1-1939821
  5. RISM ID: 190006878; Digitalisate bei der Universität Uppsala
  6. RISM ID: 452007952, Digitalisat der Staatsbibliothek Berlin
  7. Philipp Spitta: Johann Sebastian Bach. Band 1. Breitkopf & Härtel 1873 (2. Auflage 1921), S. 291; Textarchiv – Internet Archive.
  8. a b Søren Sørensen: Zur Typologie der Vokalwerke Buxtehudes. In: Arnfried Edler, Friedhelm Krummacher (Hrsg.): Dietrich Buxtehude und die europäische Musik seiner Zeit. Bericht über das Lübecker Symposium 1987. Bärenreiter, Kassel 1990, ISBN 3-7618-0994-8, S. 77–83.
  9. Ute Poetzsch-Seban: Die Kirchenmusik von Georg Philipp Telemann und Erdmann Neumeister. Zur Geschichte der protestantischen Kirchenkantate in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (= Schriften zur mitteldeutschen Musikgeschichte. Band 13). ortus musikverlag, Beeskow 2006, ISBN 3-937788-06-9, S. 46–53.
  10. Friedrich Blume: Das Kantatenwerk Dietrich Buxtehudes. In: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters. Band 47, 1940 (1941), ISSN 2942-5107, S. 10–39.
  11. Martin Geck: Die Vokalmusik Dietrich Buxtehudes und der frühe Pietismus (= Kieler Schriften zur Musikwissenschaft. Band 15). Bärenreiter, Kassel 1965, S. 165–167.
  12. Abendmusik - Evening Music - Buxtehude, Tunder, Grabbe Capella de la Torre & Katharina Bäuml. Abgerufen am 8. Dezember 2024.
  13. Musik von Dietrich Buxtehude mit der Capella de la Torre. In: Deutschlandfunk. 10. Juli 2024, abgerufen am 8. Dezember 2024.
  14. Georg Karstädt: Der Lübecker Kantatenband Dietrich Buxtehudes. Schmidt-Römhild, Lübeck 1971, ISBN 3-7950-0207-9, S. 37–40.
  15. Dieterich Buxtehude. Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken. BuxWV 4. In: Carus-Verlag. Abgerufen am 5. Dezember 2024.

Alles, was ihr tut (Q131387388)

Kategorie:Dieterich Buxtehude Kategorie:Kantate Kategorie:Chorwerk aus dem 17. Jahrhundert