Wortfamilie
Eine Wortfamilie, auch Wortsippe oder Lexemverband, ist eine Reihe von Wörtern, die sich um denselben Wortstamm gruppieren und ein gemeinsames lexikalisches Morphem enthalten. Ihnen ist also dasselbe Etymon (etymologische Wurzel) gemeinsam.
Wortfamilien können im Deutschen bis zu tausend Einzelwörter umfassen,[1] wobei allerdings der etymologische Zusammenhang häufig nicht mehr durchsichtig ist (zum Beispiel Herzog, Zeuge, Zucht usw. von ziehen).
Die Wortfamilie wird meist als „synchrone Größe“ beschrieben, d. h. verwandt sind nur Lexeme, deren Verwandtschaft „für das zu einer bestimmten Zeit als gegeben vorausgesetzte Wissen einer Sprachgemeinschaft über morphologische Zusammenhänge“[2] erkennbar ist.
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Schulbeispiel: binden, Band, Binde, Gebinde, Bund, bündeln, bündig, Verband, Verbandtasche, Entbindung, Entbindungsklinik …[3]
- Beispiel: lehren, Lehrer, gelehrt, gelehrig, unbelehrbar …[4]
Wörterbücher, die mehr oder weniger nach Wortfamilien aufgebaut sind, sind etwa das Bayerische Wörterbuch von Johann Andreas Schmeller, das Schweizerische Idiotikon, der Althochdeutsche Sprachschatz von Eberhard Gottlieb Graff, das Mittelhochdeutsche Wörterbuch von Georg Friedrich Benecke, Wilhelm Konrad Hermann Müller und Friedrich Zarncke, das Althochdeutsche Wörterbuch von Jochen Splett und das Deutsche Wortfamilienwörterbuch des gleichen Autors. Lexikographiegeschichtlich handelt es sich dabei um ein Konzept aus der Barockzeit, das noch im 19. Jahrhundert aktuell war[5] und in jüngerer Zeit wieder aufgegriffen wurde.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Volker Harm: Einführung in die Lexikologie. WBG, Darmstadt 2015 (Einführung Germanistik), ISBN 978-3-534-26384-4, S. 95–96.
- Dietrich Homberger: Sachwörterbuch zur Sprachwissenschaft (= Reclams Universal-Bibliothek. Band 18241.) Reclam, Stuttgart 2003, ISBN 978-3-15-018241-3.
- George A. Miller: Wörter. Streifzüge durch die Psycholinguistik. Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von Joachim Grabowski und Christiane Fellbaum. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1993; Lizenzausgabe: Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1995; 2. Auflage ebenda 1996, ISBN 3-86150-115-5, S. 108–123 und 307.
- Jochen Splett: Deutsches Wortfamilienwörterbuch. Analyse der Wortfamilienstrukturen der deutschen Gegenwartssprache. Zugleich Grundlegung einer zukünftigen Strukturgeschichte des deutschen Wortschatzes. 18 Bände. De Gruyter, Berlin/New York 2009, ISBN 978-3-11-018320-7.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Vgl. Kühn: Lexikologie, 1994, S. 56: Das Verb ziehen hat etwa 200 Ableitungen, die ganze Wortfamilie über 1000 Wörter.
- ↑ Volker Harm: Einführung in die Lexikologie. WBG, Darmstadt 2015 (Einführung Germanistik), ISBN 978-3-534-26384-4, S. 95 m.w.N.
- ↑ Volker Harm: Einführung in die Lexikologie. WBG, Darmstadt 2015 (Einführung Germanistik), ISBN 978-3-534-26384-4, S. 95.
- ↑ Peter Ernst: Germanistische Sprachwissenschaft. WUV, Wien 2008 (UTB; 2541), S. 202.
- ↑ Oskar Reichmann: Historische Lexikographie. Ideen, Verwirklichungen, Reflexionen an Beispielen des Deutschen, Niederländischen und Englischen (= Studia Linguistica Germanica. Band 111). De Gruyter, Berlin/Boston 2012, ISBN 978-3-11-028255-9, S. 451.