Wilhelm Heinse

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Johann Jakob Wilhelm Heinse, Gemälde von Johann Friedrich Eich, 1779 (Gleimhaus, Halberstadt)

Johann Jakob Wilhelm Heinse, eigentlich Heintze, (* 15. Februar 1746[1] in Langewiesen, Schwarzburg-Sondershausen; † 22. Juni 1803 in Aschaffenburg) war ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer, Gelehrter und Bibliothekar.

Geburtshaus Heinses in Langewiesen, heute Museum
Heinsedenkmal in Langewiesen

Johann Jakob Wilhelm Heinse war der Sohn des Stadtschreibers in Langewiesen, Johann Nikolaus Heintze und dessen Ehefrau Barbara Katharina Jahn. Sehr weitläufig waren die Heinses (eigentlich Heintzes) mit der thüringischen Künstlerfamilie Heinsius verwandt. Nach seinem Schulbesuch in Langewiesen wechselte Heinse auf das Gymnasium in Arnstadt, später an jenes von Schleusingen. 1766 immatrikulierte er sich an der Universität Jena für das Fach Jura. Aber von Anfang an vernachlässigte er dieses Studium zugunsten seiner literarischen Interessen. Zwei Jahre später folgte er seinem Lehrer Friedrich Justus Riedel an die Universität Erfurt. Riedel unterstützte Heinse während dessen Studium, profitierte aber auch von dessen Hilfe beim Verfassen seiner Pamphlete.

Durch Riedel machte Heinse die Bekanntschaft von Christoph Martin Wieland. Durch die Fürsprache von Wieland nahm ihn Johann Wilhelm Ludwig Gleim durch Briefkontakt in seinen Halberstädter Dichterkreis auf. Nach Beendigung seines Studiums begleitete er im Spätsommer 1771 zwei ehemalige Offiziere auf deren Reise durch Süddeutschland. Einer der beiden war der Pamphletist Graf Hermann Woldemar von Schmettau. Im September 1772 kam Heinse nach Halberstadt zu Gleim.

Durch dessen Vermittlung bekam Heinse ab September desselben Jahres eine Anstellung bei der Familie von Massow als Hofmeister. Dieses Amt hatte er bis zu seiner Abreise 1774 inne. Von den Brüdern Jacobi, dem Dichter Johann Georg Jacobi und dem Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi, wurde Heinse im April 1774 für die Redaktion ihrer Damenzeitschrift „Iris“ in Düsseldorf engagiert. Als Mitarbeiter lernte er auch Minister Johann Wolfgang von Goethe kennen, den er sehr verehrte. Auch mit Friedrich Maximilian Klinger war er befreundet und schätzte dessen Theaterstück Sturm und Drang. 1776–1777 veröffentlichte Heinse im Teutschen Merkur seine Briefe Über einige Gemälde der Düsseldorfer Galerie und erreichte damit seinen literarischen Durchbruch. Mit diesen Briefen wandte sich Heinse von Johann Joachim Winckelmann und dessen Ansichten über Kunst ab.

Ab Juli 1780 unternahm er eine Italienreise. Maßgeblich an deren Finanzierung beteiligt waren wiederum die Brüder Jacobi und Papa Gleim. Heinse bestritt diese Reise, die ihn durch die Schweiz bis nach Südfrankreich führte, größtenteils zu Fuß. Im baden-württembergischen Emmendingen besuchte er Goethes Schwager, den Oberamtmann Johann Georg Schlosser. Später kam er über Avignon und Nizza, meist der Küste entlang, bis an den Golf von Neapel. Nur in Venedig, Florenz und Rom hielt Heinse sich längere Zeit auf.

In Rom lernte er Friedrich Müller, genannt Maler Müller kennen, der ihn mit der Kunst und der Geschichte der Stadt vertraut machte. Heinse verarbeitet seine Eindrücke in seinem Roman Ardinghello, den er 1786 veröffentlichte. Mit diesem Werk eröffnete er, 30 Jahre vor der Veröffentlichung von Goethes Italienischer Reise, deutschen Lesern einen neuen Blick auf Italien: Der römischen Antike wurde die Renaissance als ebenbürtig gleichgestellt.

Im September 1783 kehrte Heinse nach Deutschland zurück. Nach einer Idee Maler Müllers sollte dort unter seiner Leitung eine kulturelle Zeitschrift entstehen, an der auch Joseph Anton Siegmund von Beroldingen, ein Domherr aus Speyer, beteiligt werden sollte. Da sich das Projekt aus Kostengründen nicht realisieren ließ, ging Heinse nach Düsseldorf. In Mainz bekam er 1786 eine Anstellung als Vorleser des Mainzer Erzbischofs, Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal. Später avancierte er zum erzbischöflichen Bibliothekar.

Grabstätte auf dem Aschaffenburger Altstadtfriedhof

Der Kurfürst verlieh Heinse den Titel eines Hofrats und beförderte ihn zum Professor. Auch Erthals Nachfolger, Reichsfreiherr Karl Theodor von Dalberg, ließ seine Privatbibliothek von Heinse verwalten. Die jahrelange enge Zusammenarbeit mit diesen Kirchenfürsten führte zur falschen Behauptung, Heinse sei konvertiert. Als Bibliothekar war Heinse einige Jahre der Kollege von Georg Forster. Mit diesem verstand sich Heinse nicht, da Forster ein glühender Anhänger der französischen Revolution war, während er selber diese vehement ablehnte. In seinen Mainzer Jahren pflegte Heinse die Freundschaft zu dem Mediziner Samuel Thomas Soemmerring und traf sich auch mit Goethe anlässlich einiger Ausflüge an den Niederrhein.

1792 wurde Mainz durch die französische Armee besetzt. Bei der Belagerung von Mainz im darauf folgenden Jahr flüchtete der kurfürstliche Hof nach Aschaffenburg. Unter Heinses Leitung wurde auch die Privatbibliothek des Erzbischofs dorthin in Sicherheit gebracht. Bis an sein Lebensende wirkte Heinse dann als Bibliothekar an der Hofbibliothek Aschaffenburg. Im Sommer 1796 verbrachte Heinse einige Zeit in Kassel und Bad Driburg, zusammen mit Friedrich Hölderlin und Susette Gontard.

Im Alter von 57 Jahren starb Johann Jakob Wilhelm Heinse am 22. Juni 1803 in Aschaffenburg. Sein Grab befindet sich dort auf dem Altstadtfriedhof. Mit einer Büste, von Johann Nepomuk Haller begonnen und von Ernst Mayer vollendet, wird er als deutscher Dichter in der Walhalla (bei Donaustauf im Landkreis Regensburg) geehrt.

Tafel am Heinsedenkmal Langewiesen

Mit seinem Roman Laidion trat Heinse literarisch aus dem Schatten Gleims. Seine sprachgewaltige Hochform erreichte er dann fast 15 Jahre später mit seinem Briefroman Ardinghello (1787). Dieser als Heinses bekanntestes Werk beeinflusste unmittelbar die Romantik, wenn auch die damalige Rezeption anscheinend gering ausfiel.

In seinem zweibändigen Briefroman Anastasia und das Schachspiel (1803) verwendete Heinse die Analysen des italienischen Schachmeisters Giambattista Lolli. Nach eigenen Aussagen war ihm dieses Werk sehr lieb, da er als guter Schachspieler damit seine Auffassungen über das Schachspiel darlegen konnte. Nach diesem Roman wird eine dort verwendete Kombination aus den Werken Lollis als Matt der Anastasia bezeichnet. Noch heute hat Heinses Roman Hildegard von Hohenthal für die Musikgeschichte Bedeutung, da er eine Geschichte der italienischen Oper beinhaltet. Des Schachs und der Musik wegen war Heinse auch ein Bewunderer von François-André Danican Philidor.

In seiner „Leserinnen und Leser!“ übertitelten Einleitung der Begebenheiten des Enkolp – der ersten Übersetzung des satirischen Romans Satyricon des Titus Petronius ins Deutsche – thematisiert Heinse ein zentrales Problem des literarischen Übersetzens:

„Hier übergeb' ich Ihnen den Roman des Petron in die teutsche Sprache übersetzt. […] Ich wünsche und hoffe, daß Sie durch diese Uebersetzung den Mann besser kennen lernen mögen. Man hat zwar auch sechs französische Uebersetzungen von diesem Romane, aber ich weiß nicht, welcher feindseelige Dämon die Verfasser davon verhinderte, daß sie, wie ich und andere Leute glauben, sehr selten den Gedanken des Petron, und den Ton, in welchem er ihn sagte, getroffen haben; – und dennoch glaubte Jeder, daß er den Petron am besten übersetzt, so – wie auch ich es glaube.“

Schriften und Werkausgaben

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  • Juliane Blank: „Ein rechtes Wollustferkel“. Erotisierung und Selbstzensur in Wilhelm Heinses italienischen Kunstbeschreibungen. In: Lenz-Jahrbuch 17 (2010), S. 45–73.
  • Manfred Dick: Wilhelm Heinse in Düsseldorf. In: Gerhard Kurz (Hrsg.): Düsseldorf in der deutschen Geistesgeschichte. Verlag Schwann-Bagel, Düsseldorf 1984, ISBN 3-590-30244-5, S. 179.
  • Gernot Frankhäuser, Johannes Hilgart, Thomas Hilsheimer (Hrsg.): Wilhelm Heinse und seine Bibliotheken. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3233-5.
  • Charis Goer: Ungleiche Geschwister. Literatur und die Künste bei Wilhelm Heinse. Fink, München 2006, ISBN 3-7705-4144-8 (Digitalisat).
  • Erich Hock: Heinse, Johann Jakob Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 438–440 (Digitalisat).
  • Almut Hüfler: Wilhelm Heinse (1746–1803). Ein biographischer Essay. In: Wilhelm Heinse: Tagebuch einer Reise nach Italien, herausgegeben von Christoph Schwandt. Insel, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-458-34569-8, S. 9–87.
  • Karl Detlev Jessen: Heinses Stellung zur bildenden Kunst und ihrer Ästhetik. Verlag Mayer & Müller, Berlin 1901 (Textarchiv – Internet Archive).
  • Emil Kneschke: Heinse, Johann Jakob Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 11, Duncker & Humblot, Leipzig 1880, S. 651–653.
  • Hans Nehrkorn: Wilhelm Heinse und sein Einfluss auf die Romantik. Lattmann, Goslar 1904 (zugl. Dissertation Göttingen 1903; Digitalisat).
  • Helmut Pfotenhauer: Die Typen der Beschreibungskunst im 18. Jahrhundert oder die Geburt der neueren Kunstgeschichte. In: Gottfried Boehm, Helmut Pfotenhauer (Hrsg.): Beschreibungskunst – Kunstbeschreibung. Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart. Wilhelm Fink, München 1995, S. 313–330 (Digitalisat).
  • Carl Schüddekopf (Hrsg.): Briefwechsel zwischen Gleim und Heinse. Weimar 1894; v-kleist.com (PDF).
  • Arthur Schurig: Der junge Heinse. Mit einer mehrfach gefalteten Ahnentafel. Georg Müller, München und Leipzig 1912 (zugleich Dissertation 1910).
  • Hans-Bernd Spies: Hein(t)ze – Rost – Juvenal – Patriarch – Heinse. Beiträge zu Wilhelm Heinse (1746–1803) (= Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Beiheft 2). Aschaffenburg 2005, ISBN 3-922355-26-9.
  • Gert Theile (Hrsg.): Das Maß des Bacchanten. Wilhelm Heinses Über-Lebenskunst. Wilhelm Fink, München 1998, ISBN 3-7705-3249-X (Beiträge eines Symposiums der Klassik Stiftung Weimar zum 250. Geburtstag Heinses 1996; Digitalisat).
  • Björn Vedder, Wilhelm Heinse und der so genannte Sturm und Drang. Künstliche Paradiese der Natur zwischen Rokoko und Klassik. Königshauses und Neumann, Würzburg 2011. ISBN 978-3-8260-4395-6. (Googlebooks)
  • Ira Wilhelm: Wilhelm Heinse und seine „Düsseldorfer Gemäldebriefe“. Dissertation Berlin 2013 (Digitalisat).
  • Lebendiges Rheinland-Pfalz. Sonderheft zu Wilhelm Heinse. Heft I-II, Mainz 2003; Volltext (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive; PDF).
  • Wilhelm und die glückseligen Inseln. Eine Graphic Novel von Angela Pfenninger und Jan Hochbruck, Stuttgart 2023. ISBN 978-3-9435-4768-9
Wikisource: Wilhelm Heinse – Quellen und Volltexte
Commons: Wilhelm Heinse – Album mit Bildern

Einzelnachweise

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  1. Wolfgang Balzer: Mainz – Persönlichkeiten der Stadtgeschichte. Band II: Personen des religiösen Lebens, Personen des politischen Lebens, Personen des allgemein kulturellen Lebens, Wissenschaftler, Literaten, Künstler, Musiker. Druckerei und Verlag Gebr. Kügler, Mainz 1989, ISBN 3-924124-03-9, S. 212.