Es gehört zum Menschsein, dass man sich ein Bild von den Dingen machen möchte. Alles, was unser Leben bestimmt, möchten wir sehen, um damit umgehen zu können. Und „sehen“ heißt mehr als „hingucken“. Wirklich erkennen wir nur etwas, von dem wir uns „ein eigenes Bild“ gemacht haben, das wir dann in ein Gespräch mit den Bildern der anderen bringen können.
Besonders schön ist das Bildermachen mit der Fotokamera. Man geht an einen Ort, lässt sich auf ihn ein, erkundet ihn, verweilt, schaut und sucht, findet schließlich einen Gegenstand, einen Lichteinfall, eine Perspektive und macht sich schließlich ein Bild davon, um es später mit anderen zu teilen.
Was für viele ein Freizeitvergnügen ist, gewinnt eine existentielle Bedeutung, wenn es sich mit Sinn-Orten beschäftigt. In ihnen wird das Ganze des menschlichen Lebens bedacht. Das können Landschaften sein, Kirchen, Museen oder Friedhöfe. Letztere werden leider von vielen gemieden. Dabei sind auch Friedhöfe hochbedeutsame Sinn-Orte, an denen Menschen zu sich selbst kommen können.
Deshalb ist es so erfreulich, dass der „Wiki Loves Monuments“-Fotowettbewerb sich in diesem Jahr unseren Friedhöfen widmet. Sehr viele Fotografinnen und Fotografen werden sich ihr ganz eigenes Bild von deren Schönheit, ihrem Trost, ihrer Menschenfreundlichkeit machen und damit andere Menschen ermuntern, bei nächster Gelegenheit einen Spaziergang über den Friedhof in ihrer Nähe zu machen – um dann zu entdecken, dass Friedhöfe Lebensorte sind.
Dr. Johann Hinrich Claussen
Kulturbeauftragter des Rates der EKD