Wikipedia:Zedler-Preis/Zedler-Medaille 2008/US-amerikanischer Kulturimperialismus
Das Ende des Zweiten Weltkriegs teilte den Globus in zwei Hemisphären: die kommunistische und die sog. „Freie“ Welt. Der West-Ost Konflikt wurde nicht auf europäischem Boden, sondern im Trikont zwischen den USA und der UdSSR ausgetragen. Europa wurde in zwei Einflusssphären gespalten und damit in der Mitte auseinandergerissen. Die bipolare Welt der Jahre 1945 bis 1989 anerkannte nur die Dichotomie (Gut-Böse) als Handlungsmuster. Die selbstgewählte Aufgabe der USA dabei war es, die christlich-abendländische Zivilisation gegen den vermeintlichen „asiatischen Barbarismus und Despotismus“ zu verteidigen und zu retten.
Das Missionsbewusstsein und das tief verwurzelte „manifest destiny“ der Vereinigten Staaten verursachte eine Art neo-imperialistische Phase, die sich in Europa besonders durch eine Art US-amerikanischer Kulturimperialismus auswirkte. Die „Befreiung“ Europas war gekoppelt an die eigene Erfahrung der Grenze und zielte darauf ab, für die schneller als die Bevölkerung anwachsende amerikanische Industrie neue Absatzmärkte zu finden. (Eine Kriegsbeteiligung der USA war anfangs ja ausgeschlossen worden.) Mit der Eroberung des westeuropäischen Marktes erfolgte aber auch die Kolonisation der Innenwelt. Die amerikanische Ideologie des Arbeitsethos und Konsumismus („pursuit of happiness as a pursuit of consumption“) sorgte für die Aufweichung europäischer Moralvorstellungen und die Übernahme des amerikanischen Entwicklungsmodells, nachdem Europa durch Nationalsozialismus und Faschismus moralisch und ökonomisch völlig devastiert war. Ökonomisches Zugpferd dabei war der Fordismus, der durch seine neue Akkumulationsweise (Massenproduktion für Massenkonsumtion) den materiellen Wohlstand in Europa ermöglichen sollte. Der US-amerikanische Kulturimperialismus spielte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg also zweifellos eine positive Rolle in Europa, da er nicht nur das Vakuum in den Köpfen, sondern auch jenes in den Bäuchen der Europäer zu erfüllen vermochte.
Die Neuordnung des europäischen Kontinents nach dem Zusammenbruch des Sowjetkommunismus 1989 wirkte sich auf die Staaten Osteuropas deutlicher aus als auf Westeuropa. Der Kollaps des Stalinismus schien den Sieg des Amerikanismus (eine Ideologie zusammengesetzt aus wirtschaftlichem Liberalismus und politischer Demokratie) im Kalten Krieg endgültig zu besiegeln. Das Ende der Geschichte und damit die Entwicklung der gesamten Welt á la American Way of Life (Freiheit, Individualismus, Konsumismus) zeichnete sich am Horizont als globale Verheißung ab. Im Inneren dieses sich international ausbreitenden Systems des „Amerikanismus“ lassen sich vor allem drei wesentliche Merkmale feststellen.
Die (Re-)Kolonialisation Europas fand vorerst auf wirtschaftlicher Basis statt. Begünstigend dafür war und ist der starke Einfluss der Corporations auf die Außen- und Innenpolitik der USA und durch die PACs (Political Action Comittees) auch auf die politischen Parteien selbst, deren Entscheidungsträger sich aus einer gesellschaftlichen Elite rekrutieren, die gemeinhin als „Upper Class“ bezeichnet wird. Als profitable Anlagesphäre wie auch als geeigneter Schrittmacher für produkt- und prozesstechnologische Entwicklungen durch staatliche Subventionierung mittels sicherheitspolitischer Argumente konnte in der Ära des Kalten Krieges eine Rüstungsindustrie aufgebaut werden, die ihresgleichen sucht. Nach Beendigung des Zweiten und des Kalten Krieges wurden zwar Forderungen nach der Friedensdividende laut, die etwa bei der Finanzierung eines Sozialsystems mithelfen hätte können, sie scheiterten jedoch an den Machtinteressen diverser politischer und wirtschaftlicher Institutionen, etwa der NRA (National Rifle Association).
Die weiteren Beschneidungen des Sozialsystems – trotz des Sieges in zwei Weltkriegen und im langen dritten, dem Kalten Krieg - führten zu einer Zweidrittelgesellschaft in den USA und in Bezug auf Armut, Kriminalität, etc. zu Verhältnissen analog des Trikonts. Das hinderte den amerikanischen Traum aber nicht an seiner Expansion und Extrapolation und seiner Nachahmung als gesellschaftliches Entwicklungsmodell par excellance in der Politik und Gesellschaft West- und Osteuropas. Eine Amerikanisierung Europas muss vorrangig ökonomisch gedacht werden und erst im Zuge der Eroberung des (fremden) Marktes als ideologisch, auch wenn seine Ursachen religiösideologisch sind. Die Expansion und Extrapolation des amerikanischen Traums war nun auf folgende Ursachen zurückzuführen:
In den Vereinigten Staaten vermischte sich schon von Anfang an die Religion mit allen Lebensgewohnheiten und den patriotischen Gefühlen der Nation und hatte eine ganz besondere Kraft, trotz der strikten Trennung von Staat und Kirche. Der Einfluss des Christentums war aber nicht der einer nach genauer Prüfung übernommenen philosophischen Lehre, sondern eben der einer ohne Diskussion geglaubten Religion. Die spezifische Wirkungskraft der amerikanischen Mission, des amerikanischen Nationalismus, des einzigen Nationalismus, der sich nicht als solcher versteht, hatte nun aber weitgehend den Charakter eines Credo, eines Mythos, seine Rolle war primär spirituell, ja wurde sogar zum Religionssubstitut. So verfügte der Puritanismus, der an der Wiege der amerikanischen Gesellschaft stand, an und für sich nicht über weniger Sendungsbewusstsein als jede andere Religion auch. Erst durch seine Flucht aus England und den Erfolg seiner Aussetzung und seines Neubeginns in der „Wildnis“ des amerikanischen Kontinents, wandelte er sich zu einer Prädeterminationslehre. „Amerikanismus“, amerikanischer Nationalismus ist als mehr ein Religionssubstitut, ein kollektiver Traum also, als ein Nationalismus europäischer Prägung.
Der ursprüngliche, religiöse amerikanische Sendungsglaube der Pilgrim Fathers bemächtigte sich nach dem Verlust seiner eigentlichen religiösen Substanz des neuen freiheitlich-demokratischen Gedankengutes und wurde so zum freiheitlich-demokratischen Missionsglauben. Auch der stark ausgeprägte Individualismus in der amerikanischen Gesellschaft geht ursprünglich auf den Puritanismus zurück. Der/die Einzelne stand im Verständnis der PuritanerInnen Gott unmittelbar und alleine gegenüber. Diese Vorstellung war aber nur möglich, weil die intellektuelle und moralische Selbstverantwortlichkeit des Individuums eine zentrale Stellung im System des Puritanismus hatte, das sich auf den Individualismus (das eigenverantwortliche Verhältnis des Individuums zu Gott) gründete. Das Schicksal jedes/r Einzelnen lag im Puritanismus aber keineswegs im Fatalismus, nein, jede/r musste für seine/ihre Erlösung alles Menschenmögliche tun und war für die äußeren Anzeichen seiner Erwählung selbst voll und ganz verantwortlich. Der Widerspruch zwischen Gewissensfreiheit, individualistischem Prinzip und der streng reglementierenden frühen puritanischen Theokratie wurde aber nicht aufgelöst. Es bestanden Individualismus und strenger religiöser und politischer Zwang nebeneinander. Schließlich war es ja gerade die Grundlage der puritanischen Moral (wie jeder anderen Form des Protestantismus), sich am Individuum, seiner Unmittelbarkeit vor Gott, seiner Selbstverantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit zu orientieren. Durch Überredung, Beispiel, Ermahnung (moralische Mittel) sollte ein höchstes moralisches Ziel erreicht werden. Und genau das wurde allmählich zum zentralsten Element des amerikanischen Verständnisses von Religion und Kultur: Überredung und Beispiel (persuasion and example, später conduct and example).
In diesem Zusammenhang steht auch der Arbeits- und Erfolgsethos der amerikanischen Gesellschaft. Wie bereits erwähnt, muss der/die Einzelne etwas dazu beitragen, um seine/ihre Auserwähltheit zu beweisen. Der/die Einzelne wird zwar nur kraft göttlicher Gnade erwählt, der Erfolg, mit dem der Mensch seine diesseitigen Geschäfte betreibt, ist ihm aber sichtbarer Beweis dafür, dass Gottes Gnade auf ihm ruht, dass er zu den Erwählten gehört. Dieser Arbeitsethos und der damit verbundene Sozialdarwinismus war, wie sich noch zeigen sollte, eine sehr günstige Voraussetzung für die Entwicklung des Kapitalismus in Amerika.
Durch die Entsprechung der grundlegenden Ideen des Puritanismus mit denen der politischen Demokratie und die Säkularisierung der amerikanischen Gesellschaft im 17. Jahrhundert fand eine Verschmelzung religiöser Inhalte mit politischen statt, die den amerikanischen Missionsgedanken begründeten. Sendungsglaube, Erfolgsethos und predigender Moralismus ließen die Vereinigten Staaten zu einer Art Gottesstaat („Das Neue Israel“) werden, in der jede/r Einzelne sein/ihr Schicksal frei bestimmen könne, und alle gemeinsam die Aufgabe hätten, diese Mission unter die Völker der Welt zu bringen. Die Werte freedom of thought and expression, seperation of church and state, local self-government, higher law, constitutionalism, the free individual, etc, die - laut Eigendefinition - in Amerika jedem/r Einzelnen gewährleistet waren, wurden den AmerikanerInnen aufgrund ihrer Auserwähltheit zuteil, und genau aufgrund dieser Auserwähltheit war es auch die Aufgabe Amerikas, diese hehren Ideale der Welt zu bringen. Man spricht auch vom amerikanischen Universalismus, der eben nicht spezifisch nationalistische amerikanische Werte verwirklicht wissen will, sondern universelle menschliche. Das amerikanische Missionsbewusstsein geht davon aus, der Welt das zu bringen, was sie braucht und nach deren Facon alle glücklich werden könnten.
Dies sollte den USA durch den Sieg im Zweiten Weltkrieg und die Ausbreitung eines neuen Akkumulationsregimes, des Fordismus, nicht nur in Westeuropa, sondern auch in anderen Teilen der Welt vorerst auch gelingen. Man handelte (durch die Errichtung des ersten demokratischen Staatswesens) nämlich nicht ausschließlich für sich, sondern zugleich für den besten und fortgeschrittensten Teil der Menschheit. Durch die Erfahrung der Grenze (die Erschöpfung des verfügbaren Landes durch den Pazifik im Westen) und deren späterer Überwindung erreichte der „Amerikanismus“ schließlich eine Expansion, die in ihrer Dimension als Imperialismus bezeichnet werden kann. Da die Produktion schneller wuchs als der Konsum der Bevölkerung, war die amerikanische Industrie quasi gezwungen, nach neuen Märkten Ausschau zu halten, um die weitere Akkumulation zu gewährleisten und zu ermöglichen.
Diese Form der Expansion trägt einen potentiell totalitären Charakter, nämlich dann, wenn aus dem „conduct and example“ ein aktiver Missionarismus wird. Die nicht in Frage gestellte Selbstverständlichkeit, dass Amerika den Fortschritt verkörpere und die bisher höchste und vollkommenste politische Erscheinungsform menschlicher Zivilisation sei, führte zur Negation der Werte anderer Kulturen. Als „Glaubensbekenntnis“ fungierte dabei das sog. „manifest destiny“. Das Manifest Destiny ist eigentlich nur die Anwendung der bisher dargelegten Missions-Impulse auf den amerikanischen Kontinent und die Welt. Manifest Destiny umschreibt nichts anderes, als alle bisher erörterten missionarischen Elemente des amerikanischen Denkens: puritanischer und demokratischer Moralismus, Universalismus der geistigen Grundlagen von Demokratie, Überzeugung der Auserwähltheit, des besseren, fortschrittlicheren Neubeginns und der moralischen Überlegenheit gegenüber der Alten Welt.
Eigenes Interesse verwandelte sich in Verbindung mit einer besonderen Ausprägung des Sozialdarwinismus in ein Mandat der Zivilisation; man handelte nicht (oder nicht nur) selbstsüchtig, sondern aus Verantwortung (responsability) für die Menschheit. Amerika übernahm stellvertretend für Europa die Zivilisation der Welt und „rekolonialsierte“ quasi nach dem Zweiten Weltkrieg Europa mit seinen eigenen Werten.
Der auf Europa zurückgeworfene Zivilisationsgedanke wurde getragen vom Amerikanismus und der amerikanischen Ideologie (Missionsbewusstsein und Manifest Destiny). Dabei verknüpften sich wirtschaftlich bedingter Imperialismus mit der amerikanischen Kulturmission (Jefferson`s disease of democracy) zum spezifisch US-amerikanischen Kulturimperialismus. Dieser amerikanische Kulturimperialismus zeichnet sich durch Vereinheitlichung (Einheitsgeschmack, Einheitskultur, Einheits- etc), Advertisment-Propaganda (nicht das Produkt, sondern das damit verbundene Erlebnis wird verkauft), Konsumismus (pursuit of happiness as a pursuit of consumption) und ethischem Totalitarismus (gegenüber Gewerkschaften, KommunistInnen etc, die stets als unamerikanisch gebrandmarkt wurden) aus. Auf der Grundlage des ökonomischen Entwicklungsmodells Fordismus wurden neue Absatzmärkte für amerikanische Produkte gewonnen. Die Rekolonialisation (vorerst nur West-)Europas bediente sich dabei aber eines spezifisch US-amerikanischen Kulturimperialismus, dessen Faszination noch auf einer weiteren hier noch darzustellenden Grundlage basiert.
Die Niederschlagung der amerikanischen Arbeiterbewegung vor dem Zweiten Weltkrieg ließ zunächst die Frage nach einem neuen revolutionären Subjekt offen. Durch die amerikanische Mission in Europa wurde der amerikanischen Öffentlichkeit augenscheinlich, dass sehr wohl Affinitäten zwischen Hitler`s Herrenvolkstaat (Marable 1983) und der Rolle der ehemaligen SklavInnen in Amerika bestanden. Diese Affinität in der Apartheid zum Beispiel (getrennte Restaurants, Toiletten, Kinos etc.) erinnerte stark an die Verfolgung der Juden und Jüdinnen im Dritten Reich, mit dem einen – sehr wichtigen - Unterschied, dass die Schwarzen Amerikas nicht der industriellen Massenvernichtung zugeführt wurden, aber dennoch als Menschen zweiter Klasse in ihrem eigenen Land leben mussten. Aus dem Krieg in Europa heimkehrende Soldaten brachten diese Erfahrungen in die „Heimat der Demokratie“ mit und dies trug sicherlich auch zur Herausbildung der Bürgerrechtsbewegungen bei.
Als neues revolutionäres Subjekt bildete sich Mitte der fünfziger Jahre die schwarze Bürgerrechtsbewegung heraus, die auch zum Modell der neuen sozialen Bewegungen in Europa werden sollte. Der Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit der amerikanischen Gesellschaft wurde durch die schwarze Bürgerrechtsbewegung aufgezeigt und verbreitete sich durch die internationale StudentInnenrevolte über die ganze Welt.
Der US-amerikanische Kulturimperialismus erfuhr dadurch aber keinen Abbruch, sondern eine Umkehrung, die nun dazu führte, dass Bewunderung und Parteinahme für die eigentlich offiziell als unamerikanisch (vergleiche: „House of Unamerican Acitivities“) bezeichnete Kultur der schwarzen Bürgerrechtsbewegung seine Verbreitung in Westeuropa fand. Gerade dadurch erfuhren nämlich die amerikanischen Ideale ihre Verbreitung, da es die schwarze Bürgerrechtsbewegung innerhalb des US-Corpus verstand, jene Ideale einzufordern, die auf dem Papier für jede/n bestanden. Die Anerkennung der Bürgerrechte für Schwarze (zuvor zählten sie zum Hausbesitz, domus) war das Ergebnis eines langen Kampfes in dessen Verlauf sich die Transparenz der amerikanischen Gesellschaft offenbarte. Demokratietheoretisch kann die amerikanische Gesellschaft alsbald als eine sehr offene, integrative, auf sozialen Protest reagierende Gesellschaft bezeichnet werden und das macht mithin ihren Erfolg als „Idee“ aus.
Gleichzeitig hatte sich aber in Europa ein Bewusstsein von dem Widerspruch zwischen Theorie und Praxis des amerikanischen politischen Systems etabliert. Durch die schwarze Bürgerrechtsbewegung und die daraus resultierende StudentInnnenbewegung, nicht zuletzt aber auch durch die polarisierende Wirkung des Vietnamkrieges wurde die Rolle Amerikas in der Welt neu überdacht. Die Charakterisierung der amerikanischen Politik als imperialistisch und die Korrektur des bisherigen Amerikabildes, gleichsam die Dekonstruktion des Mythos des amerikanischen Traums, war Folgeerscheinung einer die amerikanische Gesellschaft stark herausfordernden Bewegung. Durch die bereits von Anbeginn vorhandene Segregation der amerikanischen Gesellschaft und die Heterogenität der Lebensbedingungen war die amerikanische Bevölkerung quasi gezwungen, Interessensgruppen oder soziale Bewegungen zu gründen, um dadurch das politische System der USA zu komplementieren. Im Gegensatz zu Europa formierten sich soziale Bewegungen also nicht gegen den herrschenden politischen Diskurs, sondern als Teil desselben, arbeiteten also stets integrativ (die Einforderung des „American Dream“) und weniger subversiv als in Europa. Ziel sozialer Bewegungen in Amerika war folglich immer die Einforderung der ursprünglichen Ideale und nicht deren Zerstörung oder Untergrabung, wie das in Europa der Fall war. Die Bürgerrechtsbewegung in den USA handelte also stets systemimmanent und integrativ.
Der Erfolg der Bürgerrechtsbewegung - zumindestens auf legalistischer Ebene - hatte seine Ursache in der Übereinstimmung mit der Verfassung und konnte sich wohl auch nur deshalb durchsetzen. Die inhaltliche Übereinstimmung des Mottos der Bürgerrechtsbewegung „Conversion Trough Good Will“ mit dem ursprünglichen Conduct and Example der PuritanerInnen war sicherlich sehr nützlich, wenn es darum ging, Weiße für die Ideale der Schwarzen zu interessieren. Die schwarze Bürgerrechtsbewegung legte also quasi den krassen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis des amerikanischen politischen Systems bloß. Dadurch konnte sie externe Unterstützung finden, die ihrerseits das Angriffsprofil der Bürgerrechtsbewegung erweiterten.
Halten wir also fest: aus der Bewunderung und Imitation der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in Amerika entstand die kulturelle Revolution der sechziger Jahre. Durch den in Europa bereits aufgrund es Zweiten Weltkrieges institutionalisierten, US-amerikanischen Kulturimperialismus, vor allem aber durch die aus der Krise des fordistischen Akkumulationsmodells hervorgerufenen Leerläufe fand diese neue Gegenkultur (neue soziale Bewegungen) eine rasche Ausbreitung auch in diversen europäischen Ecken und Winkeln der urbanen Realität. Die Reformierung des Kapitalismus und der Nachholbedarf an Demokratisierung wurden in Gang gesetzt und bis heute nie wirklich abgeschlossen. Der Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit am Beispiel des amerikanischen Kulturimperialismus und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung transzendierte den Zivilisationsgedanken der amerikanischen Gesellschaft. Gerade durch den Versuch, diesen Konflikt aufzulösen, verwirklichten die USA ihren Mythos und erschufen ihn dadurch neu. Die internen Machstrukturen blieben erhalten und extern wirkte sich die Integration der schwarzen Minderheit durchaus positiv aus. Die Anpassung an den Druck von unten modifizierte das amerikanische politische System und zeugt von einem hohen Demokratisierungsgrad und der Transparenz des amerikanischen politischen Systems, was sicherlich einen großen Teil seiner Faszination ausmacht. Bei dem Begriff US-amerikanischer Kulturimperialismus handelt es sich also um die Verkettung von ökonomischen Interessen mit kulturellen Begleiterscheinungen, die wesentlich dabei mithelfen, erstere Anliegen in die Wirklichkeit umzusetzen und zu realisieren. Mit dem Genuss eines amerikanischen Produktes wird also weniger der unverwechselbare Geschmack, als vielmehr das Versprechen der Freiheit konsumiert und wohl auch genossen.